56 | Male parta, male dilabuntur

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Das Zimmer war düster, genau wie meine Gedanken. Die Sonne war bereits untergegangen, Nachtruhe in direkter Reichweite. Die Lampe versuchte kläglich, die dunklen Ecken des Raumes auszuleuchten. Es funktionierte kaum.

Abgesehen von Thea und mir war es unheimlich leer hier. Ich hatte mich in meine Decke eingekuschelt und hockte in der Ecke auf meinem Bett. Thea saß an ihrem Schreibtisch, irgendeine Mindmap anfertigend. Worum genau es ging, wusste ich nicht.

Wenn die Umstände anders gewesen wären, hätte ich die Atmosphäre als gemütlich bezeichnet. Doch so war sie alles andere als gemütlich. Eher gruselig. Die Erinnerung an meinen kurzen Moment des Erfolgs heute Nachmittag und Frau Schwabs Zorn und Enttäuschung verfolgten mich immer noch.

Mittlerweile war ich zu dem Schluss gekommen, dass es das nicht wert gewesen war. Ich hatte unfair gespielt und musste nun den Preis dafür zahlen. Und leider überschattete meine Wut auf mich selber das Gefühl, etwas gut gemacht zu haben. Vor allem, wenn man das Finale danach ansah. Man musste nicht einmal die Wertung kennen, um zu erraten, dass ich katastrophal gegen Matthias abgeschnitten hatte. Das hatte die Schulleiterin sicher gefreut.

Ich zog die Beine an und starrte ins Nichts. Beinahe konnte ich ihre Gesichtszüge vor mir ausmachen. Wie ihr warmes Lächeln zu einem unnachgiebigen Ausdruck wurde. Es machte es nicht besser, dass sie bisher alle meine Anrufe ignoriert hatte und nirgends aufzufinden war.

Nachdem ich kurz nach dem Finale mit Lukas geredet hatte, hatte es zwar eine Weile gedauert, aber schließlich hatte ich mich überwunden, ihre Nummer zu wählen. Sie hatte recht gehabt. Ich hatte Verantwortung, vor der ich mich besser nicht drücken sollte.

Doch sie war letztendlich diejenige gewesen, die nicht reagiert hatte. Natürlich könnte es auch gut sein, sie war bei einem furchtbar wichtigen Termin, bei dem sie auf keinen Fall gestört werden wollte. Tief in meinem Inneren glaubte ich aber nicht daran.

Dabei war das, was ich, beziehungsweise Lukas, herausgefunden hatte, hochinteressant gewesen. Denn für die Herstellung des Steins der Weisen brauchte man Blut. Und zwar eine große Menge an Blut. Und das möglichst von verschiedenen Elementbändigern. Ansonsten wurde noch Quecksilber, Schwefel und Salz benötigt.

Darüber, wie genau dann mit den Substanzen umgegangen wurde, waren sich die Alchemisten sehr uneinig gewesen. Manche sagten, man musste sie einfach nur zusammenmischen, manche hatten seitenlange Beschreibungen verschiedener Rituale verfasst und wieder andere sprachen von einem Gefühl, das einen leiten sollte. Das hatte Lukas allerdings schon als unwahrscheinlich abgetan.

Somit war aber das Motiv der Morde und auch der Grund der blutleeren Leichen glasklar: Das Blut wurde tatsächlich benötigt, um ein Mittel zum ewigen Reichtum und Leben herzustellen. Jetzt mussten wir nur noch herausfinden, wo die Geheimgesellschaft das tat. Aber allein kam ich da nicht mehr weiter.

Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkte, wie sich Thea zu mir aufs Bett gesetzt hatte.

„Alles in Ordnung?", fragte sie.

„Ja, ich bin nur..." Müde, wollte ich eigentlich sagen. Doch wem machte ich hier etwas vor?

„Was ist passiert? Hat es irgendetwas mit den Duellen heute zu tun?"

Ich nickte. Sie lächelte aufmunternd. „Zweiter Platz ist doch super! Du bist außerdem noch die Einzige, die volle Punktzahl bekommen hat. Und du bist zwei Jahre jünger als die Drittklässler. Matthias hatte einfach zu viel Erfahrung, gegen den haben sie alle verloren."

„Das ist es nicht", antwortete ich zögerlich. Ich wusste nicht, was mich zurückhielt, es war immer noch Thea. Aber die Angst davor, Frau Schwabs Vertrauen erneut zu enttäuschen, war zu groß.

Der Ruf der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt