3.01: "Höhere Mächte"

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"MAMA! MAMA HILFE!", schreit ein kleiner verängstigter Junge, als er zusammen mit seiner Mutter auf der Hauptstraße von Rosewood, genau wie alle anderen Bürger, den riesigen Dimensionsriss - welcher durch das Weltenportal der Traveller enstanden ist - sieht und hell den Nachthimmel ziert.
"Komm mit, Schatz. Wir verschwinden.", keucht die Mutter und zerrt ihren Sohn hektisch in ihren Wagen. Panisch startet sie den Motor, während immer mehr Traveller aus dem Schleier entkommen. Mit hoher Geschwindigkeit rast die Mutter in Richtung Stadtgrenze, um dem Wahnsinn zu entkommen, welcher sich gerade in ihrer eigenen Heimat abspielt.
"Ich will nach Hause.", schluchzt der Junge und presst seine Hände kräftig um seinen Teddybär. Die Mutter schaut in den Rückspiegel und sieht den monumentalen Riss am Himmel, der einem explodierenden Stern ähnelt.
"Alles wird gut, Spatz.", flüstert sie und sieht im Augenwinkel das Schild welches 'Leaving Rosewood - See You Next Time!' sagt. Doch als der Wagen der beiden Flüchtenden die Grenze passieren will, prallt dieser gegen eine unsichtbare Mauer, welche den Wagen quietschend von der Straße abdrängt.
"MAMAAAA!", brüllt das Kind und prallt mit seinem Kopf gegen das Amaturenbrett und verliert das Bewusstsein.
"Jimmy...SCHEIßE!", flucht sie und schüttelt ihren Sohn, um ihn wieder aufzuwecken. Schnell reißt sie die Autotür auf, um ihren Kopf hinaus zu strecken.
"HILFE! HÖRT UNS JEMAND? HILFE!!!", ruft sie verzweifelt und hat Tränen in den Augen.

Als sie sich wieder ihrem Sohn zuwenden will, erblickt sie in der blassen Spiegelung der Scheibe einen großen Mann. Dieser Mann trägt einen Hut mit unnatürlich' breiter Krempe. Dazu ist sein auffälliger - bodenlanger - Mantel mit vielen Runen überzogen.
"Gott, wo kommen Sie denn her?!", erschreckt sich die Frau und dreht sich schockiert zu dem Mann um. Dieser schaut jedoch ihr Kind, welches bewusstlos im Auto liegt, genau an.
"Ist das Ihr Sohn?", fragt er sie und geht näher heran. Die Mutter nickt und folgt ihm.
"J...Ja. Wir wollten die Stadt verlassen als dieser Wahnsinn begann, aber..Ich weiß nicht was passiert ist.", seufzt sie und wirft einen Blick auf die Stadtgrenze.
"Oh? Also hat es geklappt?", fragt der Mann und richtet sich erfreut auf.
"Geklappt?", wiederholt sie fragend. Er nickt zustimmend.
"Die Stadt wurde erfolgreich von der Außenwelt abgeschnitten. Jetzt ist es so als hätte es sie niemals gegeben.", erklärt er und legt seine Hand auf den qualmenden Motor des Autos.
"Sie waren das? Kommen Sie-..."
"Aus dem Ding da oben? Exakt.", unterbricht er sie antwortend mit einem Finger auf das riesige Portal gerichtet, welches langsam zu schwächeln beginnt.
"W..wer sind Sie? WAS TUEN SIE?", grölt die Mutter und weicht ängstlich zurück, als die Form des Portals am Himmel immer kleiner wird und sich beginnt mit lauten - magischen - Geräuschen zu schließen.
"Alle meine Kinder sind angekommen. Alles läuft perfekt nach Plan. Entschuldigen Sie, meine Manieren. Mein Name ist Lucien.", sagt der sonderbar gekleidete Mann und offenbart sich als Traveller.

Genauer gesagt als Anführer der Traveller.

Er hebt seine Hand und ballt eine kräftige Faust. Ein frischer Windzug weht durch den zerstörten Wagen der Mutter und löst ihren Sohn langsam in Luft auf.
"Jimmy...wie..?", stammelt sie, als sie mit dem Gedanken spielt, dass sie am träumen ist. 'Wie kann so etwas überhaupt real sein? Unmöglich.'
"Keine Sorge, er ist nicht tot. Er ist jetzt ein Teil von mir.", antwortet Lucien und erscheint der Mutter, einen kleinen Augenblick später, als ihr eigener Sohn.
"Das sind wir. Wir sind Traveller.", flüstert der nun kleine Junge und seine Augen flimmern lila auf.

Die gesamte Stadtgrenze erstrahlt in einem hellen Licht, welches vermutlich das Ende für die junge Mutter gekennzeichnet hat.

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Im Bunker erwacht Belphegor rasch neben der nach wie vor schlafenden Minerva und blickt auf die sich lautstark streitende Gruppe.
Xander, Gabriel und Lily brüllen sich an, Angelica sitzt leise am Tisch und Nick steht neben der schockierten Raven.
"Wie...wie konnte Joshua nur an solche Wesen geraten?", fragt sie sich laut und kann die Rückkehr ihrer alten Liebe - an der Seite der Traveller - nicht verarbeiten.
"BRUDER, WIR MÜSSEN EINEN KÜHLEN KOPF BEWAHREN! MUTTER UND NICK HATTEN KEINE WAHL!", donnert Gabe seinen großen Bruder an.
Xander allerdings dreht sich zornig um und schaut Nick vorwurfsvoll an. Als er dann sieht, daß Belph wach ist, wendet er sich ihm zu.
"Vergiss es. Er...er hat das alles zu verantworten.", flüstert Xander und schaut Belph fokussiert an. Fast sogar blutrünstig.
"Was?", murmelt Lily.
"Als ich bewusstlos war..", lacht Xander,
"Da begegnete ich dem wahren Grund, wieso er das alles tat. Er zog die ganze Zeit lang die Strippen. Mein Tod, Valerian, das Ritual. Alles war die ganze Zeit er. Weil er seine Tochter verraten hat.", grinst Xander und erregt sofort Belph's Aufmerksamkeit. Der Dunkle steht in seinem schmutzigen und zerissenen Anzug auf und kann kaum fassen was er gerade hört.
"Richtig. Ich sah sie in seinen Gedanken.", ergänzt Raven und erinnert sich an ihren Besuch im Kopf des Trägers der Finsternis.
"Wartet mal...er hat eine Tochter?", runzelt Lily verwirrt die Stirn. Xander nickt und nähert sich dem Dunklen, welcher ihn still anstarrt.
"Und wie er das hatte. Und er war neidisch...neidisch auf sein eigen' Fleisch und Blut. Und aus diesem Grund entstand die schwarze Magie. Er hat das Gute zum Bösen gemacht. Nur...du.", richtet sich der Prawl an ihn. Belph steht auf und holt aus seinem Sakko den goldenen Dolch.
Der Name 'BELPHEGOR' ist tief eingraviert.
"Du denkst wirklich du wärst überlegen, oder?", fragt Belph ihn nun.
"Weißt du was das hier heißt?", fragt der Dunkle und deutet auf den Dolch.
"Das heißt ich bin mächtiger als ein Dämon. Mächtiger als ein Gargoyle. Und viel mächtiger als ein Traveller. Ich sagte doch du sollst bei Minerva und Nick vorsichtig sein. Aber du musstest den Feind ja praktisch in unser Wohnzimmer lassen.", wirft er ihm vor und steckt den Dolch wieder weg. Xander holt zu einem gewaltigen Faustschlag aus, aber Belph kontrolliert die Hand des Prawls mit nur einem einzigen Gedanken. Ohne sich zu rühren steht Belph vor Xander und lässt seinen Körper praktisch komplett erstarren.

Und dafür muss er nicht mal mit der Wimper zucken.

Lily und Gabe starren ihn respektvoll an,
"Lass es, Belph.", sagt Angelica leise und steht gelangweilt auf. Belph dreht seinen Kopf zu ihr und seine Augen sind bereits kugelrund.
"Oder was?", fragt er und ist sich sicher eine weitere Runde gegen sie zu gewinnen.
"Süß. Ich weiß was du denkst. Ich kann es hören.", entgegnet sie ihm und streift sich über ihr schwarzes Gewand. Xander schaut sie in seiner Starre hilfesuchend an.
"Angelica?", fragt Raven sie, als die vermeintliche Siphoner immer näher auf Belph zugeht.
"Komm schon. Sag ihnen die Wahrheit. Oder ich schicke ihn sofort wieder zurück in die Hölle. Aber dieses mal ohne Dämonen Power-Up.", schmunzelt er leicht und hat Xanders Leben in der Hand.

Im Bunker beginnt es plötzlich zu donnern und zu blitzen. Angelica schließt angestrengt ihre Augen und zuckt mit den Schultern. Belph lässt überraschend von Xander ab. Als das Licht der Blitze aufflackert zeichnet sich der Umriss von zwei riesigen Flügeln hinter Angelicas Rücken ab. Als sie ihre Augen wieder öffnet, erstrahlen diese in einem himmlischen blau.
"Siehst du. War doch nicht so schwer.", lacht Belph und zückt seinen Dolch.
"Was bist du?", fragt Raven sie und erkennt ihre Retterin kaum wieder.
"Denkst du eine gewöhnliche Siphoner hätte dich nach all den Jahren einfach so wiederbeleben können?", fragt Belph Raven und deutet auf Angelica.
Diese steht mit ihren pompösen Schattenflügeln und den leuchtenden Augen jedoch majestätisch vor dem Dunklen.
"Sie ist ein Erzengel."

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt