4.05: "Glückseligkeit"

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"Was? Wie willst du das anstellen?", fragt Finn den Prawl interessiert und tritt ein paar Schritte zurück,
"Wenn du die Leute dadurch tötest...da mache ich nicht mit."
Sofort schüttelt Xander den Kopf und schließt seine Augen.
"Nein, nein. Keinem wird etwas geschehen. Es geht mir nur um die Stadt als ganzes. Rosewood ist der einzige Ort auf der Erde an dem die Magie noch existiert. Wenn es verschwindet, wird jede Verbindung in die übernatürliche Welt gekappt sein und ich nutze die letzte Energie, in Kombination mit dem Phönix Rubin, um Gabriel und ALLE meine Geschwister zurück zu holen. Dann zerbricht das Jenseits und verschwindet für immer, ohne unserer Welt zu schaden.", erklärt Xander und starrt Finn triumphal an, welcher einen beeindruckten Gesichtsausdruck aufgesetzt hat. Er räuspert sich und tritt wieder näher an den Prawl heran.
"Seit wann kennst du dich so gut mit diesen Dingen aus?", fragt Finn und zieht seine Augenbrauen hoch.
"Die Bücher der Traveller wirken Wunder.", lächelt Xander. Finn winkt Xander den Korridor entlang und die beiden Männer gehen weiter durch die Flure der besonderen Schule.

"Und was passiert mit all den Seelen auf der anderen Seite? Sie verdienen Frieden. Du weißt wer da alles drüben ist, ich kann nicht zulassen, dass du die ewige Ruhe meiner Freunde störst, Xander.", fragt Finn und richtet sich sein Sakko.
"Ihnen wird es gut gehen. Sie bleiben weiterhin in Himmel und Hölle, das einzige was verschwindet ist ihr Aufenthalt als geistige Wesen in unserer Zwischenwelt. Danach gibt es keine Wiederbelebungen mehr. Ich tue, was wir hätten seit unserer Ankunft in Rosewood hätten tun sollen. Ich repariere die Ordnung der Natur.", erklärt er ihm stolz. Finn bleibt stehen und streckt Xander die Hand aus.
"Schwör' auf Gabriels Erbe, dass du es genauso machen wirst und ich bin dabei. Keine Schlupflöcher, oder böse Überraschungen wie damals.", murmelt Finn und atmet tief ein.

Xander freut sich und klopft Finn mit seiner linken Hand auf die Schulter.
"Ich schwöre es, alter Freund.", flüstert der Prawl und schüttelt ihm die Hand.

--- Monate früher... ---

An der Stadtgrenze von Rosewood steht ausgeschaltet und einsam, inmitten der dichten Wälder Maines, der frisch polierte Cadilliac von Raven, in welchem die Siphoner still sitzt und nachdenklich über die Stadtgrenze schaut. Aus dem Radio schallt langsam 'Dream A Little Dream Of Me', zu dem sie langsam mit dem Kopf wippt.

Überraschenderweise trägt sie kein Kleid, so wie es in ihrer Zeit als Königin für die Erben der Nacht üblich war, sondern einen schwarzen Hosenanzug, und graue High Heels. Ihr neuer Look ändert aber nichts an den Gefühlen die in ihr toben, denn die sind - auch einige Zeit nach der finalen Konfrontation um die Erde - die selben.
Aus dem Handschuhfach des Wagens holt sie ein kleines, schon fast zerknittertes Foto, auf dem sie im Jahr 2004, zusammen mit ihrer ganzen Familie und Joshua zu sehen ist. Ihre besten Freunde, ihre Mom, ihr Dad, alle sind sie zusammen, während, die damals noch Zahnspange tragende - Raven glücklich in den Armen ihres Ex-Freundes liegt und die Mitte des Fotos kennzeichnet.
Raven dreht das Foto wieder weg und lässt ihren Kopf gegen den Sitz fallen. Rechts von ihr öffnet sich die Beifahrer Tür ihres Wagens, durch die sich Belph in das Auto setzt. Er schaltet das Radio aus und schließt die Tür neben sich.

"Ich hasse Abschiede.", keucht Belph und schaut die traurige Raven an.
"Wenn du höhnisch sein willst, ich bin gerade nicht in der Stimmung.", schluchzt Raven, aber versucht sich nichts ihrer Trauer anmerken zu lassen.
"Nein, ehrlich gesagt bin ich hier um lebwohl zu sagen.", entgegnet er und klopft seinen Mantel, welcher zu seinem dunklen Anzug passt, etwas ab.
"Wirklich? Wohin gehst du?", fragt Raven etwas überrascht und setzt sich gerade hin.
"Ich und Noore verlassen die Stadt und reisen durch Amerika. Sie kennt unsere Welt noch nicht und will sie kennenlernen. Und nach allem was war, gebe ich alles dafür bei meiner Tochter zu sein...und ihr ein guter Vater zu sein."
Raven runzelt ihre Stirn und ist überrascht über Belphs Worte.
"Du gehst nach da draußen, ohne deine Magie? Was ist mit deinem Dolch?", fragt sie und kann sich kaum vorstellen, dass ihr langer Bekannter sich so plötzlich geändert hat. Belph schüttelt den Kopf und schaut nun ebenfalls über die Stadtgrenze.
"Das ist nur ein vorübergehendes Problem. Der Dolch wird bald nicht mehr meine Bürde sein, ich habe nun doch einen Weg gefunden wie ich alles haben kann was ich will. Macht UND meine Tochter.", antwortet er ihr ehrlich.
"Das hört sich an wie die alten Belphegor-Ansichten. Ich dachte nach Noores Rückkehr und allem was im letzten Jahr passiert ist, hättest du dich geändert.", stellt sie fest und zuckt mit den Schultern. Belph atmet tief ein,
"Eher weiterentwickelt. Jahrtausende der Träger der schwarzen Magie zu sein und am Ende als Werkzeug des Teufels genutzt zu werden, bleibt nicht ohne Folgen."
Raven nickt und kann Belph irgendwo verstehen.
"Was ist denn wenn du Joshua verziehen hättest? Klar, er hat deine Freunde getötet, aber Xander hat auch viele getötet. Er hat DICH getötet. Dann wärst du doch glücklich, oder?", fragt Belph und deutet auf das Bild, welches auf Raven's Schoß liegt. Raven schüttelt den Kopf,
"Nein, das bin nicht mehr ich. Ich habe Ewigkeiten damit verbracht Joshua zurück zu bekommen und dann ist er dieses Monster geworden. Er hat die getötet, die ich liebe. Xander hat sich aber geändert. Er ist nicht mehr das Monster, was er einst war.", erklärt Raven und legt die Hände verdeckend auf das Bild von sich und ihrer Vergangenheit.
"Tun sie das? Ändern Menschen sich einfach so? Raven, hör mir zu, nur weil man Gutes tut, heißt es nicht, dass einem Gutes widerfährt.", meint Belph und greift nach ihrer Hand.

Er umklammert die Hand seiner alten Feindin fest und sieht den langen Weg, den die beiden - und alle anderen in Rosewood - gegangen sind.

"Ich habe mir mein Glück genommen und werde es jetzt bald noch ein letztes Mal tun. Ich rate dir dasselbe. Wenn du Xander willst, dann warte nicht auf ihn. Dann finde dein Glück. Denn, so unglaubwürdig das auch klingen mag, ich wünsche mir genau das für dich.", lächelt er und steigt aus dem Wagen aus.

Raven schaut ihm nachdenklich hinterher und atmet tief ein. Sie greift nach dem Bild und starrt es intensiv an.
"Ich werde mein Glück finden. Aber du...du hast es nicht verdient, jemals Teil davon gewesen zu sein.", flüstert sie und lässt das Bild langsam zu Asche werden, die sich fein in der Luft verteilt. Sie startet den Motor des Cadilliacs und drückt auf das Gaspedal. Donnernd passiert sie das Stadtschild auf dem 'SIE VERLASSEN ROSEWOOD' steht...

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt