3.11: "Only You"

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"Nenn mir einen Grund dich nicht zu töten.", befiehlt Noore ihrem Vater, welchen sie fest an die hölzerne Wand seines eigenen Geschäftes fixiert hat.
"Ich...ich hab alles getan um dich wieder zu bekommen..", keucht Belph und ringt nach Luft, da die Finsternis ihm langsam den Lebensgeist aus seiner Seele saugt. Das bleiche Mädchen tritt näher heran und beugt sich schon förmlich über den Kassentisch, um genau in seine ängstlichen Augen zu schauen,
"Du hast mir alles genommen. Wegen dir entstand aus meiner Gabe, eine so dunkle Abscheulichkeit. Hexen, Siphoner, Traveller...alles nur wegen dir. Nur du...wegen dir ist der Teufel frei.", offenbart sie ihm seine schon bestehende Vermutung.
Belph schaut seine Tochter weinerlich an,
"Noore, bitte...ich liebe dich.", fleht er sie an, doch ihre Mine wird nur noch zorniger.
"VERDAMMT!", brüllt sie und lässt von ihrem Vater ab, welcher sofort hustend zu Boden fällt. Sie dreht sich mit zusammengepressten Zähnen weg und schaut durch die Schaufenster, auf die hübsche Hauptstraße der Stadt.

"Xander...sag mir, wo ist der Retter?", fragt Noore monoton. Der immernoch kröchelnde Belph richtet sich langsam auf und stützt sich schwach am Kassentisch ab.
"Xander? Wenn du denkst er kann uns retten, dann hast du auf einen lahmen Gaul gesetzt, Tochter.", scherzt er abwertend und richtet sein Sakko halbwegs. Noore lächelt breit, was Belph jedoch nicht erkennen kann,
"Hör auf mich so zu nennen. Du bist nicht mein Vater. Und Xander ist der einzige der uns retten kann. Er wird der Held sein.", erklärt sie gerührt, mit dem Gedanken an den ältesten Prawl, da sie seinen kurzen Aufenthalt in ihrem Reich der Dunkelheit sehr genoss.
"Wieso denkst du das? Er konnte nicht einmal sich selbst töten. Wieso sollte er es dann bei Luzifer können?", fragt er und versteht das Vertrauen in den Prawl nicht. Noore dreht sich um und scheint selbstsicher.
"Es geht nicht um's töten. Es geht darum den Rubin zu finden.", ergänzt sie. Belph zieht seine Augenbrauen hoch,
"Den Phönix Rubin? Den gibt es noch? Ich dachte er wäre mit dir in die Leere verschwunden.", antwortet Belph überrascht, woraufhin sich ihre Mine wieder verdunkelt.
"Verschwunden? Nennt man es heutzutage so, wenn man seine Tochter verstößt? Aber keine Sorge, er ist nicht dort. Er ist an einem Ort, den nur ich kenne, auch nicht einmal der Teufel selbst. Und dafür brauche ich Xander. Also entschuldige mich, Dunkler.", erklärt sie und sein Geschäft beginnt erneut zu beben. Belph schaut sich erneut hektisch um und beobachtet wie seine Tochter die Augen schließt.
"NOORE! WARTE!", ruft er eilig. Sie öffnet, während das Beben den Laden erschüttert, kurz die Augen.
"Was willst du?"
Belph zeigt auf den Dolch, welchen sie auf einen der Tische abgelegt hat.
"Nimm ihn. Als Beweis, dass ich es ernst meine. Es tut mir leid.", schlägt er ihr vor. Sie schaut ihn ernst an, aber greift nach dem Dolch.
"Es tut mir wirklich leid.", wiederholt er, doch Noore verschwindet samt der Quelle seiner Macht, in einer schwarzen Nebelwolke, welche schneller verpufft, als er blinzeln kann.

--- Forgotton Hills ---

Die Tür zur verwüsteten Mortimer Villa wird mit einem vorsichtigen Klimpern aufgeschlossen, woraufhin die alte - quietschende - Tür ihre Pforte, zu dem Ort an dem alles begann, öffnet.
Hinein tritt Raven, in einem pechschwarzen Kleid, welches seicht den Flur, den sie still heraufschreitet, entlang fegt. Die Augen der Siphoner Königin sind auf die schier unzähligen Blutflecken und die zerstörten Möbel gerichtet, welche dem Massaker von Joshua zu zu schreiben sind. Wo einst ihre treue Gefolgschaft, samt ihrer damals noch unscheinbaren Retterin Angelica, residierte, ist heute nichts mehr von den alten Tagen übrig. Die Zauberbücher sind verbrannt oder geplündert und alle Zutaten die es dort jemals gab, liegen verteilt auf dem knorrigen Holzboden. Raven schüttelt den Kopf und streift mit ihren Fingern traurig über den Türbogen, zum Ritualraum.

"Es tut mir so leid, ihr habt mir vertraut und jetzt seid ihr tot. Durch euch hätte die Welt zu einem besseren Ort werden können, aber ich habe versagt. Ich habe als Königin...als Anführerin versagt.", spricht sie leise, voller Reue und Scham, zu ihren toten Freunden.
"Alles was ich je' wollte war meinen geliebten Joshua zurück zu bekommen. Und dann ist er hier und tötet jeden von euch. Manche von euch kannten ihn damals sogar persönlich...ich..ich weiß nicht was ich sagen soll.", murmelt sie und setzt sich langsam auf einen der modrigen Stühle.
"Wie wäre es, wenn du einfach nichts sagst?", schlägt eine Stimme aus der anderen Ecke des Raumes vor. Ihr Kopf hebt sich rasch, woraufhin sie sofort erkennt wer sie belauscht hat.
"Joshua.", stellt sie fest und steht sofort wieder auf. Der Traveller nickt und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen eine der Steinsäulen, die die Villa stützen.
"Gefällt dir nicht was ich für dich getan habe? Du bist wieder frei.", erklärt er seiner alten Liebe und scheint nicht ein bisschen so, wie sie ihn einst kannte.
"Josh', was ist mit dir passiert?", fragt die Königin mit zitternden Lippen, als sie ihm das erste Mal wieder richtig in die Augen schaut.
"Du hast dich verändert.", ergänzt sie.
"Eher weiterentwickelt.", schmunzelt Josh grimmig.
"Du, aber auch, Ravenenna Quinn Mortimer.", murmelt er und spricht die Königin bei ihrem vollen Namen an. Niemand außer er kennt ihren vollen Namen.
"Josh, du hast alle umgebracht. Das waren mal unsere Freunde!", bebt ihre Stimme gequält, während ihre Augenlider nun ebenfalls zu zucken beginnen.
"Und was habt ihr getan? Deine Freunde...Xander...er und das restliche Prawl Pack haben mir meine Brüder und Schwestern genommen. Jeder Traveller ist tot, genauso wie mein Vater.", entgegnet er ihr selbstverständlich.
"Dein Vater?! Lucien?", fragt sie und erblickt die Bestätigung in seinen Augen.
"Dein Vater hieß Harold Brooks und nicht Lucien. Er hat jeden Traveller in den Tod springen lassen, nur um Luzifer zu befreien. Und dafür hat er bezahlt."

Joshua beginnt sich am Kinn zu kratzen, aber lässt keine Sekunde lang den Augenkontakz zu Raven abbrechen.
"Hat dir das dein toller Xander erzählt? Wie kannst du nur mit dem Mörder von mir - dem Mörder von DIR - nur ein Wort wechseln.", fragt er sie mit erhobenem Finger. Raven beginnt stärker zu atmen und fasst sich wütend an ihr Kleid.
"Sagst du ihm auch, dass du ihn liebst? Fällt er auch auf deine Tricks rein?", fragt Joshua sie. Langsam beginnt er Raven einschüchternd zu umkreisen.
"Ich habe dich nie angelogen. Ich habe dich wirklich geliebt.", rechtfertigt sie sich knapp.
Josh stürzt sich urplötzlich auf Raven und fasst ihr kräftig mit einer Hand um den Hals.
"Du hast ihm vergeben. Du hast der Person vergeben, die mich umgebracht hat.", flüstert er während eines intensiven Blickkontakts. Ihre Nasen berühren sich fast, doch Josh spürt keinen einzigen Zug von Raven's Atem, da sie wie paralysiert in den Fängen seiner Hand steht.
"Woher weißt du das?", wimmert sie schon fast. Josh lächelt,
"Also ist es wahr...", kichert er und beginnt fester zu zu drücken. Raven atmet stark auf,
"Wirst du mich jetzt auch töten?"
"Wenn es sein muss. Xander wird dich niemals bekommen. Das verspreche ich dir. Und nach dir...dann hol ich mir seine Familie...", antwortet er ihr zornig. Raven nickt zustimmend und lässt den tödlichen Würgegriff über sich ergehen.
"Jaaa...", flüstert Josh, als seine Finger ihren Kehlkopf berühren.

* WUMS *

Raven versetzt ihm einen schmerzhaften Tritt in den Magen, woraufhin er sofort zurück taumelt. Der Königin laufen, bei immernoch unveränderter Mine, Tränen das Gesicht hinunter,
"Niemand tut den Menschen die ich liebe weh."
"VERRÄTERIN!", brüllt Josh und setzt zu einem kräftigen Faustschlag an. Doch ehe die Faust ihr Gesicht erreicht, fixiert sie seinen Körper magisch. Ihre Hand berührt seine, als sie ihm erneut in die Augen schaut und er wie eingefroren vor ihr steht.
"E...es tut mir leid, dass ich dich nicht r..retten konnte.", weint sie und holt ihre andere Hand hinzu. Joshs wütende Augen, starren tief in ihre gebrochene Seele. Daraufhin schließt sie ihre nassen Augen und alles was sie hört ist eine lautes Schnippsen, welches von ihrer linken Fingerpartie ausgeht.

Als sie die Augen wieder öffnet, rieselt, wo Josh eben noch stand, die Asche vor ihre Füße und lässt kein einziges Zeichen übrig, von der Existenz des Travellers, welcher einmal ihre große Liebe war, für die sie damals gestorben ist.
Ihr Weinen bricht lautstark aus und sofort wirft sie sich auf den Boden, in eine der kahlen Ecken ihres alten Elternhauses. Zusammengerollt liegt sie auf dem harten Holz und ist am weinen, schon beinahe am schreien, während die Asche von Josh langsam eins mit dem Holz wird.

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt