4.15: "Licht und Dunkelheit" (1)

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"Du warst das...", keucht die Stimme von Xander, welcher nun endlich frei von den Fängen seines eigenen Verstandes ist. Seine schlechtere Hälfte kriecht schwach gegen einen der Grabsteine und schaut den echten Prawl grinsend - aber deutlich angeschlagen - in seine, vor Tränen, feuchten Augen.
"DU HAST DAS GETAN!", brüllt er erneut und zückt ein Messer. Sichtlich amüsiert kichert der Dämon, während seine Pupillen zwischen tiefem schwarz und grellem rot flimmern,
"Du willst mich töten? Du kennst die Antwort darauf...", murmelt er und richtet sich auf. Stolz schaut er in den Himmel, aus dem es in der Ferne nach wie vor donnert und blitzt. Der blutrote Horizont erstreckt sich über ganz Maine.
"Es ist vollbracht. Du bist zwar frei, aber gewinnen werde ich trotzdem..."

Noore eilt zu dem blutenden Gabe und fährt mit ihrer Hand langsam über sein Gesicht. Die Wunden verschließen sich und der Prawl beginnt wieder stärker zu atmen.
"Dir wird es bald wieder gut gehen.", flüstert Noore und heilt Gabe vollkommen.
"Das denke ich nicht.", wendet Belph ein und tritt mit dem Dolch in der Hand zu den beiden. Minerva, Lily, Shawn und Nick schauen verwundert zu dem Trio herüber.
"Der Dämon hat Recht. Der Zauber kommt. Die Trennung der beiden hat nicht geholfen.", erklärt der Dunkle und schaut dem lächelnden Gott in's Gesicht.
"Und durch deine kleine Allianz mit den Erben der Nacht, hast du dir deine Chance auf einen Neuanfang mit Noore in dieser neuen Realität, die jetzt bald anbricht, verspielt.", teilt der dämonische Xander ihm mit.

Der echte Prawl hingegen starrt nur auf die kalte Leiche von Raven und kann es nicht glauben, dass er sie nun ein zweites Mal getötet hat. Nach einem langen Weg aus Verrat, Hass und letztendlich der Liebe, hat sich der Kreis dennoch geschlossen. Gabe richtet sich auf und legt seine Hand auf Xanders Schulter.
"Keine Sorge, Bruder. Wir werden uns finden, egal was diese Gestalt uns antut.", versichert er ihm, als erneute Donnerschläge Rosewood durchdringen.

"Nichts wird so sein wie vorher. Eure Leben, eure Erinnerungen...alles wird mein sein. Eine eigene Welt, nur für mich. Ist das nicht die ultimative Rache?", fragt der Dämon und nähert sich Xander langsam.
"Ich habe den Pfad der Rache hinter mir gelassen, als ich vor zwei Jahren in diese Stadt zurückkehrte. Ich sah Menschen sterben...gute Menschen. Meine Geschwister, meine Eltern und viele andere Personen die es nicht verdient haben. Trotzdem habe ich von ihnen selbst einige getötet.", erklärt Xander und stellt sich seinem Dämon.
"Letztes Jahr dachte ich du würdest Frieden finden, wenn ich mir selbst vergebe, aber ich lag falsch. Du warst schon immer da und wirst nie wieder gehen, weil du ein Teil von mir bist. Man sagt zwar Menschen ändern sich, jedoch bleibt immer etwas von der Vergangenheit in uns erhalten. Das ist das Leben und wir alle wissen, das Leben bietet uns nicht immer was wir erwarten.", schmunzelt der Prawl und bemerkt wie Belph langsam zu Boden schaut.

Lily bemerkt wie die riesige Rauchschwabe immer näher kommt und sich am Horizont darauf vorbereitet alles zu vernichten was der grausame Gott Xander begehrt. Die magischen Welten und alles um sie herum.
"Leute, wir haben keine Zeit mehr.", ruft sie und wird unruhiger.
"Sie hat Recht, wir müssen verschwinden.", bestätigt Minerva ihre Tochter.

Xander greift nach seinem Ärmel und setzt das Messer an seiner Pulsader an. Die Pupillen des Dämons ziehen sich schlagartig zusammen.
"Oh...", keucht der wahre Xander und beginnt zu lachen, als er die Spannung bemerkt, die sich in seinem Bösen-Ich breit macht.
"Ich wusste gar nicht, dass du so etwas empfinden kannst...Angst..", spricht er ihm zu und sieht wie er langsam seine Hand hebt.
"Du bluffst. Das würdest du nicht tun.", grummelt der Dämon und seine Hand beginnt bedrohlich rot zu flimmern, doch nichts geschieht. Er schüttelt diese verwirrt und schaut nervös umher.
"Wieso geht das nicht? Was ist mit meiner Magie?!", keucht er und tritt ein paar Schritte zurück. Gabe runzelt seine Stirn und schaut seinen Bruder ernst an,
"Was hast du getan?"
"Ich kenne mich selbst am besten, Gabe. Als ich mich von ihm trennte, nahm ich einen Teil seiner Macht auf. Er kann mir nichts tun. Aber ich hingegen...", flüstert er und drückt das Messer etwas stärker in sein Fleisch.

"NEIN!", schreit der Dämon und sinkt auf seinen Knien zusammen,
"Bitte..."
Shawn und Nick werden nervös,
"Es muss einen anderen Weg geben!", ruft er angespannt und weiß nicht wie er helfen soll. Noore schaut dem Spektakel hilflos zu, bis sie den Blick ihres Vaters bemerkt, welcher trauriger als sonst scheint.
"Was ist los? Bist du sauer weil du doch nicht bekommst was du willst?", spottet sie, aber Belph hebt still seinen Dolch etwas an.
"Diesen anderen Weg gibt es.", antwortet der Dunkle auf Nicks Aussage und nähert sich den beiden Xanders rasch. Belph greift nach Xanders Hand und schlägt das Messer aus dieser heraus.
"Was zur Hölle tust du da?", faucht Xander und starrt den Dunklen düster an.
"Das was ich vor Jahrtausenden hätte tun sollen.", antwortet Belph und erhebt vor dem Gesicht des verängstigten Gottes seinen Dolch.

Das Metall der Klinge beginnt hell zu glühen, während die Buchstaben, die den Namen des Dunklen auf dem Dolch kennzeichnen, wild am flimmern sind.

"Ich mag den Zauber nicht stoppen können, aber ich kann ihn verändern.", erklärt er und hält den Dolch hoch in die Luft. Noore starrt auf das Glühen des Dolches, aber versteht nicht was ihr Vater meint.
"Ich kenne dich jetzt schon eine geraume Zeit, Xander, allerdings hast du etwas erreicht was noch nie jemand in all den unzähligen Jahren die ich auf der Erde verbrachte, um nach Wegen zu suchen meine Tochter zu retten, geschafft hat. Du hast mir etwas beigebracht.", gibt er zu und schaut dem Retter in die Augen.
"Du bist der lebende Beweis dafür, dass aus etwas Bösen etwas Gutes werden kann. Ich versuchte diesen Schritt schon lange zu gehen, aber habe versagt. Aber vielleicht kann ich den Zauber zu etwas Gutem machen..."
Xanders Mund steht etwas offen, aber er lässt den Blickkontakt ebenfalls nicht abbrechen.
"Belphegor, wieso sagst du das?", fragt Xander ruhig. Der Dunkle lächelt und scheint angestrengt von der Energie die von seinem Dolch ausgeht. Scheinbar sammelt sich die dunkle Magie in diesem.
"Weil das der letzte Moment ist, an dem ich dir das sagen kann.", keucht er und schließt schon fast schmerzerfüllt seine Augen. Noore atmet stark ein und tritt nach vorne.
"Papa?", fragt sie und steht in ihrem - im Wind wehenden - Kleid vor ihm.
"Danke, dass du mir gezeigt hast wie ich bin, Schatz.", antwortet er auf ihre fast schon wimmernde Frage.

"Zeit meines Lebens war ich ein Monster...vielleicht kann ich jetzt ein Held sein.", ergänzt er und die Magie aus seinem Dolch schießt grell und mit voller Kraft in den Himmel und vereint sich mit dem roten Horizont, welcher nun hell zu leuchten beginnt.
"WAS HAST DU GETAN?!", brüllt der Dämon verängstigt und schaut, genau wie alle anderen Prawls sowie die Erben der Nacht, auf die rote Rauchschwabe die über das riesige Ackerland, vor dem Friedhof, gigantisch auf sie zuschießt und sich binnen Sekunden in ein helles Licht verwandelt, welches alle einhüllt.

Auf den Knien und umgeben von purer hellen Magie, schaut der Dämon auf seine Hände und sieht wie sie immer mehr zu zittern beginnen. Die Macht des Rubins verschwindet gänzlich aus seinem Körper und macht all das rückgängig was ihn zu einem eigenständigen Lebewesen machte.
"Kein Xander mehr?...", flüstert er zitternd und sieht wie seine Hände zu Staub zerfallen, genau wie der Rest seines Körpers in den nächsten Augenblicken...

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt