4.02: "Magie ist Sehnsucht..."

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--- 1 Jahr zuvor... ---

"Er ist wirklich weg?", keucht die erschütterte Stimme von Lily, als sie auf die leere Garderobe schaut, an der Xanders, sowie auch Gabriels, Kleidung verschwunden ist. Minerva legt ihre Hand sanft auf die Schulter ihres zweiten noch lebenden Kindes.
"Er will Gabriel zurück holen. Ich habe keine Ahnung wie, aber er will es. Es tut mir leid, Schatz.", flüstert die Mutter und nimmt ihre Tochter kräftig in den Arm, da auch sie ein Mitglied ihrer Familie verloren hat.
"Die Kämpfe sind vorbei. Alles wird wieder gut...irgendwie.", murmelt Minerva, bis laute Schritte den Korridor des Bunkers entlang zu hören sind.
"Ich kann es nicht fassen....er..", stammelt die Stimme von Raven, welche zur Trauer in einem schwarzen schlichten Kleid verpackt ist. Minerva erblickt die Königin der Siphoner und atmet tief aus, da sie die offensichtlichen Gefühle erkennt, die Raven für ihren Sohn hat.
"Raven. Hör zu, wir müssen es akzeptieren.", versucht Minerva direkt die Wogen zu glätten, aber es scheint so als wäre die Abreise von Xander nicht der einzige Anlass für Raven's Stimmung. Sie fasst sich an den Kopf und lehnt sich gestresst auf dem Kartentisch, nahe der Bibliothek auf.
"Er hat Gabriel mitgenommen. Seine Leiche ist nicht mehr im Kühlraum.", erklärt die Siphoner kurz und schmerzlos. Lily reißt ihre Augen auf.
"Was? Wir müssen ihn doch beerdigen!", schluchzt sie und kann es nicht fassen, dass ihr Bruder nun einen kompletten Alleingang wagt. Minerva wendet sich Raven zu und schaut ernst einher,
"Kannst du ihn...keine Ahnung..lokalisieren oder so? Das muss für dich doch einfach sein."
Raven schüttelt den Kopf und kratzt sich an diesem,
"Nein. Ich habe es bereits versucht, aber ich kann ihn nicht finden. Das heißt er ist schon außerhalb von Rosewood, draußen in der Welt, wo es keine Magie gibt...", erklärt sie der Prawl Mutter. Unsicher stehen die drei Frauen im Bunker und wissen nicht was sie jetzt tun sollen. Die Familie Prawl scheint ein für alle Mal auseinander gebrochen zu sein...

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Während Rosewood einen großen Umbruch erlebt, spielt sich auf der anderen Seite der Stadt jedoch eine ganz andere Geschichte ab. Die roten Flammen, im Schaufenster von Belphegors Pfandleihe, welche durch die langsam verlaufenden Kerzen schimmern, bringen etwas Licht in die dunkle Nacht, direkt nach dem Tod des Teufels. Nicht nur für die Prawls hatte der finale Kampf Konsequenzen, sondern auch für den Dunklen, welcher ebenso niedergeschlagen ist wie die zerrüttete Familie.
Mit gesenktem Kopf steht der Träger aller dunklen Magie am Kassentisch und starrt intensiv auf seinen silbernen Dolch, auf dem sein Name eingraviert ist. Die einzige Waffe die den Dunklen töten kann, wurde zu einem Werkzeug des Satans.
"Papa? Ist alles okay?", fragt Noore und stapft in ihrem silbernen Kleid aus dem Hinterzimmer, direkt zu ihrem Vater, in den Laden hinein. Belph nickt und schiebt den Dolch rasch beiseite, was von Noore natürlich bemerkt wird. Noore zieht ihre Augenbrauen zusammen und schaut ihren Vater traurig an.
"Papa. Es war doch nicht deine Schuld.", redet sie ihm sofort gut zu und spürt die Gefühle tief in der Seele des Dunklen. Belph schaut in die Spiegelung einer der vielen Vitrinen und mustert seine schulterlangen Haare, welche leicht auf seinem schwarzen Sakko auf liegen. Sein eigener Anblick schmerzt den Dunklen sehr.
"Hätte ich besser auf den Dolch aufgepasst, hätte Luzifer nie den Rubin finden können. Meine eigene Macht, ist meine größte Schwäche. Ohne ihn würden Angelica und Gabriel noch leben.", flüstert er schon fast und zieht den Dolch wieder zu sich heran. Noore zieht ihre Augenbrauen etwas hoch, überrascht von dem Mitgefühl was ihr sonst so Magie-orientierter Vater für die verstorbenen Mitglieder der Erben der Nacht aufbringt.
"Wieso sind sie dir plötzlich so wichtig? Xander hat mir immer nur die schlimmsten Sachen über dich erzählt.", fragt seine Tochter ihn interessiert. Belph muss etwas lachen und erinnert sich an den Anfang des vergangenen Jahres, an dem er die Prawls das erste Mal kennen lernte.
"Da mag er auch wohl recht gehabt haben. Als ich ihn kennen lernte, wusste noch niemand wer ich war und was für eine Macht ich besitze. Es gab noch keine Magie in Rosewood, so wie du es heute kennst. Ich spielte den Unscheinbaren, einen gefügigen Anhänger von Raven.", sagt er seiner Tochter und berichtet über die Anfangszeiten.
"Ich holte Valerian auf die Erde und manipulierte Raven die Barriere zu brechen. Nur so konnte ich meine Macht wiedererlangen und dich endlich finden.", fährt er fort und stupst seiner Tochter leicht gegen die Schulter. Noore lächelt etwas, aber weiß was für Fehler er begangen hat.
"Nicht alles was du getan hast war richtig. Das wissen wir beide. Du schwiegst über Angelica, obwohl du ihre Macht spürtest. Sie hätten sich alle auf das mit Luzifer vorbereiten können, vielleicht schon Monate vorher.", erinnert sie ihren Vater an seine Fehler, welcher etwas beschämt nickt,
"Ja, ich weiß. Aber stattdessen ließ ich sie diesem idiotischen Ritual hinterherrennen und machte Valerian zum 'großen Bösen' der Stadt. Und dadurch wurde Xander zum Dämon und Nick starb.", sieht er ein.
"Und Valerian opferte sich.", ergänzt Noore mit ihrer ruhigen - fast schon engelsgleichen - Stimme. Belph nickt und nimmt den Dolch fest in die Hand.
"Du hast Recht. Etwas muss ich ändern...Ich muss mich ändern.", wimmert seine Stimme, mit funkelnden Augen. Noore umarmt ihren Vater und lächelt ihn glücklich an.
"Du wirst es schaffen, zusammen mit mir. Ich weiß es.", grinst sie optimistisch und begibt sich nach der Umarmung wieder zurück in das Hinterzimmer.

Belph grinst und ist froh über die Vergebung die er mit jeder Sekunde, die er mit Noore verbringt, erlebt. Er legt den Dolch auf den Kassentisch und schaut zu den brennenden Kerzen. Sofort erlischen diese, was er nur durch einen Gedanken bewirkte. Mit seinem Zeigefinger streift er sanft über seinen Namen, welcher den Dolch komplett ziert.
"Du hast Recht. Etwas muss sich ändern. Magie ist Sehnsucht, aber schnell wird sie zum Fluch.", bestätigt er seine Tochter erneut, welche ihn nicht mehr hören kann und greift unter den Tisch. Hervor holt er Shivas Kelch, welchen er damals für das Blutmond-Ritual von Raven erhielt.
"Aber Flüche kann man brechen...ich werde mich von diesem Dolch lösen. Und dann wird mich nie wieder jemand kontrollieren, oder gar meine Macht nutzen können.", lächelt er und beißt seine Zähne kräftig zusammen.
"Niemals wieder...", kichert er und schaut den Kelch des Gottes voller Genuss an...

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt