3.10: "Dank der Unterwelt"

40 9 0
                                    

Am nächsten Morgen...

Gabriel sitzt in seinem dunkelbraunen Bademantel, samt einer warmen Tasse Tee und seiner Schwester Lily, in der geräumigen Küche des Bunkers, welche allerdings noch nie, seit dem Einzug der Erben der Nacht, mit modernen Kochgeräten wie einem Elektroherd, oder gar einer Mikrowelle, ausgestattet war.
"Tee? Ich dachte du würdest für deinen Kaffee sterben.", merkt Lily an und beißt in ihr knuspriges Schwarzbrot, welches von langsam verlaufenden Spiegelei bedeckt ist.
"Nunja, Maine ist Teil von New England, Schwester.", scherzt er und sie rollt lächelnd ihre Augen.

Ehe die beiden ihr Frühstück fortsetzen können, hören sie das laute Geräusch eines sanften - fast schon gefiederten - Flügelschlags. Momente später sehen sie die erschöpfte Angelica, wie sie keuchend in dem breiten Türrahmen zur Küche steht.

Gabe grummelt genervt und stellt seinen Tee weg.
"Angelica. Es ist sechs Uhr morgens.", merkt er an und schaut auf die zugeknotete Schlaufe seines Bademantels. Angelica jedoch hört nicht zu und versucht sich zu sammeln,
"Ihr...ihr glaubt nicht wer in der Stadt ist..ich habe ihn gesehen.", keucht der Erzengel aufgelöst und setzt sich zu Lily auf eine der langen Bänke, die den Esstisch schmücken.
"Der andere Xander? Oder Joshua? Hast du sie gesehen?", stellt Lily die ersten Vermutungen auf. Doch Angelicas Blick wird schnell ernst,
"Nein. Mein Bruder ist hier. Luzifer...", offenbart sie den beiden Prawls ihre Begegnung aus der letzten Nacht. Lily bleibt das Brot im Hals stecken und sie beginnt zu husten. Gabe schiebt hektisch seine Tasse beiseite.
"Er ist hier? Hast du mit ihm geredet?", möchte er rational wissen und hört aus dem Korridor vor der Küche schnelle Schritte, welche von Xander und Raven stammen, die sich ebenfalls dazu gesellen.
"Luzifer? Jetzt schon?", fragt die Königin und zieht sich ihr rotes Kleid gemütlich zurecht. Lily runzelt ihre Stirn, als sie Raven erblickt. Xander jedoch geht auf Angelica zu und greift hilfsbereit nach ihrem Arm.
"Setz dich doch erstmal hin.", schlägt er vor und beruhigt die alte Freundin der Gruppe etwas. Als der Erzengel einmal kräftig Luft geholt hat, beginnt sie explizit Xander ernst anzustarren.
"Es ist vorbei. Alles wird enden.", murmelt sie hoffnungslos, doch Gabe schüttelt den Kopf,
"Quatsch. Wir haben bisher jede Bedrohung überstanden, also werden wir es auch dieses mal tun."
Lily kratzt mit ihren schwarzen Fingernägeln nervös auf dem Holz des Tisches herum.
"Es geht hier um den Teufel, wie soll man den schon töten? Alles was er will ist das Ende aller Zeiten.", spielt sie auf das Motiv des Satans in der Bibel an, doch Angelica fährt sich mit ihrer Hand abweisend durch's Gesicht.
"Ich weiß was er will. Das was er schon immer wollte, seit ich und meine Brüder ihn im Garten von Eden in die Hölle verbannt haben.", erklärt sie den Anderen.
Xander schaut Raven besorgt an,
"Der Garten von Eden?", fragt er sie leise.
"Da wo Luzifer die erste Seele des Menschen verdarb. Mit dem Apfel.", erklärt die Königin ihm unauffällig. Xander zieht lächelnd seine Augenbrauen hoch,
"Klingt doch entspannend."

Angelica steht auf und zieht eine modrige - herausgerissene - Buchseite aus ihrer Robe. Sie legt sie sofort auf den Esstisch und zeigt auf die dort abgebildete Skizze eines Rubins.
"Der Teufel will seinen Schmusestein wieder?", fragt Raven sarkastisch. Gabe muss über den Witz lachen.
"Nein, das ist kein gewöhnlicher Stein. Es ist ein Rubin, geschaffen aus dem Blut eines Phönix. Er ist die Quelle der Magie. Die Quelle JEDER Magie. Egal ob Hell, oder Dunkel, alles ist in diesem kleinen Rubin gespeichert. Ohne ihn hätte es die Barriere, welche die Magie Jahrhunderte lang festhielt, nicht geben können. Er gab Valerian die Kraft, er verleiht Belpehgor die Fähigkeiten eines Dunklen und er machte Rosewood zu einem Ort des Übernatürlichen.", erklärt sie die Bedeutung des Steins und verweist auf die Schriften rund um die Skizze.
"Sorry, ich kann kein Hebräisch.", meint Xander und zuckt mit den Schultern.
"Das ist Tamil.", räuspert sich Gabriel und dreht sich schnell wieder zu seiner Tasse Tee.
Lily steht auf und betrachtet die Skizze genau,
"Also ist er der Grund für die ganze Scheiße die uns je' hier passiert ist?", fragt die sonst so unbeholfene Prawl, wenn es um magische Angelegenheiten geht. Angelica schnieft ihre Nase,
"Streng genommen, ja."
"Wo ist das Ding überhaupt?!", fragt Xander verwundert. Angelica schließt ihre Augen, da sie nun den Grund für Luzifers Suche nach dem Rubin erkennt.
"Er dachte ich hätte ihn. Das kann ich nachvollziehen, die Engel hatten lange die Kontrolle über die Phönix Magie. Aber...also ich sag es mal so, ich habe keine Ahnung wo er ist.", gibt der Erzengel beschämt zu. Raven betrachtet die Schrift, welche sie scheinbar lesen kann, nun auch etwas genauer. Neben Angelica fährt sie mit ihren sauberen Fingern über das alte Papier.
"Mit diesem Stein hat er genug Kraft um die Apokalypse zu starten. Das Ende der Welt.", stellt die Königin fest.

---

Im Antiquitätengeschäft sitzt der Dunkle still in dem Hinterzimmer des Ladens, um in aller Seelenruhe etwas in einem alten Buch herumzublättern. Seit der Blutmond Geschichte gibt es nicht mehr viel Besuch im seinem Geschäft, aber dank seines ohnehin hohen Vermögens, kann er immernoch als Teil der städtischen Wirtschaft standhalten.
Mit einem kräftigen Ruck reißt er die Seite über das Blutmond Ritual aus dem Buch, um sie anschließend genervt in den Mülleimer zu werfen. Er starrt verzweifelt auf das dunkelbraune Holz seines Laminatbodens und betrachtet das unzählige Hab und Gut, welches er über die vielen Jahre seines schier ewigen Lebens gesammelt hat.

Er richtet sich seine Fliege und steht still auf. Kurz fährt er sich durch seine langen Haare und und geht auf einen der vielen Vitrinen zu. Gezielt öffnet er die leichte Glastür dieser und holt eine unscheinbare Schatulle heraus. Er bleibt stehen und betrachtet die Inschrift genau.
'MEIN PAPA IST MEIN HELD', steht eingeritzt auf dem Deckel des kleinen Kästchens. Er schließt seine zitternden Augenlider und öffnet das Kästchen langsam. Dort drinnen befindet sich eine selbst gebastelte Puppe, mit braunen langen Haaren.
"Damit du mich nie vergisst.", liest er das kleine Stück Papier vor, welches neben der Puppe, welche von seiner Tochter stammt, liegt.
"Es tut mir leid, aber ich denke ich werde nie wieder meinen Weg zu dir finden.", schluchzt Belph traurig, als er das Geschenk seiner damals kleinen Tochter erblickt.

Als er seine Augen wieder öffnet fängt die Vitrine, aus der er das Kästchen holte, kräftig an zu beben, genau wie alles andere in seinem Laden. Seine Pupillen werden kleiner und sofort verstaut er das Kästchen sicher in einer weichen Decke. Schnell begibt er sich in den Hauptraum seines Ladens und kann keine Quelle des Bebens, welches einfach nicht aufzuhören scheint, erkennen.

Sofort lässt er den Dolch des Dunklen in seiner Hand erscheinen und steht konfrontationsbereit hinter seinem Kassentisch.
"Na komm schon, Luzifer. Wurde auch Zeit.", grummelt er bedrohlich. Sofort dringt durch den kleinen Türspalt des Ladens, von dem man die Hauptstraße sofort betreten kann, eine schwarze Flüssigkeit, welche sich wie Wasser auf dem immer gepflegten Holzboden ausbreitet. Angewidert starrt er auf die dunkle Schmiere und umklammert seinen Dolch kräftig.
"Nicht Luzifer, Dunkler...", summt eine Stimme, wie ein Echo durch den Laden und dringt fein in seine Ohren ein. Belph wird panisch und drückt sich mit den Rücken gegen einen der großen Eichenschränke. Aus der schwarzen Flüssigkeit bildet sich langsam der Körper einer Person. Einer scheinbar weiblichen.
"Noore.", stellt Belph fest und sieht wie die Schmiere langsam verschwindet und sich aus der puren Finsternis seine lange verlorene Tochter erhebt. Ihre blonden Haare, genau wie ihre grünen Augen, erkennt der Dunkle sofort, auch wenn er sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr betrachten konnte. Noore lächelt und streckt ruhig ihre Hand aus,
"Hallo, Papa.", flüstert ihre sanfte Stimme schon fast. Belph wird der Dolch, welcher ihn und seine Macht kontrolliert, magisch aus der Hand gerissen und sofort in die bleiche Hand der Finsternis befördert.
Langsam nähert sie sich dem Kassentisch, hinter dem ihr schwer atmender Vater steht.
"Poetisch, nicht wahr? Jetzt ist die Tochter stärker als der eigene Vater. Das war doch der Grund wieso du mich verstoßen hast, oder?", fragt sie ihn rhetorisch. Belphs zitternde Lippen versuchen Worte zu bilden, doch sofort hebt Noore fein die Hand,
"Pscht. Verschwendete Worte. Jetzt bin ich an der Reihe.", grinst sie. Ihre grünen Augen schimmern im Licht der Sonne und lösen in Belpehgor Gefühle aus die er seit unzähligen Leben nicht mehr fühlte.

Pure Angst.

ROSEWOOD - Erben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt