Die Begrüßung verlief zu meiner und Raffaeles Erleichterung reibungslos. Hauptsächlich redete sein Vater mit den verschiedenen Familienoberhäuptern, die alle um Jahre jünger waren als er. Ich schätzte den ältesten unter ihnen vielleicht auf dreißig. Der Gastgeber, so wie der Don aus Chicago waren Italiener. Der aus Las Vegas ein Spanier. Eine weitere Besonderheit dieser Gruppe, wie Raffa mir zugeflüstert hatte. Nun stand er neben mir in der großen Eingangshalle der Villa und drückte mich fest an seine Seite. Die unverblümten Blicke der anderen Männer entlockten ihm ein Knurren. Ich kam mir vor wie ein Stück saftiges Fleisch auf dem Präsentierteller, so wie die mich alle musterten.
„Am liebsten würde ich abhauen", murmelte ich in Richtung meines Begleiters, der mir als Antwort in die Taille kniff. Ich quiekte wie ein erschrockenes Meerschweinchen auf, was mir prompt noch mehr neugierige Blicke einhandelte. Grummelnd massierte ich die schmerzende Stelle. „Wieso warten wir hier alle noch?", fragte ich so leise wie möglich.
„Eine Familie fehlt noch, soweit ich weiß", flüsterte er zurück. Sein Blick wanderte zur Eingangstür. Gleich darauf hörte ich Motorengeräusch und quietschende Reifen. Alle Anwesenden wandten sich erwartungsvoll zum Eingang, sämtliche Gespräche wurden eingestellt. Kam da jetzt der Obermacker? Ich hatte mal gehört, dass es einen Oberboss bei der italienischen Mafia gab. Bei dem Aufstand, den die Männer nun veranstalteten, schloss ich die Möglichkeit nicht aus. Aller Wahrscheinlichkeit kam da gleich ein älterer Herr im piekfeinen Anzug rein, vor dem sich alle verbeugten. Ich linste zu Raffas Vater, der stirnrunzelnd die Szene betrachtete. Er schien die Aufregung der anderen Mafiosi nicht zu teilen, eher war er verwirrt. Das gefiel mir nicht. Es war kein gutes Zeichen, wenn der Don mit einer Situation nichts anzufangen wusste. Der Gastgeber öffnete die Tür, ein Tumult brach los.
„Diavoletta!" Der Italiener schloss eine langbeinige Brünette in die Arme, die von zwei Männern eskortiert wurde. Einer von beiden, ein Indianer, wenn ich mich nicht täuschte, ließ seinen Blick durch die Eingangshalle schweifen, bis er an uns hängenblieb. Er stieß die Frau an, wies mit dem Kinn in unsere Richtung. Sie nickte kurz, begrüßte weiter die Anwesenden, die sich um sie scharrten, wie Bienen um eine pollenreiche Blume.
„Das ist jetzt aber nicht der Don aus Philadelphia", murmelte Raffaele, der im Gegensatz zu mir vor der Anreise die Gelegenheit hatte, etwas über die unterschiedlichen Familien zu lesen.
„Pequeña tormenta!" Der Spanier breitete die Arme aus, wartete darauf, dass die Brünette ihm ihre Aufmerksamkeit widmete. Statt ihn zu umarmen, verwuschelte sie ihm die Frisur. Ich hielt den Atem an, voller Spannung, was als Nächstes passieren würde.
„Mein Engel der Nacht, wie geht es dir?" Der Don aus Chicago schob sich dazwischen, streichelte der Frau ungeniert über den gewölbten Bauch. Wurde sie deswegen so voller Begeisterung begrüßt? Italiener waren ganz verrückt nach Kindern. Raffaeles Mutter sprach oft während des Kochens darüber, wie sehr sie sich auf Enkel freute. Meist nahm ich solche Situationen zum Anlass, um mein Schleichen zu üben. Mit anderen Worten, ich verschwand auf leisen Sohlen schnellstmöglich und unbemerkt aus der Küche. Mein Blick wanderte zu ihrem zweiten Begleiter, der seine Gesichtszüge nur mit Mühe unter Kontrolle behielt.
„Der Typ ist sicher ihr Ehemann", flüsterte ich Raffa zu. „Der würde die anderen Kerle am liebsten töten." Raffaele schmunzelte nur, nahm sogleich wieder seine Haltung an. Ich schaute zurück auf die Gruppe und schluckte. Die Frau schlenderte auf uns zu, ein breites Grinsen in ihrem hübschen Gesicht. Weitere Neuankömmlinge traten ein. Ein hochgewachsener Italiener mit seiner Begleiterin, deren blonde Locken meine Stiefschwester vor Neid erblassen lassen würden.
„Ciao, ich bin Angelina Calieri. Das sind mein Mann Luca und mein engster Vertrauter Michael Black Cloud", stellte sie sich uns vor, fixierte mich mit ihren giftgrünen Augen. Ich widerstand dem Impuls, mich hinter Raffa zu verstecken nur mit Mühe. „Und mit wem haben wir die Ehre?"
„Raffaele Santoro und das hier ist meine Freundin Caralina Martinelli." Er verstärkte den Griff um meine Taille, wofür ich ihm dieses Mal dankbar war. Die Frau, so freundlich sie sich benahm, jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Dürfte ich eine Frage stellen?" Er wartete höflich, bis sie ihm mit einem leichten Neigen ihres Kopfes ihre Zustimmung gab. „Sind Sie die Frau, die für das Ausschalten der Hermandad Contra La Mafia verantwortlich ist?" In seiner Stimme klang mehr Ehrfurcht mit, als ich je von ihm gehört hatte.
„Genau die." Sie lächelte zuckersüß. „Dann weißt du sicher auch, dass ich die familienübergreifende Einsatzgruppe Ilimitada leite, oder?" Er nickte schluckend, sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. „Sehr schön. Ich würde mich nachher gerne allein mit deiner Freundin unterhalten."
„Das wird nicht möglich sein. Sie wird den gesamten Abend in meiner Nähe bleiben." Raffas Worte ließen die Frau verwundert eine Augenbraue hochziehen. Falls seine Ablehnung ihrer Bitte sie verärgert hatten, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie nickte nur und lief dann zu Raffaeles Vater weiter, der sich mit dem jungen Don aus Philadelphia unterhielt. Dessen Frau hatte sich bereits aus dem Staub gemacht, so wie alle anderen Ehefrauen zuvor ebenfalls. Nur ich hatte in der Eingangshalle zwischen all den Männern ausgeharrt, weil ein gewisser Italiener das für angebracht hielt. Ich seufzte leise.
„Gina wird deine Kleine schon nicht auffressen. Du kannst dein Mädchen ruhig aus den Augen lassen. Hier auf dem Anwesen passiert ihr nichts." Der Indianer drückte aufmunternd Raffas Schulter, bevor er seinen Leuten folgte. Er warf einen letzten Blick zu uns, beantwortete den verbissenen Gesichtsausdruck meines Begleiters mit einem spöttischen Grinsen.
„Halte dich von ihnen fern", knurrte Raffaele sowie sie außer Hörweite waren. Verwirrt sah ich ihn an. Seine Kiefermuskeln spannten sich über dem Knochen, sein Gesicht wirkte wie versteinert. Wieso reagierte er so auf die fremden Mafiosi? Sein Blick fand meinen, er atmete tief aus. „Diese Angelina Calieri ist nicht nur die Cousine des Dons von Philadelphia, sie ist obendrein die gefährlichste Frau in der italienischen Mafia."
„Was will sie dann von mir?", wisperte ich, zerrte mit klammen Fingern mein Kleid zurecht.
„Die Organisation, die sie nannte, Ilimitada." Er hielt kurz inne. „Der Kern besteht aus Frauen. Giorgina hat immer von ihnen geschwärmt. Sie wollte ein Teil von ihnen werden. Deswegen hat sie härter als die meisten unserer Männer trainiert und Risiken auf sich genommen, die einfach zu hoch waren. Ich lasse nicht zu, dass Signora Calieri dich in irgendwelche krummen Dinger mit reinzieht."
„Die Feier kann beginnen. Folgt mir bitte alle in den Garten", tönte die tiefe Stimme des Gastgebers durch die Eingangshalle. Ich hakte mich bei Raffaele ein und fragte mich erneut, auf was ich mich hier eingelassen hatte. Ich könnte so schön in der heimischen Villa sitzen und mit den Jungs quatschen.
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Verdammte Mafiosi
ActionNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...