Ich räkelte mich auf dem Bett und betrachtete Raffa, der gedankenverloren an die Zimmerdecke starrte. Momente wie diese waren selten. Zu groß war unsere Furcht, von jemandem erwischt zu werden. Zwar war die Gefahr heute gering, weil der Don von seiner Frau am Kragen gepackt worden war, damit er sie zum Einkauf begleitete und er wiederum Michaele und Sam zwangsverpflichtet hatte, ihnen zu helfen. Dennoch lauschte ich instinktiv, ob ich Schritte auf dem Flur hörte. Verinnerlichung eines Teils des Mafiatrainings hatte Raffa die erhöhte Aufmerksamkeit genannt. Er hatte mich vieles in den vergangenen Wochen gelehrt. Selbstverteidigung, der Umgang mit sowohl Schusswaffe als Messer, selbst das Werfen von Shuriken zeigte er mir. Seit dem Abend in der Villa der Genoveses gönnte er mir kaum eine Pause. Kein Wunder, dass ich ständig müde war. Ich unterdrückte ein Gähnen und kuschelte mich an meinen Freund, der prompt einen Arm um mich schlang und mich auf seine Brust zog. Sanft fuhr er mit den Fingerspitzen meine Wirbelsäule nach, hinterließ ein angenehmes Kribbeln, wo er die Haut berührte. Die Vergangenheit verblasste, wenn er bei mir war, mich festhielt. Trotz der Gewalt, die ich erfahren hatte, war ich glücklich, dass ich bei dieser Mafiafamilie gelandet war.
„Irgendwann müssen wir es meinen Eltern erzählen." Seine Stimme riss mich aus den Träumereien, denen ich mich gern hingab, wenn wir Zeit miteinander verbrachten. Eine gemeinsame Zukunft, sie rückte in greifbare Nähe. Doch war ich dafür nicht noch etwas zu jung? Raffa schien meine Zweifel zu teilen. Er seufzte kaum hörbar. „Es gefällt mir nicht, unsere Beziehung vor ihnen zu verheimlichen, obwohl ich noch immer davon überzeugt bin, dass es vorläufig das Beste ist."
„Ich mag sie auch nicht anschwindeln." Die Heimlichtuerei nagte an mir. Vor allem gegenüber Annetta und Alerio, meinen Zieheltern, schmerzte es mich, sie zu belügen. Ich lehnte meine Stirn an Raffas Hals. „Wann erzählen wir es ihnen?"
„Bis zum Sommer würde ich unser Versteckspiel gerne noch durchziehen. Dann hast du deinen Schulabschluss in der Tasche, denn Vater wird ihn dir ebenso ermöglichen wie Mick und Sam. Nur danach wird es vermutlich schnell gehen. Hochzeit im Hochsommer, wahrscheinlich auf Sizilien, denn dort wurde die Ehe meiner Eltern und Großeltern geschlossen. Ein Teil unserer weitreichenden Familie wohnt auf der Insel, unserer Heimat." Raffa küsste meine Nasenspitze, seine Augen funkelten vergnügt. „Es wird dir dort gefallen."
„Ich war noch nie im Ausland", gab ich zu. „Wie ist es auf Sizilien?"
„Wunderschön. Sicilia hat eine abwechslungsreiche und alte Geschichte. Griechen, Karthager, Römer, sie prägten die Kultur in der Antike. Zur Zeit des Mittelalters herrschten dort Araber, Byzantiner, selbst die Normannen. Danach entstand das Königreich Sizilien, bis es dem Königreich Italien einverleibt wurde. Doch nicht nur historisch gesehen ist die Heimat meiner Familie interessant. Der aktivste Vulkan Europas ist gleichzeitig der höchste Berg Siziliens, der Ätna. Durch den vulkanischen Ursprung ist der Boden sehr fruchtbar. Trauben und Weizen, Tomaten, Paprika, Auberginen, alles gedeiht dort. Bellissima." Ich spürte eine Hand am Nacken, gleich darauf weiche Lippen auf meinem Mund. Ich erwiderte den Kuss, neckte Raffa mit der Zungenspitze, bis er sich von mir löste. „Aber Sizilien ist nicht so wunderschön wie du." Meine Wangen fingen an zu brennen, ich wandte scheu den Blick ab. Der Italiener lachte leise. „Und genau das liebe ich so an dir." Er zog mich wieder eng an seine Brust. Ich gähnte verhalten, schloss müde die Augen.
„Können wir das Training heute mal nicht ausfallen lassen?", murmelte ich. „Wenn das so weitergeht, schlafe ich bald im Stehen ein."
„Meinetwegen. Ist mir die vergangenen Tage mehrfach aufgefallen, dass du erschöpft bist. Habe es auf deinen Zyklus geschoben." Ich biss mir auf die Lippe. Meine Blutung hatte ich das letzte Mal vor der Feier bei der fremden Mafiafamilie gehabt. Das harte Training, dem ich mich seitdem unterwarf, schien meine Periode gravierend zu stören. Dazu der psychische Stress, den einige Trainingssequenzen auslösten. An Fassaden hochzuklettern, oder noch schlimmer, hinunter, würde nie zu meinen Favoriten gehören. Den Hindernisparcours, so wie man ihn von Militär und Polizei kannte, empfand ich dagegen fast schon als amüsant. Allerdings kostete das Training mich mehr Energie, als mir lieb war. „Ich bereite uns stattdessen etwas zu, damit du bei Kräften bleibst. Vorher sollten wir aber duschen." Er setzte sich mit mir in den Armen auf, rutschte zum Rand des Bettes. Ich schlang die Beine um seinen Körper und kuschelte mich an.
Einige Zeit später saß ich auf der Arbeitsplatte in der Küche und schaute meinem Freund dabei zu, wie er Gemüse und Fleisch in kleine Würfel schnitt. Das Wasser für die Nudeln brodelte in einem großen Topf. Ich hüpfte von meinem Sitzplatz und lief zum Schrank, in dem Raffas Mutter die unterschiedlichen Nudelsorten aufbewahrte. Einige hatte sie selbst zubereitet und trocknen lassen, andere waren gekauft, so wie die Fusilli. Die Farfalle hingegen, die ich grinsend packte, stammten aus eigener Herstellung. Aus meiner, um genau zu sein. Dementsprechend waren sie ungleichmäßig und zum Teil etwas unförmig. Doch war der Geschmack nicht wichtiger als das Aussehen?
„Was sind das denn für verunfallte Nudeln?", spottete Raffa, als ich sie ins kochende Wasser warf.
„Läster du nur." Ich klaute ihm ein Stück Paprika aus den Fingern. „Kümmere du dich lieber um den Rest. Ist nicht meine Schuld, dass deine Mutter denkt, ich wäre in der Lage, italienisch zu kochen."
„Du wirst es lernen", versicherte er mir breit grinsend. „Dafür wird madre schon sorgen. Ich habe meine Kindheit entweder beim Training meines Vaters oder beim Kochen in der Küche verbracht. Ich weiß nicht, wer von beiden strenger war." Er schüttelte amüsiert den Kopf.
„Es sind beides Perfektionisten", gab ich ihm recht. „Letzte Woche hat sie versucht, mir beizubringen, wie man Cannoli herstellt. Dreimal darfst du raten, wie die Arbeitsfläche danach aussah."
„Ich kann es mir vorstellen." Raffaele lachte leise an meinem Ohr, küsste mich sanft auf die Schläfe. „Was meinst du, warum ich mich aufs Kochen spezialisiert habe und meinem Bruder das Backen überlasse?" Sein Atem strich mir über das Gesicht. „Weißt du eigentlich, was ich jetzt gern mit dir machen würde?" Er schob die Schüsseln mit Fleisch und Gemüse zur Seite, hob mich auf die Arbeitsplatte und zwängte sich zwischen meine Beine.
„Ich habe da so eine Idee. Aber ich befürchte, dass uns dafür keine Zeit mehr bleibt." Ich verschränkte die Finger hinter seinem Nacken und zog ihn zu mir heran. Neckend fuhr ich mit der Zunge über seine Lippen, entlockte dem Italiener ein animalisches Knurren.
„Verdammt, was machst du nur mit mir?" Er küsste mich verlangend, presste sich an meinen Unterleib. Seine Erektion entfachte bei mir ebenfalls erneut die Lust. Ich zog sein Shirt hoch, ließ die Hände über seinen Rücken gleiten. Quietschende Reifen vor der Villa jagte uns auseinander. Ich wischte mir über den Mund, starrte auf Raffas leicht geschwollene Lippen. Er zerrte seine Kleidung zurecht, warf einen nervösen Blick zur Küchentür. Von seinem Gesicht las ich den stillen Wunsch ab, der auch in meinen Gedanken herumgeisterte.
Hoffentlich bemerkten seine Eltern nichts.
********************************************************
Hm, das ist mir viel zu friedlich. Ich glaube, ich versalze denen demnächst mal die Suppe. 🤔😈

DU LIEST GERADE
Verdammte Mafiosi
AksiNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...