Kapitel 7

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„Du weißt, was du zu tun hast?" Ich nickte heftig. Die vergangenen fünf Tage hatte Carmen mir beigebracht, wie man Schränke und Schubladen aufbrach. Jetzt war der Moment gekommen, dieses neue Wissen in die Tat umzusetzen.

„Denk dran. Das Restaurant gehört der Mafia. Du suchst im Büro die Unterlagen, von denen ich dir erzählt habe. Ich lenke währenddessen jeden ab, der dich entdecken könnte. Wir schlendern da rein, holen die Dokumente und spazieren genauso lässig wieder raus." Die Schwarzhaarige lächelte mir ermutigend zu. Gern steuerte ich meinen Teil dazu bei, den Menschenhändlerring hochgehen zu lassen. Es war unsere Pflicht, diese Italiener zu stoppen. Carmen hatte zwar Verbündete, doch die Mafiosi kannten deren Gesichter. Somit kam ich ins Spiel. Der Plan war wasserdicht, dennoch zitterten meine Hände beim Anschnallen.

„Keine Angst, du rockst das. Außerdem siehst du hinreißend aus." Verlegen starrte ich durch die Frontscheibe auf die Straße. Die Spanierin hatte uns einen Partnerlook verpasst. Beide trugen wir enganliegende schwarze Shirts und genauso enge dunkle Jeanshosen. Dazu Sneakers, falls wir entgegen aller Erwartung schnell wegzurennen hatten.

„Wir sind da." Geschickt lenkte sie den Wagen in eine Parklücke. Mittlerweile war sie es gewohnt, dass ich wenig sprach und sie die meiste Zeit Selbstgespräche führte. Den Fahrzeugen nach zu urteilen, die um uns herum parkten, war es ein Restaurant der höchsten Kategorie. Sportwagen, SUVs, Limousinen und dergleichen, die selbst oberhalb der Preisklasse meines Stiefvaters standen. Dabei hatte er einen teuren Geschmack.

„Komm, lass uns nach drinnen gehen." Ich seufzte leise, folgte aber der Schwarzhaarigen wie ein Schoßhündchen. Im Restaurant angekommen schluckte ich den Kloß, der sich in meiner Kehle bildete, mit Mühe herunter. Die Einrichtung und die elegant gekleideten Gäste überforderten mich. Die Tische, Stühle und die restlichen Möbel waren aus Teakholz oder einer anderen teuren dunklen Sorte. An den Wänden, die cremefarben gestrichen waren, waren in regelmäßigen Abständen wie Fackeln aussehende LED-Lampen angebracht. Von der hellen Decke hingen mittelalterlich anmutende Leuchter. Ein großer Tresen grenzte den Raum von der Küche ab. Seufzend nahm ich an einem Tisch Platz. Wir passten in dieses Ambiente so gar nicht rein. Wenn irgendwelche Mafiosi hier waren, fielen wir denen sofort auf. Edle Kleider oder Blusen und Röcke mit Stöckelschuhen wären unauffälliger.

„Was darf ich den Damen zu Trinken bringen?" Der Kellner hatte sich lautlos zu uns gesellt und ich sah ihn nur erschrocken an. Der ältere Mann schmunzelte, als er meinen verstörten Gesichtsausdruck bemerkte.

„Zwei Mineralwasser bitte." Carmen würdigte ihn nicht einmal eines Blickes, was ich schade fand. Er konnte doch nichts dafür, dass er für Mafiosi arbeitete. Oder täuschte ich mich? Er machte den Eindruck eines netten Patenonkels. Zugegeben, meine nicht vorhandene Menschenkenntnis hatte die letzten Tage genug Probleme verursacht. Doch ich weigerte mich, davon auszugehen, dass alle Menschen heimtückisch waren. Die Spanierin war schließlich selbst ohne Hintergedanken nett zu mir. Zugegebenermaßen nicht zu Italienern. Ich bemerkte, wie sie dem Barkeeper, der ihr verschmitzt zuzwinkerte, einen garstigen Blick zuwarf. Er zuckte nur mit den Schultern und wandte sich seiner Arbeit zu.

„Ich bestelle das Essen für uns. Ich hoffe, dass stört dich nicht." Die Schwarzhaarige sah fragend zu mir. Nein, es störte mich nicht. Ich war froh, wenn ich in dieser Gesellschaft überhaupt etwas die Kehle runter bekam. Selbige war in diesem Moment wie zugeschnürt. Die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf und ich erschauderte. Nicht weit von uns entfernt, in einer ruhigen Ecke, saßen fünf Italiener. Diese hatten Carmen entdeckt und schienen sich angeregt über sie zu unterhalten. Was, wenn die Männer die Spanierin erkannten? Dann war die ganze Mission in Gefahr. Ich wagte es kaum, zu atmen.

„Entspann dich. Die Machos sind nur an mir wegen meines Aussehens interessiert." Sie betrachtete mich amüsiert, bevor sie fortfuhr. „Oder glaubst du, dass ich dich in Gefahr bringen würde, wenn die Mafiosi mich schon einmal gesehen hatten?"

Erleichtert lächelte ich. Nein, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Schwarzhaarige hatte mir versichert, dass wir beide den heutigen Abend ohne einen Kratzer durchstehen würden. Es gab keinen Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln.

Als unsere Gerichte gebracht wurde, bemühte ich mich darum, möglichst unauffällig zu essen. Es fiel mir schwer, denn die Kehle war wie zugeschnürt und um meinen Bauch zog sich ebenso ein enges Band. Ich war fast schon erleichtert, als die Mahlzeit vorbei und es an der Zeit war, unseren Plan auszuführen. Wir liefen zusammen zu den Toiletten, machten uns kurz frisch und atmeten tief durch.

„Los geht's." Carmen zog mich vom Gästebereich weg in einen langen Gang, an dessen Ende ein Treppenhaus war. Leise schlichen wir in den ersten Stock. Die Spanierin lief immer einige Schritte vor mir, um die Lage zu peilen.

„Die Luft ist rein." Sie winkte mich zu einer schweren Holztür, auf der ein Messingschild mit der Aufschrift Manager prangte.

„Such du nach den Unterlagen, ich halte hier draußen die Stellung." Ich nickte still und schluckte den penetranten Kloß in meinem Hals runter. Dann schlüpfte ich in den Raum. Dunkle Möbel standen auf einem beigefarbenen dicken Teppich. Der war sicher schwer zu reinigen, schoss es mir durch den Kopf. Bewundernd sah ich auf die Bücherregale und lief an ihnen vorbei. Meine Finger fuhren an den Buchrücken entlang. Klassiker der Literatur, mit Ledereinbänden, waren hier aufgereiht. Doch dafür waren wir nicht gekommen.

Schnell setzte ich mich an den schweren Holzschreibtisch und zog den Schraubenschlüssel aus der Handtasche, die Carmen mir gegeben hatte. Damit hebelte ich die erste Schublade auf, so wie die Spanierin es mir gezeigt hatte. Mit einem leisen Klick gab sie nach. Ich überflog die Unterlagen, die dort lagen, aber es war nichts, was wir suchten. Enttäuscht legte ich alles zurück und widmete mich dem zweiten Fach. Ebenfalls Fehlanzeige. Frustriert schnaubte ich. Dann hörte ich von der anderen Seite der Tür einen Knall und einen lauten Aufschrei. Vor Schreck rutschte ich vom Schreibtischstuhl und kauerte mich unter den Schreibtisch. Nervös kaute ich an meiner Unterlippe. War es schlau, hier zu warten? Warum kam Carmen nicht rein und gab mir ein Zeichen abzuhauen, so wie wir es besprochen hatten? Doch da war nur Stille. Dann durchbrach das aufgebrachte Geschrei einiger italienischer Männer mein Nachdenken. Sie unterhielten sich lautstark vor der Tür. Ich kauerte mich noch mehr zusammen und wimmerte leise. Vorsichtig lugte ich unter dem Möbelstück hervor, zu den schweren, dunklen und bodenlangen Samtvorhängen am Fenster. Ich kroch aus dem Versteck und wetzte dorthin. Hinter dem Vorhang war es sicherer als unter einem Schreibtisch, redete ich mir beruhigend zu. Dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals und waren meine Hände nasskalt.

Die Tür flog auf und ich hörte eilige Schritte im Raum. Mein Puls stoppte für einen Augenblick. Hatte ich die Schublade wieder geschlossen? Der Geruch von Aftershave kroch mir in die Nase und ich unterdrückte mit Mühe ein Niesen. Jemand stand vor meinem Versteck und ich wagte kaum, zu atmen.

„Dormi bene." Ein harter Schlag traf meinen Kopf, für einen Moment sah ich Sterne, dann glitt ich in die Dunkelheit.

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Äh Carmen, hast du da nicht jemanden vergessen?

Was haltet Ihr von dieser Aktion?

Und das Wichtigste, was wird jetzt mit Dakota passieren?

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt