Wir liefen auf die riesige Haustür der Villa zu. Je näher wir ihr kamen, desto winziger kam ich mir vor. War die Entscheidung die richtige oder würde ich sie ewig bereuen? Michael legte seine Hand zwischen meine Schulterblätter, gab mir damit zu verstehen, dass er mich nicht alleinließ. Dennoch schritt ich nur zögernd vorwärts.
„Wakiŋyan Čikala Win." Mehr Worte bedurfte es nicht. Die Erinnerung daran, dass ich stärker war, als ich mir eingestand. Kleine Donnerfrau. Nach Gina war ich die Erste, der er einen Lakotanamen gegeben hatte. Ihn zu enttäuschen kam daher nicht in Frage. Ich straffte die Schultern, schritt zur Tür, die einer der Bodyguards für uns öffnete.
„Sie erwarten euch bereits im Besprechungsraum." Alfonso zog mich in eine kurze Umarmung. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Wir reden später. Lass sie nicht länger warten." Ich schluckte, mein Magen zog sich zusammen, drohte, das Frühstück herauszukatapultieren. Instinktiv presste ich mich an Michael, der mich zu der Tür führte, hinter der das Verderben in Gestalt einer italienischen Mafiafamilie lauerte. War ich bereit, ihnen unter die Augen zu treten? Die Totgeglaubte, die wiederauferstanden auf ihr Urteil wartete.
„Du schaffst das schon", raunte mein Begleiter mir zu. „Notfalls nehme ich dich mit nach Philadelphia, wenn sie dich einsperren wollen." Ich verdrehte die Augen. Beim Versuch, mich mitzunehmen, würde er sich eine Kugel einfangen. Oder mehrere. Dennoch genoss ich sein Versprechen. Es bedeutete Sicherheit, ohne dass über meinen Kopf hinweg über mich bestimmt wurde. Ich atmete noch einmal tief durch, dann traten wir ein. Sämtliche Blicke lagen auf mir. Beide Dons saßen ehrfurchtgebietend auf ihren Plätzen. Ihre Söhne waren dagegen hibbelig, blieben nur unter immenser Anstrengung sitzen, die Hände auf der Tischplatte gefaltet. Zumindest Mick, Sam und Dante. Ich schaute zu Alerio, dem eine große Anspannung von den Schultern zu fallen schien. Blieb da noch Raffaele, der mich mit seinem Blick regelrecht durchbohrte. Die Gesichtsmuskeln spannten über seinen Kiefern. Wieso war ich nur zurückgekehrt? Mein Exfreund schien nichts dazugelernt zu haben.
Michael zog die Tür hinter uns ins Schloss, versperrte den einzigen Fluchtweg. Zögernd lief ich einige Schritte in den Raum hinein. Alerio sprang von seinem Platz auf und stürmte zu mir. Bevor ich mit den Wimpern zucken konnte, presste er mich schon an seine Brust.
„La mia figlia, ich hatte solche Angst um dich." Seine Worte jagten mir die Tränen in die Augen. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass ich ihn ohne die Rettung durch Ginas Leute niemals wiedergesehen hätte. Genauso wie die anderen Personen in diesem Besprechungsraum. „Wehe, du rennst abermals weg. Wir dachten schon, wir sehen dich nie wieder."
„Alerio, ich verstehe, dass du Caralina vermisst hast, doch wir haben erst einige Sachen zu klären. Allen voran, weshalb sie nicht direkt nach der Rettung zu uns gebracht wurde." Der letzte Satz, mit eisiger Stimme gesprochen, galt Michael. Ich riss mich von meinem Vater los und stellte mich schützend vor den Indianer.
„Michael trifft keine Schuld. Ich wollte erst wieder zu Kräften kommen, weil ich Angst hatte, dass ihr mich direkt einsperrt und nie wieder aus dem Haus lasst." Ich beobachtete innerlich zitternd, wie Raffaele aufstand und wie ein Raubtier auf uns zu schlich. Wenn er plante, meinem Retter etwas anzutun, würde ich ihm das nie verzeihen. „Wage es ja nicht, Michael anzurühren. Er hat mir das Leben gerettet", zischte ich.
„Und dich vor uns versteckt gehalten, vor mir." Er versuchte nicht einmal, seinen Ärger zu verstecken, packte mich stattdessen am Handgelenk und riss mich zu sich. Seine Finger schlossen sich wie eiserne Ketten um meinen Unterarm.
„Lass das. Du tust mir weh", knurrte ich. Kurzentschlossen umklammerte ich seinen kleinen Finger und bog ihn zum Handrücken.
„Cazzo!" Fluchend ließ Raffa los, starrte mich finster an. Was für ein Arsch. Für den Mistkerl war ich zurückgekehrt? Wieso hatte ich mir das nicht besser überlegt? Die Anwesenden brachen in dröhnendes Gelächter aus. Abgesehen von Raffaele, der mich stirnrunzelnd ansah.
„Du bist meinetwegen zurückgekommen?" Sein Blick wurde sanfter, ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Verdammt. Ich hatte meine Gedanken mal wieder laut ausgesprochen. Er schlang seine Arme um mich, presste mich an seine Brust. „Avevo così paura di non rivederti più." Heiße Tränen tropften auf meine Haut. Ich schmiegte mich an den dickköpfigen Italiener, den ich trotz seiner Fehler liebte.
„Ich hatte auch Angst, dich niemals wiederzusehen", gab ich zu. Er drückte mich noch fester an sich. „Doch ebenso habe ich befürchtet, dass ihr mir den letzten Rest Freiheit nehmt, wenn ich zurückkehre." Ich atmete tief durch. Es war an der Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Michael sich schmunzelnd an den Tisch setzte. Ich wand mich aus Raffaeles Umklammerung, nahm neben dem Indianer Platz. „Du hast recht, il mio padrino, wir haben einiges zu klären." Unverwandt starrte ich meinen zukünftigen Schwiegervater an. Basta debolezze! Die Zeit für Schwächen war vorbei.
„Wie du wünscht, nuora mia." Falls ihn mein Verhalten störte, zeigte er es nicht offen. Dass er mich als seine Schwiegertochter bezeichnete, bewies nur erneut, dass ich zur Familie gehörte. Sein Bruder rieb sich das Kinn, betrachtete mich mit neuem Interesse. Kurz huschte mir ein Gedanke durch den Kopf, bescherte mir ein Lächeln. Womöglich hatte ich den Dickkopf von meinem Vater.
„Um mich kurz zu fassen, ich lasse mich nicht von euch einsperren. Ebenso entscheidet ihr nicht darüber, wie ich mein Leben lebe. Ich bin noch jung. Wieso soll ich schon heiraten? Erlaubt ihr mir dann überhaupt, zu studieren, oder erwartet ihr, dass ich am Herd stehe? Ein Kind großzuziehen, dem sehe ich mich nicht gewachsen. Dafür sitzt der Schmerz über die Fehlgeburt und Raffas darauffolgendes Verhalten zu tief." Ich drehte mich sitzend zu dem Italiener, der am Tisch stehengeblieben war. Seine Miene verriet nichts, sein Blick war stur auf mich gerichtet. „Wenn du, Raffa, nicht endlich mit mir über deine Gefühle redest, bin ich schneller wieder weg, als dir lieb ist. Lass mich ausreden", fuhr ich ihn an, als er den Mund zum Protest öffnete. „Du hast mir weder nach der Fehlgeburt zur Seite gestanden noch dich einsichtig gezeigt, als wir uns in der Villa deines Onkels wiedergesehen haben. Stattdessen hast du versucht, mir deinen Willen aufzuzwingen. Ich wurde mein Leben lang herumkommandiert. Das akzeptiere ich nicht mehr. Du hast zwei Tage Zeit. Hast du dich bis dahin nicht entschuldigt, mir bewiesen, dass du mich liebst, werde ich zu Gina Calieri ziehen." Ich stand auf, lief ohne auf die Anwesenden zu achten, zur Tür. Dort angekommen drehte ich mich noch einmal um. „Versau es nicht wieder, Raffa. Io ti amo, dennoch lasse ich mich nicht länger wie einen Gegenstand behandeln, den du nach Belieben hinter dir her schleifst."
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So, jetzt hat sie ihm endlich mal die Meinung gegeigt. Wie wird Raffa darauf reagieren?
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Verdammte Mafiosi
AçãoNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...