Auf dem Weg in die Küche schwieg er. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, der Blick stur geradeaus gerichtet. Freute er sich nicht, dass sein Vater entspannt geblieben war, statt mir eine Kugel in den Kopf zu jagen? Ärgerte es ihn etwa, dass ich weiterhin hierblieb?
„Lass mich runter, ich kann alleine gehen." Von ihm getragen zu werden, fühlte sich mit einem Male falsch an. Ich war nur eine Last für ihn. Je selbständiger ich wurde, desto besser für ihn.
„Nein, der Stress hat dir zu sehr zugesetzt. Du bist schwach." Seine Stimme ein eiskalter Hauch, zeigte er mir, was er von mir hielt. Ich dachte an all die abwertenden Kommentare der vergangenen Wochen. Ich war dumm, naiv, schwach, ein Niemand. Obwohl es schmerzte, gab ich ihm recht. Selbst für meine eigene Mutter war ich nur eine Belastung. Resignierend schloss ich die Augen.
„Was hat Papà gesagt? Darf Dakota bleiben?" Michaele und Sam redeten durcheinander. Ich seufzte leise.
„Caralina kommt in die Obhut von Annetta und Alerio", knurrte Raffaele. Warum verabscheute er mich so, dass er mir nicht einmal dieses kleine Glück gönnte? Ein dicker Kloß verschloss meine Kehle. Das Leben war nicht fair. Wieso hatte ich auch erwartet, dass dieser dickköpfige Italiener etwas für mich empfand? Ich hatte sein Verhalten völlig falsch eingeschätzt. Es lag ihm nur am Herzen, nicht dazu gezwungen zu werden, eine Mädchenleiche wegzuschaffen. Mehr nicht.
„Caralina? Dakota bleibt für immer?" Die Jungen stießen vor Begeisterung einige Juchzer aus.
„Was ist denn hier los?" Die warme Stimme einer Frau, deren Akzent ihre italienischen Wurzeln verriet, drangen an meine Ohren. Sie klang liebenswert. Voller Neugierde öffnete ich die Augen.
„Santa Madre! Mein großer Junge hat eine Freundin. Soll ich eure Hochzeit schon einmal planen?" Die Italienerin stieß Raffaele mit dem Ellenbogen in die Seite und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Das war die Ehefrau des Dons? Gegensätze zogen einander tatsächlich an. Er der hochgewachsene durchtrainierte Griesgram mit schwarzen Haaren und eisblauen Augen, seine Frau dagegen klein, rundlich, sanften braunen Locken und Rehaugen.
„Caralina ist nicht meine Freundin, Mamma. Ich trage sie nur, weil sie schnell erschöpft ist. Das war ein wenig zu viel Stress für sie heute." Der Italiener trug mich in die Küche und setzte mich auf dem Küchentresen ab. Mein Stiefvater bekäme jetzt einen halben Herzinfarkt, überlegte ich vergnügt. Dass ich ihn und Britt los war, gefiel mir.
„Ach, und warum lächelt sie dann so versonnen?", hakte seine Mutter nach. Wie eine Adlermutter behielt sie uns im Auge. Raffaele versteifte merklich neben mir. So wie er mir die vergangenen Wochen geholfen hatte, sollte ich im Gegenzug ihm aus der Patsche helfen. Wenigstens war ich auf diese Situation dank der flapsigen Bemerkung des Dons vorbereitet.
„Warum sollte ich keine gute Laune haben? Ich befinde mich in einer italienischen Küche, in der es mit Sicherheit viele Leckereien gibt. Cornetti zum Beispiel." Ich leckte mir über die Lippen, als ich Raffaeles missbilligenden Blick bemerkte. Meinen Welpenblick bei seiner Mutter einsetzend, hoffte ich auf zumindest ein Hörnchen.
„Aber natürlich, mein armes Kind. Du siehst halb verhungert aus." Sie drehte sich zu einem Schrank, kramte darin herum. Nacheinander landeten Mehl, Eier, Zucker, Butter, Gewürze und einige andere Zutaten nebst Material auf der Arbeitsfläche. „Hast du schonmal Cannoli gegessen? Ich wette, meine Söhne haben diese sizilianischen Cremerollen dir vorenthalten." Vorwurfsvoll sah sie Raffaele an. „Gib deiner Freundin endlich zwei Cornetti."
„Sie ist nicht meine Freundin", knurrte er, riss den Teller mit Hörnchen aus einem anderen Schrank, drückte ihn mir in die Hände und verschwand ohne ein weiteres Wort aus der Küche. Seine Mutter schüttelte bedauernd den Kopf.
„Es wird Zeit, dass er seine eigene Familie gründet. Er wird schließlich auch nicht jünger." Ich verkniff mir ein Kichern, das die Rückseite meiner Kehle kitzelte.
„Es gibt heute Cannoli? Dakota, ich meine Lina, darf noch gar nicht so schweren Süßkram essen. Papà hatte sie fast im Keller verhungern lassen. Mal abgesehen von dem ganzen Antibiotikum, das Raffa ihr spritzen musste. Padre hatte sie mit einem Gürtel ausgepeitscht", flappte Michaele heraus. Ich zog den Kopf ein. Auf das Donnerwetter hatte ich keine Lust. Die Frau fuhr herum und funkelte ihren jüngeren Sohn wutschnaubend an. Sie nahm eine Metallkelle aus einer Schublade und stiefelte hocherhobenen Hauptes zur Tür.
„Ich werde deinem Vater jetzt einmal Manieren beibringen. Dass er Sam damals für einen Spion hielt, in Ordnung. Das kann ja mal passieren. Aber dass er so ein entzückendes Mädchen misshandelt und fast verhungern lässt, das geht zu weit." Voller Neugierde sah ich zu Sam. Er war also ebenfalls durch ein Missverständnis hier im Haus gelandet. Dabei hatte ich angenommen, dass er mit Mafiatätigkeiten aufgewachsen war. Die Jungs schauten der Italienerin grinsend hinterher.
„Meinst du nicht, dass er es dir übelnimmt, dass du es deiner Mutter verraten hast?" Eine Antwort blieb aus. Ich sah zu, wie er zum Herd lief und die Butter in eine Pfanne gleiten ließ. Sam schüttete einige der anderen Zutaten in eine Küchenmaschine. „Könnt ihr backen und kochen?" Ich hatte zuhause nur die Basics gelernt. Simpele Kuchen und ebenso anspruchslose Gerichte. Oftmals für mich alleine, denn meine Eltern gingen oft Essen und Britt bestellte sich meist Fastfood.
„Erstens, Vater hat es verdient. Zweitens, wir können backen, Raffa liebt es zu kochen, wie du bereits bemerkt haben dürftest." Mick schüttete die zerlassene Butter zu den anderen Zutaten und schaltete die Maschine an, die alles zu einem glatten Teig verarbeitete.
„Meinst du nicht, da müsste ein größerer Schuss Marsala rein?" Der Blonde runzelte die Stirn.
„Gute Idee", gab sein Freund ihm recht. „Dakota ist sicherlich keinen Alkohol gewöhnt. Vielleicht landet sie dann mit meinem Bruder wieder im Bett. Gibt es demnächst endlich mal eine große Feier", feixte er. „Eure Hochzeitsfeier."
„Wieso wollt ihr uns so unbedingt verheiraten?" Ich schüttelte den Kopf. „Raffaele kann mich nicht einmal leiden." Ich ignorierte geflissentlich den Blick, den die beiden Jungs einander zuwarfen.
„Es wäre besser für ihn. Seit Giorginas Tod hat er sich abgekapselt. Die zwei waren von Kindesbeinen an unzertrennlich und sollten heiraten." Ich legte den Kopf schief und betrachtete Michaele nachdenklich. Kein Wunder, dass sein Bruder sich nicht für mich interessierte. Er trauerte mit Sicherheit seiner verstorbenen Freundin hinterher und ich hohle Nuss sabberte bei seinem Anblick schon los. Ich nahm mir vor, ihn zukünftig in Ruhe zu lassen. Nun verstand ich auch seine abwehrende Haltung seinen Eltern gegenüber. Niemals würde ich es zulassen, dass sie uns miteinander verkuppelten!
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Naaaa, wofür da wohl die Suppenkelle benötigt wird?

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Verdammte Mafiosi
AksiNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...