Kapitel 28

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Träge öffnete ich die Augen. Raffas Wärme und unwiderstehlicher Geruch hüllten mich ein, flüsterten mir zu, ein wenig länger im Bett zu bleiben. Nicht, dass ich in der Lage war, aufzustehen. Der Italiener hielt beide Arme fest um meinen Körper geschlungen, drückte mich eng an seine Brust. Ein leichtes Ziehen in meinem Unterleib erinnerte an unsere Eskapaden der vergangenen Nacht. Ich sog die Luft scharf ein. Was, wenn er es mit mir nicht ernst meinte? Zu oft hatte er betont, dass ich nicht in sein Beuteschema fiel. Hatte er nur die Kontrolle verloren, weil wir beide angetrunken waren? Ich riss die Lider hoch. Wieso war ich so dumm und hatte mich ihm hingegeben? Ihm, dem Sohn eines Mafiabosses, dem vorherbestimmt war, einmal in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Ich wandte mich in Raffaeles festen Griff.

„Bleib noch ein wenig liegen, amore mio." Sanft fuhr er mit seinen Lippen meinen Kiefer nach, stupste mit der Zungenspitze meinen Mundwinkel an. „Wenn padre dies erfährt, sind wir geliefert. Lass uns etwas Zeit miteinander verbringen, bevor uns der Alltag wieder einholt." Ich spürte, wie sein Brustkorb sich unter mir hob, als Raffa zufrieden tief einatmete. Kein Wunder, dachte ich bitter, ich hatte mich ihm freiwillig hingegeben. Nur ein paar Stunden und er würde mich abermals kaum beachten.

„Ja, besser, wir vergessen, was vorgefallen ist." Ich versuchte krampfhaft, das Brennen in meinen Augen zu ignorieren, genau wie die stechenden Schmerzen in meiner Brust. Raffaele ließ mich abrupt los, und zog mich mit in eine sitzende Position. Beide Hände an meinen Wangen zwang er mich, ihn anzusehen. Eisblau, das tief in meine Seele zu blicken versuchte. Ich schloss die Augenlider.

„Cara, schau mich an." Seine Stimme klang sorgenvoll, dennoch weigerte ich mich krampfhaft, ihm ins Gesicht zu sehen. Nicht nach dieser gemeinsamen Nacht. Nicht zurück auf Anfang. „Dann halt nicht", murmelte er. Erneut ließ er seine Lippen über meine Haut wandern. Sie kribbelte leicht, wo er sie berührte. Ungewollt schnappte ich nach Luft, als sein Mund sich meinem näherte. Gleich darauf zog er sich zurück. „Dir ist klar, was mein Vater von mir erwarten würde, würde er uns so erwischen, sì? Unsere Hochzeit würde in wenigen Wochen stattfinden. Verhüten dürften wir dann nicht mehr. Keine Zeit mehr für dich, um zu lernen, deinen Weg im Leben zu finden, auch wenn dieser eh auf unser Anwesen beschränkt ist. Noch hast du Freiheiten, die du als meine Ehefrau verlierst." Raffaele presste seine Lippen auf meine. Fordernd weckten sie die Gefühle, die ich unter Verschluss zu halten versuchte. Stattdessen fokussierte ich mich auf seine Worte und wich nach hinten aus.

„Willst du mich nicht zur Frau?" Kleine Dolchstoße, die mehr schmerzten als die Gürtelschläge im Kellerverlies.

„Sei pazza?" Ob ich verrückt war? Sein Mund leicht geöffnet, die Lippen zitterten. „Ich will nichts mehr als dich. Cazzo!" Er fuhr sich durch die von der Nacht zerzausten Haare. „Wir müssen einen Weg finden, unsere Gefühle vor meiner Familie zu verstecken. Ich will nicht, dass sie dich zu einer Heirat mit mir zwingen. Zwangsehen sind in unserer Welt normal." Raffa schüttelte den Kopf, schaute mich entschlossen an. „Niemand wird dich zwingen. Vor allem nicht mein Vater." Mein Herz stolperte aus dem Takt. Er liebte mich. Ich schlang die Arme um ihn und kuschelte mich an. All die Ängste waren umsonst gewesen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Hatte Gina die Situation doch richtig eingeschätzt. Von ihr konnte ich mit Sicherheit viel lernen, falls der dickköpfige Italiener es mir erlaubte. Ich linste zur Uhr.

„Wann fahren wir eigentlich zurück?" Ich fuhr mit dem Zeigefinger Raffas Bauchmuskeln nach. Er seufzte verhalten.

„Bald. Es wäre besser, wenn wir aufstehen und zum Frühstück runtergehen." Er löste meinen Klammergriff und stand auf. Leise murmelnd sammelte er die gebrauchten Kondome und ihre Verpackungen ein. Ich kicherte in mich hinein. Dass mein Unterleib murrte, war kein Wunder. Doch ich bereute nichts. Vergangene Nacht hatten wir endlich zueinandergefunden. Nicht erwartet, doch passiert.

Ein hartnäckiges Klopfen an der Zimmertür ließ mich aufschrecken. Ich langte zum Nachttisch, versteckte die Schachtel mit den restlichen Kondomen unter der Bettdecke. Ein leises Klacken verriet, dass jemand von außen die Tür mit einer Karte öffnete. Raffaele eilte ins Badezimmer. Gleich darauf trat sein Vater ins Zimmer.

„Buongiorno Caralina. Wie ich sehe, seid ihr wach." Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, runzelte die Stirn. „Wir treffen uns in einer halben Stunde zum Frühstück. Macht euch fertig und vergesst nicht, anständig zu lüften." Ich hielt den Atem an. Roch er etwa, dass wir miteinander geschlafen hatten? Schnell verwarf ich den Gedanken. Es lag mit Sicherheit am Alkoholgeruch von unserem ungeplanten Saufgelage.

„Sehr wohl, Vater." Raffa kehrte mit einem Handtuch um seine Hüfte gewickelt zurück, stellte sich zwischen mich und den Don. „Wie liefen die Gespräche mit den anderen Dons?" Musste er das ausgerechnet jetzt fragen? Ich zog die Decke über meinen Kopf.

„Das erzähle ich, wenn wir wieder zu Hause sind. Diese Gina Calieri war jedenfalls von Caralina sehr angetan und erwähnte, dass sie sie gern in ihre Gruppe aufnehmen würde. Ich habe es vorerst abgeblockt. Das Training bei uns hat Vorrang." Ich registrierte, wie er zur Tür lief, doch hörte sie nicht ins Schloss fallen. Vorsichtig lugte ich unter der Bettdecke hervor. Raffaele versperrte mir die Sicht. „Beeilt euch, damit wir noch in Ruhe frühstücken können." Er verschwand ohne ein weiteres Wort. Ich atmete ruhig durch. Das war gerade noch einmal gutgegangen.

„Da kann die Calieri nerven, wie sie will, du wirst ihrer Gruppe nicht beitreten", knurrte Raffa. „Sie wird dich nicht in Gefahr bringen." Mir wurde warm ums Herz. Ich stand auf, schlang die Arme um den leise murrenden Italiener. „Hoffentlich hat mein Vater wenigstens nicht bemerkt, was wir getan haben." Er verlagerte sein Gewicht, pulte etwas von seiner Fußsohle. Eines der Kondome. Es musste ihm auf dem Weg ins Bad heruntergefallen sein. Deswegen hatte er sich so flink dazwischen gestellt. Um es vor den Augen des Dons zu verstecken. „Komm, lass uns mal duschen gehen." Er löste meinen Klammeräffchengriff, drehte sich zu mir und hob mich hoch.

Eine halbe Stunde später saßen wir mit Raffas Eltern am Frühstückstisch. Trotz der Leckereien, die am Büfett auf uns warteten, bekam ich keinen Bissen runter. Mein Blick wanderte immer wieder zum Don, der andächtig den Erzählungen seiner Frau lauschte. Wie es schien, hatte Gina sich bei ihr dafür entschuldigt, mich mit Alkohol abgefüllt zu haben und dazu Raffaeles Auftreten gelobt, der mich umgehend zum Hotel zurückbrachte.

„Du solltest trotz dem Kater jetzt aber wirklich etwas essen." Die Italienerin tätschelte mir die Hand. Kater? Den hatte ich nicht. Eher Muskelkater von unserem nächtlichen Treiben.

„Du hast korrekt gehandelt, il mio figlio." Der Don betrachtete mich schmunzelnd. „Es war richtig, Caralina in Sicherheit zu bringen. Ich vermute, dass diese Calieri sie absichtlich abgefüllt hat. Dass sie sich Informationen erhofft hat, bezweifle ich. Es ging ihr aller Wahrscheinlichkeit darum, deine Reaktion zu testen. Wie ich bereits sagte, die eigene Familie ist diesen Mafiafamilien sehr wichtig. Deshalb war es ein Test, wie beschützend du dich aufstellst. Tut mir leid Caralina, dass du dafür jetzt leiden musst." Ich nickte stumm. Wenn der nur wüsste.

„Ich hole dir mal einen Orangensaft, Cara. Der könnte dir helfen." Raffa stand auf und lief zu den frischgepressten Säften.

„Mi amore, lass ihn nachher für Caralina kochen. Er hatte sie aus den Augen verloren, also soll er sich darum kümmern, dass sie etwas isst." Na super, eine Mahlzeit von Raffaele. Wenn der mir wieder Suppe verpasste, trat ich ihm persönlich in den Hintern. Ich biss mir auf die Zunge, um nicht doch noch etwas zu verraten. Schlafende Hunde sollte man nicht aufwecken.

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Ob der Don den Braten riecht?

Schaffen sie es, ihre Gefühle füreinander vor dem Rest zu verstecken?

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt