Nervös trommelte ich mit den Fingern auf der Tischplatte. Sie hatten mich eingekreist. Wie Wölfe ein von der Herde getrenntes Reh. So fühlte ich mich auch. Adriano und Marco saßen zu beiden Seiten, Dante mir gegenüber. Letzterer packte meine Hände, hielt sie in seinen fest. Wärme, Ruhe im ersten Augenblick. Dann schlich sich ein kleines Zittern hinein, das nicht von mir zu stammen schien. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stellte die Frage, die mir auf der Zunge lag, seitdem Alfonso mich mitgenommen hatte. „Wie ist mein Vater gestorben?" Mama hatte erzählt, dass es ein Unfall war, doch das glaubte ich nach den neuesten Erkenntnissen kein Stück.
„Das wollte ich eigentlich meinem Vater überlassen." Dante benässte seine Lippen. „Aber gut. Mein Vater leitete damals eine wichtige Mission, statt sie wie sonst in unseren Kreisen üblich, nur seine Männer zu schicken. Ab einem gewissen Alter braucht ein Don nicht mehr teilzunehmen, sondern kann sich entspannt zurücklehnen."
„Du meinst wohl eher, wenn der jugendliche Wahnsinn den Platz geräumt hat und dem Don klargeworden ist, dass seine körperliche Unversehrtheit für die Familie von höherer Priorität ist als sein Drang, sich seinen Untergebenen zu beweisen." Meine Gedanken wanderten zu unserer Mission, bei der ich mein Baby und sowohl Sam als auch Mick fast ihr Leben verloren hatten. Größenwahnsinn, nichts anderes war es, was Jungen und Männer in der Mafia antrieb. Marco gluckste neben mir.
„Das hat Dakota gut erkannt, oder?" Adriano schmunzelte, den Blick auf Dante gerichtet, der mich stirnrunzelnd betrachtete und schließlich seufzte.
„Gatt... ich meine Dakota, wenn du Informationen möchtest, solltest du dich auch dementsprechend benehmen." Hatte er mich doch fast wieder als Kätzchen bezeichnet. Ich zog eine Augenbraue hoch und wartete ab. Wenn er erwartete, dass ich ihn anbettelte, dann hatte er die Rechnung ohne meinen Dickkopf gemacht. Im Notfall setzte ich den Welpenblick bei Alfonso oder Maria ein. Die spannten mich mit Sicherheit nicht so auf die Folter.
„Cazzo. Da hast du dir das richtige Mädchen ausgesucht. Dakota wird sich dir nicht vor die Füße werfen." Adriano nickte mir aufmunternd von der Seite zu. Marco hingegen krallte sich vor Lachen an seinem Platz fest. Dante schloss für einen Moment die Augen. Verfluchte er sich innerlich für seine Idee, mir auf die Pelle zu rücken? Zu gönnen war es ihm.
„Was mache ich nur mit dir?", murmelte er. „Gut, mein Vater leitete persönlich die Mission. Wie sein Bruder jagt er Pädophilenringe, weil ihre kleine Schwester als Teenager in die Hände von einem geriet und später tot in einem Straßengraben aufgefunden wurde. Vorweggenommen, bisher haben sie die Täter und deren Organisation nicht erwischt." Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Wenn das kein Beweis war, dass die Santori in Kalifornien mit Dante verwandt waren, was dann? Ich fror, gleichzeitig brannte das Blut in meinen Adern wie Lava, die sich durch enge Kanäle einen Weg bahnte.
„Hey, bei uns bist du sicher. Wir beschützen dich." Marcos Lachen war verstummt. Sanft legte er einen Arm um meine Schultern, zog mich an seine Seite. Dantes grimmiger Blick entging mir nicht. Ich sparte mir einen spöttischen Kommentar, war mir in diesem Augenblick nicht einmal sicher, ob ich mehr hören wollte.
„Die Mission führte meinen Vater und seine Leute in einen unterirdischen Komplex, den man am besten als Bordell für reiche Männer beschreiben kann, wo sie ihre kranken Gelüste an Minderjährigen auslebten. Als Vater dort ankam, fand er die Räume und Gänge verlassen vor. Möbelstücke, Kleidung, alles lag kreuz und quer auf dem Boden, wie bei einem überstürzten Aufbruch. Er wies seinen Trupp an, sich aufzuteilen und den Fluchttunneln zu folgen, die in unterschiedliche Richtungen verliefen. Selbst folgte er einen von ihnen. Dein Vater und Alfonso begleiteten ihn. Bei einer Biegung warf Daniel sich in den Weg, stieß meinen Vater zurück in den Gang. In dem Augenblick explodierte eine Nagelbombe." Dante verstummte, suchte in meinem Gesicht nach Anzeichen, ober er mit der Erzählung fortfuhr oder besser stoppte. Ich atmete tief durch. Egal wie verstörend die Wahrheit war, ich stellte mich ihr.
„Erzähl weiter. Ich werde schon nicht zusammenbrechen." Hoffte ich, denn obwohl ich kaum Erinnerungen an ihn besaß, schnürte mir der Gedanke an seinen Tod quälend langsam die Kehle zu. Mein Puls pochte unnatürlich schnell, Schweiß brach mir aus. Gleich erfuhr ich, wie er gestorben war.
„Ist es nicht besser, wenn ich es meinem Vater überlasse? Oder es dir erst an einem ruhigeren Ort erzähle? Bei uns in der Villa zum Beispiel?" Ich setzte mich abrupt auf. Versuchte er gerade, mich zu sich nach Hause abzuschleppen oder war er einfach nur besorgt? Ich kniff die Augen zusammen.
„Entweder sagst du es mir jetzt oder ich gehe." Sofort hakten sich Marco und Adriano bei mir ein, um mich auf meinem Sitzplatz zu halten. Keine große Überraschung. Wieso saßen sie sonst neben mir, wenn nicht, um mich unter Kontrolle zu behalten?
„Zieh die Krallen ein, gatt..., äh, Dakota." Dante fuhr sich einmal durch die Haare. „Alfonso und mein Vater befanden sich also noch im Bereich vor der Abbiegung. Dein Vater dagegen... Er hatte keine Chance. Die Metallsplitter durchbohrten seinen Körper. Sie haben noch versucht, ihn aus dem Tunnel rauszubringen..." Der Italiener wandte den Blick ab, starrte auf die Tischplatte. „Er hat meinem Vater das Leben gerettet." Dafür hatte meiner seines verloren. Ich schluckte. Zu weinen brachte mir nichts. Ich erinnerte mich nicht an den Mann, den meine Mutter einst geliebt hatte und nun verabscheute.
Du hast gut von dem Geld eines Kriminellen gelebt.
Es hatte einen Moment gedauert, bis der Typ im Wohnzimmer meines Elternhauses sich an meine Mutter und mich erinnert hatte. Nicht gerade professionell für ein hochrangiges Mitglied einer Mafiafamilie. Ich runzelte die Stirn. Die ganze Sache kam mir surreal vor.
„Dante, wieso wart ihr eigentlich alle so überrascht, wessen Tochter ich bin? Alfonso meinte, ihr hättet uns nicht im Auge behalten. Warum?" Ich stierte den Italiener an. Er wand sich auf seinem Platz, sichtlich überfordert mit meiner Frage. In Gedanken verglich ich ihn mit Raffaele. Selbst mit zehn weiteren Jahren Training wäre er nicht in der Lage, meinem ehemaligen Verlobten das Wasser zu reichen.
„Ich... Cazzo!" Eine Melodie, die mich an einen alten Film über Mafiosi erinnerte, unterbrach ihn. Er zerrte sein Smartphone hervor. „Che cos'è?" Trotz seiner natürlichen Bräune erblasste er. Die Jungen neben mir versteiften. Ich bemühte mich, etwas zu hören, doch gab es bald auf. Dante hörte nur zu, die Augen vor Schreck geweitet. Nachdem er das Telefon wieder verstaut hatte, sah er mich mit einem undefinierbaren Blick an. Sein Gesicht glich einer Maske. „Tut mir leid, Dakota, aber ich muss dich direkt zurück zum Wohngebäude bringen. Es gab einen Ansturm auf das Anwesen meines Onkels." Eisige Kälte griff nach mir. Ich flehte innerliche jede mir bekannte Gottheit an, dass es den Santori in Kalifornien gutging. Waren sie es, die angegriffen wurden, oder ein anderer Teil von Dantes Familie? Die Frage kam mir nicht über die Lippen. Stumm ließ ich zu, dass sie mich zum Wohnhaus brachten. Meine Gedanken kreisten nur um ein Thema. War Raffa am Leben?
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Immer diese Unterbrechungen...
Ob wir auf Dakotas Frage eine Antwort erhalten werden?

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Verdammte Mafiosi
AksiNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...