Kapitel 21

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„Sag mal, mio fratello, was macht Lina in deinem Bett? Sollte sie nicht im Zimmer gegenüber schlafen?" Michaeles spöttische Stimme drang langsam zu mir durch. Verschlafen öffnete ich die Augen. Mal wieder lag ich halb auf Raffaele, der einen Arm fest um mich geschlungen hielt.

„Silenzio", zischte er seinen Bruder an. „Lass Caralina schlafen. Sie ist mir gestern auf der Rückfahrt im Auto eingeschlafen und ich wollte sie nicht aufwecken." Träge hob ich den Kopf und schaute zu dem Ruhestörer, der mich aufgeweckt hatte.

„Zu spät", grinste dieser breit. „Kommst du mit frühstücken, Lina, oder willst du warten, bis meine Mutter dich in deinem Schlafzimmer sucht, dich stattdessen in Raffaeles Armen findet? Ich höre da bereits so ein Geräusch, von irgendwelchen Glocken und einem Marsch, der gespielt wird." Mit geschäftigem Gesicht ahmte er einen Hochzeitsmarsch nach. Ein Kissen trudelte ihm an den Kopf. „Macht so weiter und ich hole Mamma her."

„Hau endlich ab", brummte ich. Mit einer Hand tastete ich unter der Decke meinen Körper ab. Nur Shirt und Slip waren mir geblieben. Der Rest, selbst mein BH, waren verschwunden. Die Tür fiel ins Schloss. Ich richtete mich auf und sah Raffaele vorwurfsvoll an. „Hast du mich etwa umgezogen?"

„Ja, das habe ich." Er stütze die Ellenbogen auf und betrachtete mich grinsend. „Du hast nichts über Nacht dazubekommen, was ich nicht schon gesehen hätte. Außerdem kann ich es nicht leiden, wenn jemand mit seinen Klamotten, die er den ganzen Tag getragen hat, in meinem Bett liegt." Sein Blick wanderte über meinen Körper und blieb etwa auf der Höhe meiner Brust hängen. Raffas Schmunzeln wurde breiter. Ich sah an mir runter. Der schwarze Stoff fiel locker, betonte nichts und reichte mir bis zur Mitte des Oberschenkels. Fazit, ich trug ein Shirt von ihm, nicht mein eigenes. Wieso überraschte es mich nicht? Kopfschüttelnd stieg ich aus dem Bett, raffte die davor liegenden Sachen zusammen und stapfte zur Tür, wo ich einen Moment innehielt und tief durchatmete. Mein Puls raste, meine rechte Hand wollte sich zu einer Faust ballen. Doch wozu? Ausflippen brachte bei dem dickköpfigen Italiener nichts. Er tat, was er für richtig hielt, ohne Rücksicht auf Verluste. Die korrekte Mentalität für einen zukünftigen Mafiaboss.

„So wenig es mir gefällt, mein Bruder hat leider recht. Meine Mutter sollte uns wirklich nicht im selben Bett erwischen, wenn wir einer Zwangsheirat entgehen wollen." Zwei Arme schlangen sich um mich, verhinderten, dass ich das Zimmer verließ. Raffaele stützte seinen Kopf auf mir ab. „Doch wie soll ich meinem Versprechen, dich immer zu beschützen, nachkommen, wenn du nicht an meiner Seite bist?"

„Du wolltest mich trainieren", erinnerte ich ihn an unser Gespräch vom Vorabend. „Dann kann ich mich im Notfall ohne Hilfe wehren."

„Da sollte ich dir wohl lieber gleich den Gebrauch von Schusswaffen beibringen", lachte der Italiener leise in meine Haare. „Das wirst du schneller einsetzen können als im Nahkampf zu bestehen." Seine Worte vertrieben die Wärme, die von seiner Nähe ausging.

„Warum? Ich habe dir doch gesagt, dass ich Angst vor Waffen habe." Zitternd drehte ich mich zu ihm um, schaute voller Hoffnung in seine eisblauen Augen, wartend auf ein Zeichen, dass er nur scherzte. Sein sorgenvoller Blick und sein Kopfschütteln belehrten mich eines Besseren.

„Du wirst es lernen müssen, zu deiner eigenen Sicherheit." Er drängte mich gegen die Tür, stützte seine Arme links und rechts von mir am Holz ab, lehnte seine Stirn an meiner. Sein Atem strich über mein Gesicht, als er tief ausatmete. „Es gefällt mir genauso wenig wie dir, doch den Luxus eines gewaltfreien Lebens kann ich dir in einem Mafiahaushalt nicht bieten. Bringe ich es dir nicht bei, wird mein Vater es übernehmen. Du wirst es schnell kapieren, da bin ich mir sicher. Außerdem hat eine Pistole den Vorteil, dass dir dein Gegner nicht zu nahe kommt." Im Gegensatz zu ihm, dessen Oberkörper meinen Busen leicht berührte. Ich holte nur oberflächlich Luft. Etwas an dem Italiener war anders als am Tag zuvor. Einzig Wärme ging von ihm aus. Sämtliche Kälte, mit der er mich oft bedacht hatte, mit der er auf den bevorstehenden Abschied hingewiesen hatte, war verschwunden. Freute er sich doch, dass ich blieb? Sollte ich ihn danach fragen?

„Raffaele!" Das Klopfen an der Tür hallte dumpf an meinem Rücken. „Raffaele, figlio mio prezioso, dov'è Caralina? Non è nella sua stanza." Ich verharrte mucksmäuschenstill. Meine Sprachkenntnisse waren gut genug, um den Sinn hinter der Frage seiner Mutter zu verstehen. Sie suchte mich. Hilfesuchend sah ich den Italiener vor mir an.

„Hast du sie schon bei Michaele und Sam gesucht?" Quälend langsam fuhr er mit der Spitze seines Zeigefingers die Konturen meiner Lippen nach. „Sie sitzt gern bei den beiden. Abgesehen davon liest sie viel." Der Mistkerl zwinkerte mir verschmitzt zu. Mein Herz verdoppelte seinen Takt. Die schwitzigen Hände wischte ich am Shirt ab. Seine Nähe brachte mich regelrecht um den Verstand.

„Grazie, dann werde ich da nachschauen. Das Mädchen verhungert mir noch. Wenn du sie zuerst siehst, richte ihr bitte aus, dass das Frühstück fertig ist." Schritte entfernten sich eilig auf dem Gang. Ich atmete erleichtert aus. Jetzt bloß raus hier, weg von Raffaele, dessen betörender Geruch mich fesselte, an Ort und Stelle hielt. Bekam ich die verflixte Schwärmerei für ihn nicht in den Griff, klingelten bald die Hochzeitsglocken. Meine Gedanken schweiften ab. Wie das wohl wäre, mit ihm verheiratet zu sein?

„Cara, hörst du mir überhaupt zu?" Verwirrt blinzelte ich? Raffa hatte sich ein Stück von mir entfernt, betrachtete mich stirnrunzelnd mit verschränkten Armen. Die Haltung betonte seine durchtrainierte Brustmuskulatur, die ich liebend gern als Kopfkissen verwendete. „Du hast da was." Er tippte sich an den linken Mundwinkel. Ich schnaubte empört, zeigte ihm einen Vogel. Meine Begeisterung verflog. Für wen hielt der sich?

„Deinetwegen fange ich bestimmt nicht an zu sabbern", knurrte ich im Einklang mit meinem Magen, der ein italienisches Frühstück einforderte. „Ich habe nur gerade von einem Cornetto geträumt, das deine Mutter mir sicher gibt, weil sie mich wenigstens mag." Im Notfall mimte ich den sterbenden Schwan, um an die süße Leckerei zu gelangen.

„Vergiss es, für dich gibt es ein Müsli und Obstsalat. Nährstoffe sind wichtig, damit du das Training überstehst." Mit einem Schritt war er wieder bei mir, drängte mich erneut gegen die Tür.

„Das werden wir ja gleich sehen." Ich wich seinem Blick aus, biss mir auf die Lippe. Seinen göttlichen Körper so nah zu wissen, verwandelte meine Beine in Wackelpudding. „Ich sollte mal in mein Zimmer gehen."

„Das solltest du wohl", hauchte er mir ins Ohr, dann lachte er auf, „Soso, du sabberst nicht meinetwegen. Mal schauen, ob du das noch behauptest, wenn du nachher unter mir liegst." Er trat zurück, betrachtete mich grinsend. Mein Herz schlug mir bis zur Kehle, die Ohren brannten, als ob sie in Flammen aufgingen. Hals über Kopf flüchtete ich in den Raum auf der gegenüberliegenden Seite, knallte die Tür hinter mir zu und rutschte an ihr hinunter zum Boden. Das hatte er eben nicht ernst gemeint, oder?

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Soso, Stimmungswandel bei Raffaele. Was haltet Ihr davon?

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt