Mehrere Stunden verbrachte ich bereits in fast völliger Dunkelheit. Der zweite Italiener hatte zwar das Licht angelassen, doch nach einiger Zeit war ein Wachmann oder was auch immer er war, in den Raum gekommen. Er hatte mich kopfschüttelnd betrachtet. Panisch hatte ich gewimmert, als er zu mir kam. Ich hatte Angst vor weiteren Schmerzen oder etwas weitaus Schlimmeren. Immerhin hatten sowohl Harold als auch Carmen davon berichtet, dass die italienische Mafia junge Frauen in die Prostitution zwang. Doch statt sich an mir zu vergehen, hatte er die BH-Träger vorsichtig zurück über meine Schultern geschoben, so dass sie nicht auf einer Wunde auflagen, aber gleichzeitig meine Brüste völlig bedeckt waren. Kurz hatte etwas wie Mitleid in seinen Augen geschimmert. Dann schaltete er das Licht aus und verschwand.
Seitdem dachte ich nach. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Den Raum hätte ich in seiner Trostlosigkeit mit all den Folterinstrumenten nicht betrachten wollen. Einzuschlafen war keine Option, da ich nach wie vor an der Decke festgekettet war. Mein Körper schmerzte von der Bewegungslosigkeit, in die er gezwungen wurde, genauso sehr, wie von den Schlägen, die er hatte einstecken müssen. Der Schnitt an meinem Bauch brannte vom Schweiß, der während des Auspeitschens in Strömen geflossen war. Der Rücken fühlte sich an, als ob kein Stück Haut mehr auf seinem Platz lag. Wie eine rohe Masse blutiges Fleisch.
Die Tränen waren vor langer Zeit versiegt. Genauso wie ich keine Stimme mehr hatte, war mein Körper trotz der kleinen Flasche Wasser, die der braunhaarige Mann mir aus Mitleid zu trinken gegeben hatte, all seiner Flüssigkeit beraubt. Meine Augen fühlten sich rau an, wie auch meine Kehle. Die Erschöpfung nahm immer mehr von mir Besitz. Vor allem, weil keine Geräusche von draußen in das Verlies hinein drangen. Nur Stille. Ich räusperte mich zwischendurch, um zumindest etwas zu hören, auch wenn ich die Schmerzen in meinem Hals damit verschlimmerte.
Warum half mir kein Einziger, obwohl ich doch gesehen hatte, dass die Männer Mitleid hatten? Traute sich niemand, gegen den Boss vorzugehen? Ich seufzte. Es musste so sein. Aus Angst vor Strafe kam mir nicht einer zu Hilfe.
Würde der Mafiaboss mich ziehen lassen, wenn er das fand, was er suchte? Kam ich hier jemals lebend raus oder ließ er mich hier drinnen hängen, ohne dass sich eine Menschenseele um mich kümmerte? Mein Magen knurrte wie auf Kommando. Ich überlegte. Wie lange war es wohl her, seitdem ich im Restaurant bewusstlos geschlagen worden war? Es gab hier weder eine Uhr noch Tageslicht, an dem ich mich orientieren konnte. Meine Gedanken wanderten wieder zu dem Italiener zurück. Erleichterung machte sich in meinem Herzen breit, als mir bewusst wurde, dass er so gar keine Ähnlichkeit zu Mick aufwies. Der sanfte Junge mit seinen neugierigen grünen Augen und braunen Haaren gegen das schwarzhaarige Monster und seinem stechenden eisblauen Blick. Sie hatten nichts gemeinsam. Der Mafiaboss würde wohl auch kaum einen Homosexuellen oder gar zwei in seinem Team dulden, denn ich glaubte wieder, dass Mick und Sam ein Pärchen waren. Harold hatte mich nur manipuliert, als er mir etwas anderes weismachen wollte. Hoffentlich waren die Jungs in Sicherheit. Ich bereute es, nicht beim Club gewartet zu habe, um ihn später noch einmal anzurufen. Hätte ich doch nur Geduld und Vertrauen gehabt, dann wäre ich jetzt frei. Tränen rollten wieder über meine Wangen. Warum weckte mich niemand aus diesem Alptraum?
Ächzend wachte ich auf. In den vergangenen Stunden oder Tagen war ich mehrfach eingeschlafen. Doch sowie meine Beine mich dann nicht mehr trugen und ich nur an den Fesseln hing, wachte ich von den Schmerzen wieder auf. Die Hoffnung, hier lebend herauszukommen, hatte ich aufgegeben. Keine Nahrung, nicht mal etwas zu trinken hatte ich bekommen, seitdem der Boss mich misshandelt hatte. Ihm war es egal, was aus mir wurde, dachte ich bitter. So wie es meiner Familie immer egal gewesen war, wie es mir ging. Resignierend ließ ich den Kopf hängen. Jede noch so kleine Faser meines Körpers schmerzte. Es war hoffnungslos.
Von draußen drangen Schritte zu mir, die sich näherten. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Kam das Monster zurück, um sein Werk zu vollenden? Ein Wimmern floh über meine Lippen. Der Eindringling öffnete die Tür mit solch einem Schwung, dass sie mit einem lauten Krachen gegen die Wand knallte. Ich wagte es nicht, meinen Blick zu heben.
„Hallo Prinzessin, deine Freundin hat sich aus dem Staub gemacht." Das Monster schaltete das Licht ein und trat dann vor mich. Seine Schuhspitzen faszinierten mich. Sie waren weitaus interessanter, als ihm ins Gesicht zu schauen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich Angst davor, ihn anzusehen. Er hatte sicherlich in der Zwischenzeit eingesehen, dass ich nicht von Nutzen für ihn war. Mein Tod war nur eine Frage der Zeit. Eine einzelne Träne entwich aus meinem Auge.
„Wo versteckt sie sich?" Ich spürte seinen Atem auf meinen Haaren und versuchte, nach hinten auszuweichen. Die Fesseln Schnitter noch tiefer in meine Handgelenke. Der Italiener packte mit einer Hand meinen Nacken, mit der anderen presste er schmerzhaft meinen Kiefer zusammen, damit ich ihn ansah. Widerwillig hob ich den Kopf. Seine eisblauen Augen betrachteten mich nachdenklich.
„Ich weiß nicht, wo sie hin ist. Ich kenne sie erst seit einigen Tagen", flüsterte ich heiser. Jedes Wort reizte meine überanstrengten Stimmbänder. Mein Hals war von innen rau und ich fürchtete, nie wieder in der Lage zu sein, ein Lied zu singen oder mit jemandem zu sprechen. Der Mann ließ mich los und trat einen Schritt zurück. Erneut scannte er mich mit seinem Blick.
„Cazzo! Du weißt wirklich nichts." Es folgte ein Schwall Wörter auf Italienisch, dann lief er kopfschüttelnd zur Tür und schaltete das Licht aus. Dort lehnte von außen jemand am Türrahmen. Außer, dass die Person groß war, konnte ich nichts erkennen.
„Ich fliege morgen früh mit deiner Mutter nach Sizilien. Schaffe die Kleine dann weg. Lange macht sie es eh nicht mehr." Er verschwand im Gang. Die andere Person packte den Türgriff fest.
„Ja, Vater", rief er mit seiner tiefen Stimme dem Mafiaboss hinterher, bevor er die Tür ins Schloss zog. Wiederum war ich allein in der Dunkelheit. Ein Schauer lief mir an der Wirbelsäule entlang und ich zuckte unbewusst zusammen. Schmerzen schossen durch meinen Körper. Jede Zelle brannte, vor allem mein Rücken und der Hals. Ich hatte Durst, doch Wasser sollte ich nicht bekommen.
Schaffe die Kleine dann weg.
Ich war so gut wie tot.
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So, der Mafiaboss foltert ein Mädchen, stellt fest, dass es zu unrecht war und verzieht sich dann in den Urlaub, statt sie freizulassen? Netter Kerl. Doch vielleicht ergibt sich durch seine Abwesenheit eine Möglichkeit zur Flucht. Was meint Ihr?
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Verdammte Mafiosi
AcciónNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...