Raffaele stützte mich auf dem Weg zur Zimmertür. Meine Haare klebten schweißnass an meinem Nacken. Auf dem Hotelflur war es stickig warm. Womöglich war es auch nur der Alkohol, der mein Blut zum Kochen brachte. In dem verflixten Cocktail, von denen ich drei Gläser leergetrunken hatte, war doch welcher drin gewesen. Ich hatte mich abfüllen lassen, wie das naive Mädchen, das ich war.
„Tut mir leid", nuschelte ich. Der Italiener brummte nur etwas Undeutliches. Nachdem er mich in der Bibliothek aufgestöbert und Gina angegiftet hatte, waren wir zurück zum Hotel gefahren. Beziehungsweise, ihr Mitarbeiter und bester Freund, wie ich beim Gespräch erfuhr, hatte uns gebracht. Raffa war ebenfalls nicht mehr nüchtern. Ginas Ehemann hatte ihn zu ein paar Gläschen überredet. Ich fasste mir an den Kopf. Die Welt verschwamm zum gefühlten zwanzigsten Mal vor meinen Augen.
„Cazzo", fluchte Raffaele leise neben mir, als er versuchte, mit der Schlüsselkarte die Zimmertür zu öffnen. Die Karte war zu widerspenstig und wehrte sich wie eine sich windende Schlange gegen den Kartenschlitz. Ich griff nach Raffas Hand, half ihm beim Überwinden des störrischen Schlosses. Mit einem leisen Klacken entriegelte die Tür. Wir stolperten vorwärts. Wenn sein Vater uns jetzt so sähe, kämen wir in große Schwierigkeiten. Ich hoffte, dass er unseren unrühmlichen Abgang nicht bemerkt hatte.
„Die haben uns beide hereingelegt", nuschelte ich. Wieder nur ein Knurren. Mein Begleiter mutierte langsam aber sicher zum Werwolf. Es wunderte mich fast, dass er keiner war. Besitzergreifend und dominant, wie es diesen Fabelwesen zugeschrieben wurde, war er auf jeden Fall. Auch jetzt bohrten sich seine Fingerspitzen in mein Fleisch, damit ich an seiner Seite blieb.
Wir schleppten einander ins Badezimmer. Ich stützte mich am Waschbecken ab, schaute voller Abscheu in mein Spiegelbild, das mir ein zerzaustes Mädchen mit stark geröteten Wangen zeigte. Britt würde niemals nach ein paar Gläschen so furchterregend aussehen. Ich drehte mich halb zur Dusche um, zog die Nase kraus. Ob etwas Wasser half, um ein wenig runterzukommen? Ich fummelte am Reißverschluss des Kleides herum.
„Lass, ich mach." Raffas Fingerspitzen fuhren den Stoff entlang. Ein leichter Schauer lief mir über den Rücken, als der Italiener langsam den Verschluss nach unten zog. Sein Atem streichelte meine Haut. Ich stellte mir vor, dass er die Arme um mich schlang und mich sanft auf eine Schulter küsste. Nichts. Enttäuscht öffnete ich die Augen, die ich zuvor erwartungsvoll geschlossen hatte. Ich ließ das Kleid achtlos zu Boden rauschen. Der Slip folgte zugleich. Raffaele interessierte sich nicht für mich. Es wurde Zeit, dass ich es einsah. Ich stieg in die Duschkabine, schaltete das Wasser ein. Warm prasselte es auf meinen Körper herab. Erneut schloss ich die Lider, streckte das Gesicht in den breit gefächerten Wasserstrahl. Etwas raschelte hinter mir.
„Cazzo." Raffa trat zu mir unter die Dusche, fuhr sanft die Narben auf meinem Rücken nach. Ich hielt den Atem an. Passierte dies wirklich? Oder bildete sich mein vom Alkohol vernebeltes Gehirn alles nur ein? „Hast du eine Ahnung, was für Sorgen ich mir gemacht habe, als ich dich auf der Feier nicht fand?" Er ließ seine Hände tiefer wandern, bis zu meinen Hüften, packte sie hart fest. „Ich hatte schon befürchtet, dass einer dieser Mistkerle dich verschleppt hatte. Keiner von ihnen wird dich bekommen." Seine Stimme klang ungewohnt heiser und rau. Unbewusste lehnte ich mich zurück, an seine Brust. War ihm nicht klar, was seine Berührungen, seine Worte in mir auslösten? Eine Weile standen wir still da, nur das Rauschen des Wassers war zu hören.
„Wir sollten mal ins Bett gehen", hörte ich mich sagen. Die Wärme entspannte mich, mit Mühe hielt ich die Augen offen. Raffa ließ mich los, räusperte sich.
„Du hast recht." Er stieg aus der Dusche, trocknete sich ab. Augenblicklich wurde es kalt an meinem Rücken. Ein kleiner Seufzer entfloh mir. Ich schaltete das Wasser wärmer. Gleich würden wir nebeneinander im Bett liegen, jeder für sich auf seiner Seite. Er beschützte mich nur, weil ich zu seiner Familie gehörte. Eine andere Bedeutung hatten seine Worte von zuvor nicht.
„Ich suche dir mal ein Shirt zum Schlafen raus." Raffa ließ das Handtuch auf die Fliesen fallen. Ich schaute ihm sehnsüchtig hinterher. Wieso war mir in den vergangenen Wochen nie aufgefallen, was für einen knackigen Hintern er hatte? Womöglich, weil er fast immer zumindest seinen Unterkörper vor mir verdeckt hatte. Bis auf das eine Mal, als die Jungs in sein Zimmer geplatzt waren und ich nackt vor ihnen stand. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Sie waren schwul, dennoch hatte er meinen Körper vor ihnen verhüllt. Doch aus welchem Grund? Bedeutete ich ihm etwas oder nicht?
Den wirst du nicht mehr los, selbst wenn du wolltest.
Stimmte es, was Gina sagte? Ich stellte das Wasser ab, rieb meine Haut trocken. Die Narbe auf dem Bauch, ein wenig blasser als vor Monaten, dennoch würde sie nie völlig verschwinden. Wie die auf meinem Rücken. Gezeichnet, vernarbt. Nicht unbedingt ein Monster, doch eine Schönheit war ich auch nicht. Die Italienerin täuschte sich. Raffa und ich hatten es an diesem Abend nicht einmal geschafft, erfolgreich ein Pärchen zu mimen. Ich seufzte leise. Ärger mit seinem Vater war nach diesem Trauerspiel vorprogrammiert. Wir hatten uns zum Affen gemacht. Wenn Alerio erfuhr, wie sehr ich versagt hatte, würde er schwer enttäuscht sein. Warum war ich so unnütz, wie mein Stiefvater stets behauptet hatte? Mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Ich war schon immer eine Enttäuschung für die Menschen um mich herum. Das würde der Don in naher Zukunft bemerken. Was dann? Erlaubte er mir, weiterhin ein Mitglied der Familie zu bleiben? Ich stellte mich vor das Waschbecken, stützte mich am Waschtisch ab und versuchte, mein Gesicht im beschlagenen Spiegel zu betrachten. Verschwommen. Passte zu meinem alkoholisierten Gehirn. Ich warf das Handtuch zu dem von Raffa und lief nackt ins Zimmer. Ob ich bekleidet war oder nicht, er sah mich eh nur als eine gute Freundin oder eine Art jüngere Schwester. Raffaele war nicht weit gekommen. Zwar lag ein Shirt neben ihm auf dem Bett, doch starrte er unentwegt auf ein kleines Päckchen, das er in beiden Händen hielt.
„Was machen wir jetzt?" Ich steuerte auf ihn zu, schwankte dabei etwas. Weniger als vor der gemeinsamen Dusche, die meinetwegen die halbe Nacht hätte andauern dürfen. Langsam löste Raffa seinen Blick und richtete die Aufmerksamkeit auf mich. Den Mund leicht geöffnet sah er mich unentwegt an.
Wenn ein italienischer Mann sich so aufführt, ist er gnadenlos in dich verschossen.
Ich wich seinem intensiven Blick aus, knabberte verlegen an meiner Lippe. Raffa legte die Schachtel auf den Nachttisch. Erst jetzt erkannte ich, um was es sich handelte. Bunt prangten sie auf der Verpackung. Kondome. Verwirrt schaute ich wieder den Italiener an, der sich raubtierhaft erhob. In seinen Augen brannte ein verlangendes Feuer, das ich nie zuvor an ihm gesehen hatte. Ich schluckte nervös. Was hatte dieser Stimmungswechsel zu bedeuten? Er streckte einen Arm aus, hielt mir seine Hand einladend entgegen. Da ich zögerte, packte er mich am Handgelenk und zog mich zu sich heran.
„Bellissima." Wunderschön? Ich riss die Augen weit auf. Meinte er das wirklich ernst? Ich öffnete den Mund, um ihn zu fragen, spürte im nächsten Augenblick seine Lippen auf meinen. Er schlang einen Arm um meinen Rücken, presste sich an mich. Heiße nackte Haut, eine vertraute Nähe, gleichzeitig völlig fremd. Wir stolperten zum Bett, fielen umschlungen auf die weiche Matratze, ohne uns voneinander zu lösen. Raffa rollte sich auf den Rücken, zog mich auf seine Brust. Seine Küsse verlangend, neckend, zur gleichen Zeit liebevoll. Egal, was der nächste Tag brachte, dies konnte mir keiner nehmen.
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Lalala, ich sag nix. 🙊
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Verdammte Mafiosi
ActionNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...