Dante hatte schon wieder darauf bestanden, dass ich mit ihm und den Jungs in die Stadt fuhr. Der Italiener entwickelte sich zur Klette. Sehr zur Begeisterung seiner Mutter, die in manchen Momenten so aussah, als ob sie bereits unsere Hochzeit plante.
Nur über meine Leiche!
Wieso waren die Frauen in Mafiafamilien immer so versessen darauf, ihre Söhne schnellstmöglich zu verheiraten? Mit Dantes Vater hatte ich da weniger Probleme. Er versuchte eher, seine Ehefrau in ihrem Bestreben zu bremsen. Auch hatte er mir endlich erzählt, weshalb sie meine Mutter und mich nicht im Auge behalten hatten. Aus Respekt vor seinem Lebensretter hatte er mir ein Leben fernab der Mafiawelt gegönnt. Um mich nicht in Gefahr zu bringen. Weil ich ein Mädchen war. Das war so weit gegangen, dass er es seinen Leuten verboten hatte, bei uns vorbeizuschauen. Damit seine Feinde nichts von meiner Existenz erfuhren und womöglich versuchten, mich als Druckmittel zu verwenden. Vor allem über Letzteres zerbrach ich mir den Kopf. Ich verstand nicht, wieso er solche Befürchtungen hegte. Warum hätte jemand mich gegen ihn benutzt? Ich zuckte mit den Schultern. Die Sache blieb seltsam.
Der Don schien insgesamt um mein Wohlergehen besorgt. Er hatte sich selbst dafür entschuldigt, dass er mich nicht eher aus meinem Elternhaus weggeholt hatte. Seinen sotto hatte ich mittlerweile ebenfalls besser kennengelernt. Er war erst nach dem Tod von Papa zur Mafiafamilie gestoßen, hatte daher nicht den Link zwischen mir und meiner Familie gelegt.
Was Britt wohl gerade trieb? Niemand erzählte mir, wo man sie gefangen hielt. Dabei würde ich sie nicht befreien. Der Ärger über das Betäubungsmittel im Getränk auf der Party war noch zu präsent. Abgesehen davon mischte ich mich nicht in Mafiaangelegenheiten ein. Prompt juckten die Narben auf meinem Rücken. Brachten sich und ihre Ursache in Erinnerung. Ich knurrte irritiert.
„Vielleicht sollten wir mal etwas essen. Dakota ist mir zu brummig. Die beißt uns bestimmt gleich." Ich zeigte Marco, der sich auf dem Beifahrersitz zu uns umgedreht hatte, einen Vogel.
„Eine ausgezeichnete Idee", stimmte Adriano ihm bei, wie so oft.
„Zweieiige Zwillinge", murmelte ich, vernahm neben mir ein Schnauben. Dante versuchte krampfhaft, ein Lachen zu unterdrücken. Ich runzelte die Stirn. So witzig war es nicht, was ich gesagt hatte. Probierte er, sich damit einzuschleimen? Ich verschränkte die Arme, starrte finster aus dem Fenster. Adriano steuerte den Wagen auf den Parkplatz eines italienischen Bistros.
„Wer hat Lust auf Pizza? Ich nehme mal an jeder." Marco sprang aus dem Fahrzeug, riss meine Tür auf. „Wenn ich bitten dürfte, Signorina." Er verbeugte sich elegant, fast wie ein Butler.
„Cretino", murrte ich.
„Hast du... hat sie mich gerade als Trottel bezeichnet?" Der Italiener warf mir einen erbosten Blick zu, doch seine Mundwinkel zuckten. „Dante, hast du ihr das beigebracht?"
„Nein, ich bin unschuldig." Er hob die Hände abwehrend nach oben, um seine Worte zu unterstreichen. „Sie muss es irgendwo aufgeschnappt haben." Ich biss mir auf die Lippe. Michaele hatte es mir beigebracht, wie so viele andere Schimpfwörter auf Italienisch. Der Angriff auf einen Teil von Dantes Familie kam mir in den Sinn. Waren es die Santori aus Kalifornien oder nicht? In wenigen Tagen würde ich es wissen.
Nach dem Essen schlenderten wir zu viert über den Parkplatz zu Adrianos Wagen. Auf halber Strecke bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen Van, der in die Einfahrt einbog und genau dort hielt. Wie um den Weg zu versperren. Ich berührte Dante am Arm. Er blieb direkt stehen. Die Türen das Fahrzeugs wurden mit solch einem Schwung geöffnet, dass sie regelrecht aufflogen. Im nächsten Augenblick fand ich mich hockend hinter einem Wagen wieder. Nacken und Schultermuskeln schmerzten von dem Ruck, mit dem der Italiener mich in Deckung gezogen hatte. Eine Gelegenheit, darüber zu schimpfen, bekam ich nicht, denn schon knallten die ersten Schüsse. Mein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Ein bitterer Geschmack kroch unerbittlich meine Kehle empor. Instinktiv drückte ich eine Hand auf meinen Unterleib.
„Keine Angst, Dakota. Wir kommen hier heil raus." Dante reichte mir sein Smartphone. „Ruf meinen Vater an." Gleichzeitig zog er seine Pistole. Ich schluckte, suchte schnell den Don in der Kontaktliste.
„Che cosa è?" Seine tiefe Stimme besorgte mir eine Gänsehaut. Sie versprach Sicherheit, doch war so weit entfernt.
„Siamo sotto attacco", stammelte ich. Wie um meine Worte zu bestätigen, feuerte Dante einige Male auf die Angreifer. Ich spürte, wie mir langsam die Kontrolle über meine Atmung entglitt. Doch ich durfte mir keine Schwäche erlauben.
„Dove siete?" Der Don klang weiterhin kontrolliert, plante in Gedanken womöglich, wie er uns am schnellsten half. Ich nannte ihm das Restaurant, steckte danach das Smartphone ein. Zitternd wie Espenlaub presste ich mich mit dem Rücken gegen das kühle Metall des Fahrzeugs. Niemand erwartete von mir, eine Waffe in die Hand zu nehmen, geschweige denn, damit zu schießen. Ich brauchte nur abzuwarten.
Die Angreifer ballerten weiter herum, regelmäßig von den drei Jungen beantwortet. Ich versteckte das Gesicht in den Händen. Nicht zu früh. Die Scheibe des Autos zerbarst, Glassplitter rieselten wie ein feiner Regen auf uns herab. Dante richtete sich erneut halb auf, feuerte gerichtet einen Schuss ab. Einer der Gegner schrie auf. Ich betete, dass er durch den Treffer kampfunfähig war. Einer weniger, vor dem wir uns in acht zu nehmen hatten. Ein weiterer Pistolenschuss.
„Cazzo." Etwas kratzte über das Pflaster. Marco! Ich ließ die Hände sacken, schaute zu dem Italiener, der sich ein Fahrzeug entfernt mit schmerzverzerrtem Gesicht den Oberarm hielt. Seine Waffe lag auf halber Strecke zwischen ihm und uns. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Wir hatten nur noch zwei Schützen, gegen wie viele auch immer beim Van standen. Ich ballte die Fäuste, entspannte die Finger direkt wieder. Sie zitterten, als ob sie die Pistole greifen wollten. Wagte ich es oder blieb ich in Deckung? Durfte ich feige sein, wenn meine Hilfe uns Zeit verschaffen konnte? Mein Entschluss stand fest.
„Dakota!", zischte Dante, doch ich hechte schon vorwärts, packte die Waffe und brachte mich bei Marco vor den Schüssen, die mich nur um Haaresbreite zu verfehlen schienen, in Sicherheit.
„Spinnst du?", knurrte er, versuchte mir, mit links die Pistole abzunehmen.
„Ich weiß, was ich tue", schnauzte ich ihn an. Wenn mir jemand später die Leviten las, bitte. Doch jetzt hatten wir Wichtigeres zu erledigen. Ich kroch vor zum Heck des Wagens, weiter weg von Dante. Ich ließ mich sacken, entdeckte hinter einem gegenüberliegenden Fahrzeug ein paar Beine.
Na warte.
Den erwartete eine Überraschung. Ich atmete tief ein, brachte meine zitternde Hand unter Kontrolle. Nur ein gezielter Schuss. Eine ähnliche Situation wie in der Lagerhalle und gleichzeitig völlig anders. Panik griff nach mir mit eisigen Klauen. Ich zwang mich, die Augen geöffnet zu halten, drückte ab. Ein Schmerzensschrei. Der Mann stürzte, seine rechte Seite mir zugewandt. Erneut zielte ich, dieses Mal auf seine Schulter. Ich zögerte. Was wenn ich stattdessen seinen Hals oder Kopf traf, abermals jemanden tötete? Ich brachte die linke Hand zur Waffe, zwang mich abzudrücken. Schwer atmend presste ich mich wieder an den Wagen. Hatte ich ihn umgebracht? Nachzuschauen wagte ich nicht.
Quietschende Reifen, Türen knallten. Flüche auf Italienisch und weitere Schüsse hallten über den Parkplatz. Die Stimme des Dons, der uns zurief, dass es vorbei war. Wie in Trance stand ich auf, folgte den Jungen zu Dantes Vater, die Waffe fest umklammert.
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Der Ausflug verlief wohl nicht ganz so wie geplant. Außerdem hat Dakota da unfreiwillig verraten, dass sie einigermaßen Italienisch spricht.
Wie wird Dantes Vater nun reagieren? Welche Folgen erwartet ihr für Dakota?
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Verdammte Mafiosi
AcciónNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...