Kapitel 31

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Ich nickte der völlig in Schwarz gekleideten Person zu. Trotz der Balaklava erkannte ich, dass es Mick war. Er hockte wenige Meter entfernt hinter einer Palette mit Surfboards. Sam kauerte demnach ein Stück weiter. Der Don hatte uns einen voraussichtlich ungefährlichen Standort im Lagerhallenkomplex zugeteilt. Selbst würde er zusammen mit Raffaele den direkten Angriff wagen. Ein Schauer lief mir bei dem Gedanken über den Rücken. Ich kreiste einige Male mit den Schultern, um das scheußliche Gefühl zu verscheuchen. Wieso nahm der Mafiaboss persönlich an dieser Mission teil, setzte sich damit willentlich einer Bedrohung aus? Hatte er nicht genau für solche Aufträge seine Männer? Oder war es ihm so wichtig, dass er selbst das Leben seiner Söhne und das von Sam und mir in Gefahr brachte? Ich sah mich zur Tür um, durch die wir eingedrungen waren. Weit weg, um ungehindert zu verschwinden, oder aber von einem Feind überrascht zu werden. In meinem Magen rumorte etwas. Leichte Übelkeit, ein Zeichen der Anspannung. Wieso hatte ich nur darauf bestanden, an der Mission teilzunehmen? Ich hätte auf Raffa hören sollen.

Ein leises Ticken, wie von einem Fingernagel auf Holz. Mick. Ich nickte ihm zu, verscheuchte meine Zweifel. Es würde schon alles Gutgehen, redete ich mir ein. Der Italiener erhob sich, lief in geduckter Haltung zur nächsten Palette. Ich stand auf, folgte seinem Vorbild. So arbeiteten wir uns zu dritt durch die Halle. Immer wieder innehaltend, um auf Geräusche zu lauschen. Mit jedem Schritt nahm die Nervosität zu. Was wartete im folgenden Gebäudeteil auf uns? Ich umklammerte mit beiden Händen den Griff meiner Waffe. Misstrauisch beäugte ich die schwere Metalltür, der wir uns unerträglich langsam und gleichzeitig viel zu schnell näherten. Schweiß brach mir aus. Ich verfluchte erneut die Idee, an dieser Aktion teilzunehmen. Wieso musste ich mich so unbedingt beweisen? Noch wichtiger, warum zum Teufel verließen wir den uns zugewiesenen Standort? Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf meiner Haut, wurde von der Maske gierig aufgesogen. Auf was hatte ich mich nur eingelassen?

Mick öffnete die Tür einen Spalt, linste in den nächsten Raum. Er winkte uns näher. Dicht hintereinander huschten wir durch die Öffnung. Ich duckte mich hinter einige Kartons. Noch mehr Paletten. Mit Folie umwickelt, fertig zur Verschiffung nach Asien, wie ich auf einem angeklebten Papier sah. Kalifornischer Wein. Dafür waren wir nicht hergekommen. Den genauen Grund kannte ich nicht. Selbst meine zwei Begleiter tappten darüber im Dunkeln. Ich biss mir auf die Lippe. Was verschwieg der Don und vor allem warum?

„Sam, du schleichst linksherum bis zu dem Lastenaufzug", wisperte Mick. „Lina kommt mit mir zur Treppe." Ich linste über die oberste Reihe Kartons zu einer Art Käfig, in dem eine Metalltreppe zur nächsthöheren Etage führte. Zu einer hölzernen Plattform, die nur über ein aus dünnen Stangen gefertigtes Geländer verfügte. Ich schnaubte leise in mich hinein. Am liebsten wäre ich zurück in die andere Halle gekehrt, um dort versteckt auf die Entwarnung zu warten. Wir widersetzten uns eindeutig den Befehlen, indem wir hier herumschnüffelten.

Langsam schlichen wir durch die zweite Halle. Einige Schritte gebückt vorwärts, dann für einen Moment in Deckung, die Lage peilen. Ein nie zu enden scheinendes Spiel. Nur, dass es hier um Leben und Tod gehen könnte, wenn wir uns einen Fehltritt erlaubten. Bisher waren wir niemandem begegnet. Dennoch befürchtete ich, dass jeden Augenblick jemand aus seinem Versteck hervorspringen und das Feuer auf uns eröffnen würde.

Der Griff der Pistole fühlte sich unter meinen Fingern glitschig an. Schnell wischte ich die Hände an der Hose trocken, umklammerte danach die Waffe noch stärker als zuvor. Mein Magen drehte sich um sich selbst. Ich sah mich kurz zum Ausgang um, schluckte die aufsteigende Übelkeit runter. Angestrengt lauschte ich. Außer einem leichten Rascheln, wenn einer von uns versehentlich gegen eine Palette stieß, war es totenstill. Die Stille nagte an meinen Nerven wie der Biber an einem Baumstamm. Ein Hinterhalt, wir liefen in eine verdammte Falle!

„Komm, lass uns oben nachschauen." Mick stieg geräuschlos die Treppe hinauf. Ich atmete tief durch, folgte ihm nach einigem Zögern. Meine Pistole verstaute ich in ihrem Holster. Vorsichtig tastete ich mich hoch. Eine Hand immer am Geländer. Wie schaffte der Italiener es nur, so leise zu laufen? Die Stufen waren aus dünnen Metallplatten gefertigt, mit winzigen Löchern, deren Ränder leicht hochstanden. Damit niemand abrutschte. Es kam mir so vor, als bohrten sie sich absichtlich tief in meine Schuhsohlen, um mir den Aufstieg zu erschweren. Bei jedem Schritt knarzte und ächzte das Metall, verhöhnte meine Anstrengungen. Als ob es wusste, dass ich nicht in die Mafiawelt gehörte. Bedachtsam betrat ich die Holzplattform, die leise knarrte. Ich schloss kurz die Augen. Nur diese eine Mission.

„Ich glaube, ich höre etwas." Mick ergriff meine Hand, zog mich mit sich vorwärts. Immer weiter, bis zum Ende der Plattform. Der Italiener kletterte über das Geländer, bedeutete mir, zu folgen. Am liebsten hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Der war doch völlig übergeschnappt. Dennoch folgte ich. Ein Bein über die Metallstange geschwungen, schaute ich hinunter. Stabil erscheinende Kartons, auf einer Breite von etwa zwei Palettenstellplätzen aufgestapelt. Ich starrte fassungslos meinen Begleiter an. Hatte er das vor, was ich vermutete? Er nickte mir zu, grinste dabei diebisch. Ich schnaubte verärgert. Wenn ich das hier überlebte, würde ich ihn später quer über das Anwesen seines Vaters scheuchen. Oder ich überließ das Raffa. Der würde eh ausflippen, sowie er erfuhr, dass wir unseren sicheren Standort verlassen hatten.

„Auf drei." Mick klang für meinen Geschmack zu erfreut. Ich umklammerte das Geländer.

„Können wir nicht einfach zurück zur Treppe laufen?" Bettelnd sah ich ihm in die Augen. Der Mistkerl schüttelte nur den Kopf und löste meinen Klammergriff. Einen Moment flogen wir. Ich ruderte wie wild mit den Armen. Dumpf hallte es in der Halle wider, als wir auf den Kartons landeten. Der Turm wackelte unter der brachialen Gewalt, die auf ihn einwirkte. „Idiota", zischte ich dem Italiener zu, der geschmeidig wie eine Katze hinunterkletterte. Ich zerrte meine Maske zurecht, die mir bei der Landung verrutscht war. Misstrauisch sah ich mich um. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Hatten wir mit dieser Aktion Aufmerksamkeit erregt? Ein Schatten bewegte sich auf Mick und die Tür zu, die hinter den Paletten versteckt war. Ich tastete nach der Pistole, fummelte am Holster herum, doch bekam die Waffe nicht heraus. Verdammter Mist. Wie warnte ich Michaele nur? Rief ich ihn, gab ich meinen Aufenthaltsort ebenfalls preis. Blieb mir eine andere Wahl? Ich spannte die Beinmuskeln an, katapultierte mich von den Kartons hinunter auf den Feind. Mit einem Ächzen ging er zu Boden.

„Sehr witzig Lina." Mick lachte leise. „Ich weiß ja, dass du Sam magst, aber könntest du bitte von meinem Freund runtergehen?" Hitze schoss mir ins Gesicht, meine Wange brannten vor Scham. Den Blonden hatte ich völlig vergessen. Wie konnte man nur so blöd sein? Ich schnappte nach Luft, ein eisiger Schauer lief meine Wirbelsäule entlang. Hätte ich die Waffe aus dem Holster gezogen bekommen, hätte ich womöglich Sam erschossen! Ich taugte wirklich nicht für das Mafialeben.

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Na das ist gerade ja noch einmal gutgegangen. Was haltet Ihr davon, dass die drei im Hallenkomplex herumstöbern, statt auf ihrem Posten zu bleiben?

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt