Kapitel 41

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„Dein Glück, dass du nichts meinem Vater erzählt hast." Brittany zischte wie die Giftschlange, die sie war. Ich bemühte mich um eine neutrale Miene. Während der gesamten Rückkehr hatte sie mir von Dante vorgeschwärmt. Wie umwerfend er aussah. Dass er gar kein Gangmitglied war, wie alle behaupteten. Ich verkniff mir ein Lachen. Es stimmte. Dante war kein Mitglied einer Gang. Dafür der Sohn eines Mafiabosses. Ich bezweifelte, dass es ihr bewusst war. Doch die Krönung war, als sie mir erzählte, wie herrlich sie in seinen Armen geschlafen hatte. Wenn ich ihr jetzt mitteilte, dass ich an ihn gekuschelt in einem Bett aufgewacht war, brachte sie mich aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem stumpfen Buttermesser, mit dem sie in diesem Moment herumhantierte, um. Ich entschied mich für eine unverfängliche Antwort.

„Was sollte ich ihm denn erzählen? Ich habe doch gar nicht mitbekommen, was vorgefallen ist." Ich wandte mich ab, senkte dabei das Kinn auf die Brust. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die Blondine. Ihre Mundwinkel zuckten nach oben, gaben ihr einen diabolischen Gesichtsausdruck. Die Erkenntnis, die damit einherging, missfiel mir. Der Italiener hatte recht. Britt hatte mir den anderen Idioten auf den Hals gehetzt. Diese hinterhältige Schlange. Genauso ein Monster wie ihr Vater.

„Stimmt, du hast ja seelenruhig geschlafen." Mir entging der gehässige Unterton nicht, der ihrer Stimme innewohnte. Wer diese Zicke später einmal zur Frau erhielt, erschoss sich besser direkt. Ich ignorierte die weiteren Spitzen, die sie auf mich abschoss. Meine Gedanken wanderten zu Dante. Ohne seine Hilfe wäre es schiefgegangen. Wieso hatte ich auch von einem Unbekannten ein Getränk angenommen? Hatte ich von dem Reinfall mit Carmen nichts gelernt? „Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?" Britt wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. Wenn sie nicht aufpasste, stach sie mir mit ihren ellenlangen Fingernägeln noch ein Auge aus. Ich wich zurück.

„Entschuldige, ich bin noch nicht ganz wach." Ich gähnte übertrieben, starrte dabei aus dem Küchenfenster.

„Wieso gehst du nicht spazieren? Jetzt, wo du keinen Hausarrest mehr hast." Die Blondine strich gedankenverloren Erdnussbutter auf ihr Brot. „Ich verstehe nicht, wie du nach dem wochenlangen Eingesperrtsein noch nicht durchgedreht bist." Ich horchte auf. Britt gab eine Schwäche zu? Das war ja mal etwas völlig Neues. Ihre Idee mit dem Spaziergang klang überraschenderweise bodenständig und vernünftig.

„Etwas Bewegung an der frischen Luft hört sich prima an." Eine Runde durch die Parkanlage, nichts Besonderes.

Der Weg führte mich über einige Bürgersteige, bis ich am Park ankam, der mir vor meinem ungeplanten Aufenthalt in einem Mafiahaushalt als grüne Oase, als Rückzugsort gedient hatte. Ich hielt inne, atmete tief durch. Der Duft von Blumen stieg mir in die Nase. Nicht der nach salziger Seeluft, die ich über die Monate liebgewonnen hatte. Schnell schob ich den Gedanken an Kalifornien beiseite. Bevor mir abermals Tränen in die Augen stiegen. Sentimentalitäten brachten mich nicht weiter. Erst recht nicht, seitdem ich die Neugierde eines hiesigen Mafiosos geweckt hatte. Hoffentlich verfolgte er das Thema nicht weiter. Das fehlte mir noch zu meinem Glück. Egal, wohin der Weg mich führte, ich lief irgendwelchen Gangstern in die Arme. Doch nicht jetzt, nicht hier. In diesem Park war die Welt noch in Ordnung.

„Ciao cucciola." Ich zuckte zusammen. Was hatte ich verbrochen, dass ich so gestraft wurde?

„Ciao Dante." Wie hatte er mich aufgespürt? Fieberhaft überlegte ich. Hatte ich meinen Ausweis mit zur Party geschleppt?

„Das war sehr unhöflich von dir, einfach so abzuhauen, topolina." Er schob sich in mein Gesichtsfeld, ein schiefes Grinsen auf den Lippen. Eine weitere Übereinstimmung mit Raffa. Ich schluckte. Zufall, dass sie einander so ähnlich sahen, oder waren sie, wenn auch entfernt, miteinander verwandt? Nachdenklich starrte ich an dem Italiener vorbei auf ein paar Büsche. Nie hatte jemand erwähnt, dass ein Teil ihrer Familie in meiner Heimatstadt lebte. Und doch, sie trugen denselben Nachnamen. Ich knabberte an meiner Unterlippe. „Lass das mal, gattina." Dante stoppte meine Schneidezähne mit seinem Zeigefinger. Instinktiv wich ich vor ihm zurück. Zu intim war die Geste.

„Könntest du mich bitte in Ruhe lassen?" Ich wandte mich von ihm ab, starrte sehnsüchtig auf den sandigen Pfad, der durch den Park führte. Weit weg von dieser Nervensäge.

„Erst, wenn du mir erzählst, wer dir das angetan hat." Dante strich mir sanft über den Rücken. Ich fuhr herum, funkelte ihn wütend an. Hatte der noch nie etwas von Privatsphäre gehört? Was bildete er sich überhaupt ein? Und das Wichtigste, wie wurde ich ihn wieder los? Er zählte zu der hartnäckigen Sorte. Wie jeder Mafioso, den ich kannte. Aber natürlich, das war die Lösung!

„Omertà." Ich suchte Blickkontakt zu dem überrascht dreinblickenden Italiener.

„Wie? Was?" Er fuhr sich durch die Haare. Ich erlaubte mir ein kleines Grinsen. Den war ich los. „Topolina, das ist nicht witzig", schalt er mich sogleich. Da hatte er recht. Ich fand es nicht im Geringsten komisch, dass er sich so massiv in mein Leben drängte.

„Es ist besser, wenn du mich in Ruhe lässt." Ich betrachtete interessiert meine Fingernägel, pulte imaginären Dreck unter ihnen hervor. Dante packte mich mit beiden Händen fest an den Schultern.

„Hör zu, topolina. Meine Familie kann dich schützen." Treuherzig wie ein Dackel schaute er mich aus seinen braunen Augen an. Wenigstens waren sie nicht grün. Ein Unterschied zu Raffa.

„Danke, ich benötige deine Hilfe nicht. Wenn es dir nichts ausmacht, ich würde jetzt gern meinen Spaziergang durch den Park fortsetzen." Zu meiner Verwunderung trat Dante widerstandslos zur Seite. Na endlich! Ich huschte an ihm vorbei, nahm mir einen Moment, die Umgebung auf mich einwirken zu lassen. Nicht vergleichbar mit dem kalifornischen Strand, gleichzeitig besser als in meinem mickrigen Zimmer zu hocken.

„Hübsch, oder?" Der Italiener hakte sich bei mir ein, grinste mich spitzbübisch von der Seite an. „Meinetwegen können wir." So langsam kam die Vermutung auf, dass ich in einem früheren Leben Steine auf Entenküken geworfen hatte. Wieso passierte mir so ein Mist?

„Warum suchst du dir nicht ein Mädchen, das auf dich steht, und lässt mich endlich in Ruhe?" Ich stieß geräuschvoll die Luft aus. Nicht lange und ich sprang ihm an die Kehle. Nicht, um ihm die Zunge in den Hals zu stecken, sondern um ihn zu erwürgen. „Meine Stiefschwester findet dich übrigens zum Anbeißen."

„Blondie? Lass gut sein. Solch hinterhältige Ziegen sind in meiner Familie nicht gern gesehen. Sie verstehen nicht, was für uns onore e rispetto bedeutet. Was sagt dir der Ausdruck?"

„Ehre und Respekt. Zwei der höchsten Werte in ehrenwerten Gesellschaften", murmelte ich. Mein Begleiter lachte nur leise, zog mich weiter über den Pfad. Den wurde ich wohl nicht ohne großen Aufwand wieder los.

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Wie wird man den wieder los? Der Typ ist ja schlimmer als ein Dorn, den man sich eingetreten.

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt