Seufzend starrte ich auf das Mathebuch. Raffaele hatte sich den Rat des braunhaarigen Mannes zu Herzen genommen und mir eine Beschäftigungstherapie verpasst. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Schulbücher der Fächer, die ich nach den Ferien an der Schule wählen wollte. Der dickköpfige Mafioso fand es angebracht, dass ich mit dem Lernen anfing, weil er schwer einschätzen konnte, ob ich rechtzeitig zum Schulanfang nach Hause kam. Wer hatte ihm das Versprechen gegeben, alles zu tun, was er verlangte? Die kleine dumme Dakota. Statt mit seinem Bruder und Sam zu quatschen, saß ich hier.
„Faulenzt du schon wieder?" Der Übeltäter trat an meinen Stuhl, stellte ein kleines Tablet neben das Mathebuch. „Die Stärkung hast du dir gar nicht verdient." Er zog den Teller weg, auf dem zwei Cornetti lagen, diese wundervollen italienischen Hörnchen, die ich über alles liebte. Zu meinem Bedauern bekam ich sie nur selten. Zum Frühstück verpasste er mir, seitdem mein Magen wieder alles vertrug, frisches Obst und Müsli. Mittags meist Salat mit entweder magerem Fleisch oder Fisch. Abends Suppe mit italienischem Brot aus Hartweizengrieß, das mit Sesam bestreut war.
„Keine Angst, dass ich zu fett werde, wenn du mir gleich zwei mitbringst?" Sehnsüchtig schielte ich auf den Teller, den er außer Reichweite von mir hielt.
„Erstens, du hast gleich noch eine Sporteinheit und bekommst erst hinterher etwas zu essen. Zweitens, ein Cornetto ist für mich." Wie um mich zu ärgern, biss er genießerisch hinein, verdrehte dankend die Augen zum Himmel oder besser gesagt, zur Zimmerdecke.
„Bastardo", knurrte ich. Ab und an schafften Michaele und Sam es, sich zu mir ins Zimmer zu schleichen. Auf mein Flehen hin hatten sie mir ein paar italienische Schimpfworte beigebracht, mit denen ich Raffaele auf die Palme bringen wollte. Stattdessen amüsierte es ihn nur. Aus diesem Kerl wurde ich nicht schlau. „Du weißt genau, dass ich meine Periode bekommen habe. Da willst du mich mit Sport quälen?"
„Genau deswegen wirst du dich eine halbe Stunde auf dem Laufband bewegen." Genüsslich leckte er sich die Vanillecreme, die aus dem Hörnchen quoll, von der Oberlippe. Wie hypnotisiert starrte ich auf seine sinnlichen vollen Lippen. Seitdem ich wusste, dass er nur vier statt der befürchteten acht Jahre älter war, verselbständigten sich meine Hormone. „Bewegung ist gut gegen die Bauchkrämpfe. Also hopp." Er wies grinsend auf das Foltergerät, das er mit Sicherheit wieder so schnell einstellen würde, dass ich ins Schwitzen kam. Er meinte es ernst damit, mich fit zu bekommen, bevor seine Eltern heimkehrten. Zähneknirschend legte ich das Buch weg und schlüpfte in die Sportschuhe. Shirt und bequeme Jogginghose trug ich bereits.
„Geht das nicht ein wenig schneller?" Seine Fingerspitzen tanzten über die Knöpfe. Das Tempo zog an und ich stolperte.
„Die halbe Stunde ist doch schon rum", maulte ich. Wie sprang man von diesen Dingern ab, ohne sich auf die Nase zu legen? Ich stützte mich auf den seitlichen Griffen ab, stellte die Füße auf die Seitenränder. Jetzt runter, ohne das Band zu berühren. Doch wie bekam ich das hin? Zwei starke Hände packten mich an der Hüfte, hoben mich vom Laufband.
„Habe ich dir erlaubt, aufzuhören?" Sein Atem kitzelte meinen Hals. „So werde ich dich nie los." Seine eisblauen Augen hielten mich gefangen, wie auch sein eiserner Griff. Mein Puls beschleunigte. Wieso war er nur so verdammt gutaussehend und wieso war ich nicht sein Typ? Das Leben war nicht fair.
Verdammt Dakota, er ist ein Mafioso. Der Sohn des Mannes, der dich fast umgebracht hat. Schon vergessen?
Blitzschnell verhakte ich mein Bein hinter seinem Knie, versuchte, ihn zu Fall zu bringen. Er taumelte, ließ sich fallen und drehte uns so, dass ich zuerst auf dem Boden landete. Grinsend stützte er seinen Oberkörper ab, seine Beine lagen zwischen meinen. Zum Glück sah uns niemand in dieser peinlichen Lage. Mein Gesicht lief dennoch rosa an. Ich benötigte dringend körperlichen Abstand zu ihm.
„Bastardo." Ich stemmte die Hände gegen die Brust des Italieners, der sich keinen Millimeter von mir runter bewegte.
„Und das nennst du Muskeln?" Amüsiert über die fruchtlosen Versuche meinerseits, unter ihm hervorzukriechen, pustete er mir eine Strähne meiner widerspenstigen Haare aus dem Gesicht.
„Vaffanculo!", knurrte ich ihn an und schnappte nach ihm wie ein hungriges Krokodil. Zu meiner Enttäuschung mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte wie es schien. Er wich mir geschickt aus.
„Niedlich. Deine Aussprache wird im Schneckentempo besser", neckte er mich weiter.
„Geh von mir runter, du sacco di lardo!" Seine Nähe brachte mich ins Schwitzen. Meine Hände, die er nach wie vor nicht festhielt, weil er es für überflüssig erachtete, brannten darauf, unter seinem Shirt zu verschwinden und seine nackte Haut zu erkunden. Stattdessen kniff ich ihn nur durch den Stoff in die Brustwarzen.
„Du kleines Biest." Er ließ sich nun vollends auf mich fallen, seine Wange lehnte an meiner. „Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich liege bequem." Bevor ich es schaffte, darauf etwas zu erwidern, öffnete jemand die Zimmertür. Einer der Jungs, wie ich annahm.
„Könntest du mir bitte mal helfen?", rief ich dem Besucher zu, den ich von meiner Position aus nicht sah. Dieser blieb still. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Das war weder Michaele noch Sam. Beide hätten ihre Witzchen über die verfängliche Stellung gerissen, in der wir uns befanden. Raffaele schien Ähnliches zu denken. Er drehte den Kopf zur Tür. Augenblicklich versteifte er auf mir. Wer war da? Ich traute mich nicht, ihn zu fragen. Der Besucher räusperte sich.
„Ich hatte erwartet, dass du dich um meine Geschäfte kümmerst, und dich nicht mit einem Mädchen vergnügst, il mio figlio." Entsetzt riss ich die Augen weit auf. Diese tiefe Stimme hatte sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Ich würde sie unter tausenden erkennen.
„Padre, ich kann das erklären." Raffaele erhob sich langsam, packte mich am Arm und zog mich mit sich hoch. Er schob sich zwischen uns, verdeckte seines Vaters Sicht.
„Geh zur Seite, Sohn. Ich habe bereits gesehen, dass du den Auftrag ebenfalls nicht ausgeführt hast." Das Herz sackte mir in die Knie. Wieso war der Don bereits zurückgekehrt? Ich hatte eine Chance, mein Leben weiterzuführen. Warum war er nur schon wieder da? Raffaele trat an meine Seite, schlang seinen Arm um mich.
„Lass es mich bitte erklären...", begann er abermals.
„In mein Büro. Sofort!" Der Mafiaboss wandte sich zum Gehen. „Bevor weitere Missverständnisse entstehen, ich meine euch beide", knurrte er uns an wie ein Wachhund, der seit zwei Tagen kein Futter erhalten hatte. Ich war sowas von tot. Dieses Mal kam ich da nicht heil raus.
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Daddy is home. Da können die ihre Planung wohl vergessen. 😂
Was jetzt wohl wieder kommt? 🤔
Ja, ich weiß. Fieser Cut. Vielleicht bin ich ja nett und füttere euch in ein paar Stunden mit dem Folgekapitel. Nur weiß ich noch nicht so recht, ob ich heute so nett bin.
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Verdammte Mafiosi
ActionNeugier ist der Katze Tod, sagen sie. Für Dakota dagegen eine Möglichkeit, Schlimmerem zu entgehen. Panisch flüchtet sie vor dem Mann, bei dem sie die Ferien verbringen sollte. In einer Stadt, in der sie außer ihm nur zwei weitere Menschen kennt. We...