Kapitel 53

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„Wach auf", herrschte mich eine tiefe Männerstimme an. Mühsam kämpfte ich gegen schwere Augenlider. Jemand packte mich am Arm, riss mich von der harten Unterlage in die Senkrechte. In meinem Schädel fuhr alles Karussell, ein dumpfer Schmerz zog sich über die Stirn zu den Schläfen. „Stell dich gefälligst nicht so an!", schrie er mir ins Ohr und ließ abrupt los. Die Beine gaben unter mir nach und ich knallte auf einen Betonboden. Etwas Warmes, Feuchtes sickerte aus einer brennenden Stelle am Kopf. Schwerfällig öffnete ich die Augen. Ich lag auf fleckigem Beton. Nicht weit entfernt entdeckte ich Schuhe und Hosenbeine, die höchstwahrscheinlich zu dem Arsch gehörten, der mich so grob behandelte. „Dann bleib halt liegen", knurrte der Typ, drehte sich um und verließ den Raum. Die Tür fiel scheppernd ins Schloss.

Langsam kehrten meine Sinne zu mir zurück und ich schaue mich um. Eine einsame grelle Birne baumelte an einem Kabel von der rissigen Decke. Die einzige Lichtquelle meiner Zelle. Unterirdisch, nahm ich an, da es kein Fenster, sondern nur kahle Wände gab. Ich setzte mich auf, zog die Knie an meinen bebenden Körper. Hinter mir eine dreckige durchgelegene Matratze auf einem rostigen Bettgestell, vor mir, in der Nähe zur Tür, ein einfacher Metallstuhl. Ein heruntergekommenes Kellerloch, dort hinein hatten sie mich gesteckt. Doch wer waren sie? Der Ring, dem Harold angehörte, und der vermutlich verantwortlich für den Tod von Raffas Tante war? Oder stand dieser losgelöst von der Organisation, zu der das Miststück gehörte, das mich damals im Büro des Restaurants eiskalt zurückgelassen hatte? Sie hatte schlecht über den Bekannten meines Stiefvaters gesprochen. Andererseits hasste sie die Santori. Was hatten sie mit mir vor? War ich ein Druckmittel? Ließen sie mich frei, wenn sie ihr Ziel erreichten? Wahrscheinlich nicht. Ich wäre nur eine lästige Zeugin. Wieso war ich nicht schon vor Wochen zu Gina gezogen? Warum war ich nur nach Toledo zurückgekehrt? Mutlos ließ ich den Kopf auf die Knie sinken. Sich jetzt noch Gedanken zu machen, war zu spät. Dieses Mal kam ich nicht lebend aus der Sache raus.

„Aufstehen!" Die Tür krachte gegen die Wand. Widerwillig schaute ich auf. Ein Mann im mittleren Alter mit schütterem Haar stand beim Eingang, eine Art Gerte in der Hand. Ich rappelte mich vom Boden auf, ahnend, was mir blühte, wenn ich nicht parierte. „Ausziehen!" Was? Ich riss die Augen weit auf. Das war nicht sein Ernst, oder? Ich starrte den Mann mit offenem Mund an. „Wird's bald?" Er schlug mit der Gerte in seine Hand, sodass es laut klatschte. Ich zuckte zusammen, gehorchte widerwillig. Erst fiel mein Shirt zu Boden, dann rutschte die Hose an meinen Beinen nach unten. „Alles!" Nein, nein, nein. Das durfte nicht sein!

„Bitte nicht", wimmerte ich. Sein unnachgiebiger Blick jagte mir Angst ein. Die letzten Stücke Stoff fielen. Ich verdeckte meinen Körper so gut wie möglich.

„Arme hoch über den Kopf", schnauzte er. „Eine Schönheit bist du ja nicht gerade." Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. Ich verbiss mir einen Kommentar, schon allein, weil die Panik immer mehr Besitz von mir ergriff und mich lähmte. Er trat hinter mich. „Verdammt!" Grob packte er in meine Haare, riss mich herum.

„Lass die Kleine los, Fernando." Eine eisige Frauenstimme, die mir eine Gänsehaut verpasste. Der Mann folge ihrer Aufforderung, stieß mich zu Boden. Ich landete auf allen vieren, biss mir in die Wange. Der metallische Geschmack des Blutes breitete sich aus. Angewidert schluckte ich es runter, blieb mucksmäuschenstill. Der Mistkerl lief an mir vorbei, seine Schritte wurden leiser. War er weg?

„Steh auf, Dakota." Ich kämpfte mich hoch, hob den Blick. Die Schwarzhaarige betrachtete mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Du hast keine Ahnung, wie überrascht ich war, dass die Santori dich am Leben gelassen haben. Scheinst ihnen ja ans Herz gewachsen zu sein."

„Was willst du von mir, Carmen?" Die Frau hatte keine Ahnung, wie sehr ich sie in diesem Moment verabscheute.

„Ich könnte dir eine Schleife umbinden und dich an Harold verschenken. Allerdings steht er nicht so auf beschädigte Ware. Als Handelsware taugst du jedenfalls nicht. Zieh dich an." Beleidigende Worte, die mich wenig berührten. Mein Leben stand auf dem Spiel. Bedroht durch die Frau, der ich für wenige Tage vertraut hatte.

„Du hast mich damals absichtlich dort zurückgelassen." Ich zog mich an, mein Blick schweifte immer wieder zu ihr. Mit einem Schmunzeln schloss sie die Tür, setzte sich auf den Stuhl.

„Ich habe dich ihnen als Ablenkungsmanöver zum Fraß vorgeworfen. Leider hatte der Don von meinem vorherigen Versuch gelernt und kam ich nicht dazu, sie auszuspionieren." Carmen zuckte mit den Schultern. „Man kann halt nicht alles haben."

„Wie nett von dir. Die Behandlung war überaus freundlich, wie du dir vorstellen kannst", erwiderte ich giftig. Keine Ahnung, welcher Teufel mich hier ritt. Womöglich die Gewissheit, dass ich nicht mehr lebend aus der Sache herauskam. „Du schuldest mir ein paar Erklärungen."

„Tue ich das?" Sie schüttelte amüsiert den Kopf. „Du bist dir bewusst, dass ich dich töten muss, wenn ich dir alles erzähle?"

„Ihr bringt mich sowieso um." Ich setzte mich vor das Bett auf den kalten Boden. „Dann kannst du mir vorher wenigstens erklären, was zuvor passiert ist."

„Du meinst das erste Mädchen, das von Harold rechtzeitig abgehauen ist und bei mir Unterschlupf fand? Nun, ich schickte sie wie dich in das Büro. Sie wurde geschnappt. Wenige Tage später fanden wir heraus, dass der Don sie zu Tode gefoltert hatte. Leider lebt unser Informant auch nicht mehr. Wie wäre es, möchtest du dich nicht am Familienoberhaupt der Santori für alles rächen? Er muss dich übel zugerichtet haben."

„Das hat er." Ich schloss die Augen, dachte zurück an die Zeit im Keller. Hätten die Jungs mich nicht dort herausgeholt, ich hätte es nicht mehr lange überlebt. „Ich bin fast gestorben."

„Sein Sohn hat dich befreit, nicht wahr?" Carmen lachte leise. „Habe ich mit dir wenigstens seinen Geschmack getroffen. Er ist genau so ein herzloses Schwein wie sein Vater. Nur auf Macht aus. Gefühle anderer interessieren ihn nicht." Ich blieb still, erwischte mich dabei, wie ich ihr insgeheim recht gab. Eine Träne kämpfte sich zwischen meinen Wimpern hervor, rollte mir über die Wange. „Du kannst dich an ihnen rächen", wisperte sie. Lockend, verheißungsvoll. Wie die Schlange im Paradies.

„Vergiss es", zischte ich. „Du hast mich einmal benutzt. Das passiert kein zweites Mal."

„Ach Dakota, ich möchte doch nur dein Leben retten. Wenn es nach meiner Familie geht, schicken sie dich zurück zu ihnen. In Stücken." Sie betrachtete mich lächelnd. Verdammte Psychopathin. Ich senkte den Blick, ließ die Stirn auf die Knie sinken.

„Das schaffst du sowieso nicht", murmelte ich gegen meine Beine.

„Doch, wenn du bereit bist, uns zu helfen." Der Stuhl scharrte über den Beton. „Denk in Ruhe darüber nach. Du schuldest den Italienern nichts."

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Wer hat erwartet, dass Carmen nochmals auftaucht?

Apropos Carmen, was haltet Ihr denn von ihrem Angebot. Soll Dakota/Lina es annehmen, um ihr Leben zu retten?

Verdammte MafiosiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt