𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏

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Emilia

Ich hatte Angst. Ich hatte Hunger. Und ich hatte keinen Schimmer wo ich war. Mir war kalt und ich schmiegte meine Jacke enger an meinen Oberkörper ran. Meine Augen glitten durch die Umgebung und ich konnte spüren, wie mir ein kalter Schauer über den Rücken fuhr. Mama würde mich umbringen, wenn sie wüsste wo ich gerade war.

Das Berliner Ghetto.

Ich weiß noch nicht einmal, wie ich mich in solch einen Ort reingeraten habe. Das einzige was ich wollte, war ein Buch auszuleihen. Dann entschied ich mich dafür es in der Bibliothek zu lesen und so schnell ging es auch schon. Die Zeit verging wie im Flug und es war bereits nach Mitternacht, als ich das letzte Mal auf die Uhr schaute.

Meine Mutter und ich lebten in einem etwas friedlicherem Viertel Berlins. An einem Ort, wo Drogendealer, Junkies und Pedophile so gut wie non-exist waren. Doch das hier? Sowas kannte ich nicht. Ich habe mich nie getraut ansatzweise einen Fuß hier rein zu setzen.

Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie ich nach Hause kommen sollte. Mama machte sich bestimmt schon große Sorgen und ich kann mir perfekt vorstellen, wie meine Strafe aussehen wird. Es kann nur noch besser werden.

Eine Gruppe minderjähriger Jungs lief an mir vorbei und ich senkte den Kopf, bevor sie die Chance hatten mich zu sehen. Ich konnte ein paar Blicke auf mir spüren und beschleunigte mein Tempo, statt zurückzublicken.

Ich überkreuzte die Straße und bog in den nächsten Block ab. Ich bemerkte, dass die Umgebung komplett leer war und seufzte erleichtert auf. Eine Sorge weniger. Aus dem Nichts ertönte ein schmerzhaftes Schreien und mein Herz setzte aus. Erschrocken zuckte ich zusammen und erstarrte. Was war das? Ich wollte weiterlaufen, doch meine Beine waren wie festgeklebt. Meine Augen glitten zu der Gasse, neben mir, als ein weinerliches Keuchen durch die Straße hallte.

Eine ekelhafte Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus und meine Hände fingen an zu zittern, ohne, dass ich es aufhalten konnte. „Hilfe-", eine männliche Stimme setzte an und wollte schreien, doch wurde unterbrochen, als ein lautes Knallen ertönte. Ein Keuchen entwich meiner staubtrockenen Kehle und ich konnte mich nicht entscheiden.

Was wenn die Person Hilfe braucht?

Was wenn ich die Person wäre und die Leute einfach weitergegangen wären?

Ohne zweimal darüber nachzudenken, was das für Konsequenzen haben könnte, rannte ich in die Gasse rein und stoppte erst, als ich anfing distanzierte Geräusche wahrzunehmen. Vor einer mit Mauersteinen gebauten Wand kam ich zum Halt und versteckte mich hinter ihr, um meinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Ich schloss eine Sekunde lang die Augen und trat dann langsam heraus. Meine Schritte wurden langsamer, als meine Augen auf zwei schwarze Figuren trafen, die nur Meter von mir entfernt waren.

Meine Augen weiteten sich, als ich es bemerkte.

Eine Person lag auf dem Boden, während die andere auf ihn zuschlug. Es war kein leichtes oder harmloses Zuschlagen. Es war brutal. Immer und immer wieder haute er zu. So fest, dass die Laute durch die Gasse hallten. Das Keuchen und Wimmern des Opfers wurde immer leiser und ich wusste, dass wenn der Täter damit nicht gleich aufhören würde, es nicht gut für ihn ausgehen wird.

Mein Instinkt verriet mir, dass es ein jüngerer Mann war. Seine Silhouette war riesig, was man an seinen breiten Schultern erkennen konnte. Die Angst in mir stieg wie auf Knopfdruck.

Was kann ich tun?

Planlos schaute ich mich nach etwas um, dass mir helfen könnte, doch weit und breit war nichts. Aus dem Augenwinkel erkannte ich etwas schimmerndes und ich ging ich einen Schritt zurück, um herauszufinden was es war, doch der dicke Ast, der genau hinter mir lag, versperrte mir den Weg und ich stolperte, bis ich mit einem harten Aufprall auf dem Boden landete. Der Ton hallte durch die dunkle Gasse und mein Kopf schellte in die Richtung der beiden Silhouetten.

Die Faust, des Mannes machte in der Luft Halt und er erstarrte. Sofort rappelte ich mich auf und wich ein paar Schritte zurück.

Oh oh.

Langsam ließ er seine Hand sinken und der Kopf des Opfers rollte nach hinten. Sofort wendete ich den Blick ab und starrte den Riesen an, der quälend langsam aufstand und sich zu mir umdrehte. Ich wollte zurückweichen, doch ich war wie eingefroren. Mit jedem Schritt, den er in meine Richtung setzte, wurde seine Form größer. Mein Herz pochte wie wild und ich fühlte mich so, als hätte ich gerade mein Todesurteil unterschrieben.

Die Straßenlaterne leuchtete auf uns hinab und ich konnte immer mehr erkennen. Das erste worauf sich meine Augen konzentrierten, waren seine langen Beine. Dann kam sein Oberkörper und ich versuchte die Trockenheit meiner Kehle runterschlucken. Er war breiter, als ich dachte. Seine Arme waren das Nächste, dass die Aufmerksamkeit meiner Augen ergatterte.

Und so langsam, als lief es in Zeitlupe ab, schaute ich komplett auf.

Zwei dunkle braune Augen trafen auf meine und blickten mich böse an.

Na toll.

Jetzt hatte ich wirklich ein Problem.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt