𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟑

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Emilia

„Ich habe nichts gesehen", flüsterte ich und schaute zu wie sich seine Arme um mich rum anspannten. „Lüg mich nicht an", sprach er und blickte mich warnend an. „Ich lüge nicht", flüsterte ich und blickte ihn bittend an. „Bitte, lass mich gehen. Ich muss nach Hause. Meine Mutter-", bevor ich den Satz zu Ende bringen konnte, griff er nach meinen Handgelenken und zog mich zu sich. Erschrocken keuchte ich auf und blickte in sein Gesicht, dass nun Zentimeter von meinem entfernt war.

„Halt den Mund", forderte er mich auf und ich senkte den Blick. „Du kommst hier nicht raus bis du es mir gesagt hast", sprach er und ich verlor die erste Träne. „Also sei ein schlaues Mädchen und tu was man dir sagt", knurrte er und entfernte sich wieder von mir. Er ließ seine Hand in seine Hosentasche gleiten und fischte sein Handy raus, bevor er etwas eintippte und mir den Rücken zukehrte. Meine Lippen fingen an zu zittern und ich versuchte den Schluchzer, der sich gerade in meiner Kehle aufbaute, runter zu schlucken.

Der Fremde lief auf das Sofa zu, dass sich im Wohnzimmer befand und ließ sich darauf nieder, bevor seine Augen wieder auf meine trafen. Kalt schaute er mich an und deutete auf den Platz neben sich. Mit so viel Adrenalin in meinem Körper, dass es schon anfing weh zu tun, lief ich langsam auf ihn zu und ließ mich vorsichtig nieder. Ich konnte seinen brennenden Blick auf mir spüren und blickte verängstigt auf. Noch nie in meinem Leben habe ich so faszinierende Augen gesehen. Sie waren unlesbar und ließen dich die Welt um dich rum für eine Sekunde lang vergessen.

„Wie alt bist du?", fragte er mich und ich griff in den Stoff des Sofas rein. „17", flüsterte ich und konzentrierte mich auf seine Hand, die angespannt auf seinem Oberschenkel lag. Eine schwarze Rose und dick gedruckte Buchstaben bedeckten seine leicht gebräunte Haut und ich schaffte es nicht den Blick abzuwenden. Tat sowas nicht weh?

„Und nach was hattest du um so eine Uhrzeit draußen zu suchen?", seine Stimme wurde mit jedem Wort dunkler und ich kämpfte gegen den Drang an wegzuschauen. Ich wollte ihn nicht noch wütender machen. „Ich war auf dem Weg nach Hause", gab ich leise von mir und schaute zu wie sich seine Gesichtszüge etwas entspannten. „Das erklärt immer noch nicht, warum du da warst und es mitangesehen hast", sprach er und presste die Lippen zusammen. Seufzend wendete ich den Blick ab und starrte zu Boden. „Ich war in der Bibliothek und habe nicht auf die Zeit geachtet, bis es zu spät war", erklärte ich. „Ich habe angefangen komische Geräusche zu hören und bin der Richtung gefolgt, aus der sie kamen. Und dann hab ich-", der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken und ich blickte wieder auf.

„Du hast es gesehen", stellte er monoton fest und eine Gänsehaut legte sich auf meine Haut. „Ich werde es niemandem sagen, versprochen", sagte ich und versuchte die Ruhe zu bewahren. Wird er mich umbringen? Wird er mir das gleiche antun, das er dem in der Gasse angetan hat?

Seine Augen formten sich zu leichten Schlitzen und sein Ebenbild wirkte noch einschüchterner als es schon sowieso tat. „Warum sollte ich dir glauben?", fragte er mich und zog eine perfekte Augenbraue nach oben. Ein ergebenes Seufzen entwich meinen trockenen Lippen und ich wusste nicht, was ich darauf antworten soll. Warum sollte er mir vertrauen? Ich kannte ihn nicht und er mich nicht. So einfach war es.

„Du darfst nach Hause", sprach er und mein Kopf schoss hoch. Seine braunen kalten Augen trafen auf meine und ich verlor mich in ihnen. „Was?", piepste ich. „Du darfst nach Hause", wiederholte er und lehnte sich zurück, bevor er nach der Zigarettenschachtel und dem Feuerzeug auf dem Tisch hinter uns, griff. Er holte sich eine Zigarette raus, zündete sie an und führte sie zu seinen Lippen, bevor er einen kräftigen Zug davon nahm. Still schaute ich ihm dabei zu und verstand kein Wort. Einfach so? Keine Bedingungen?

„Sollte ich erfahren, dass du irgendjemandem davon erzählt hast", sprach er und pustete den Rauch langsam aus. „Wird es schlecht für dich ausgehen." Seine Worte setzten mein Herz aus, doch ich ließ mir nichts anmerken. Still nickte ich und ignorierte den fürchterlichen Geruch des Zigarettengeruches der sich langsam in meine Nase bannte. Ich hasste es wenn Leute rauchten.

„Die Nacht bleibst du hier", seine Worte ließen mich stocken. Mit glühenden Wangen schaute ich auf und traf auf seinen undefinierbaren Blick. „Gibt es ein Problem?", fragte er und ich schüttelte sofort den Kopf. „Besser ist es", murmelte er und wendete den Blick ab, um durch das Fenster neben uns nach draußen zu blicken.

Man konnte nicht viel erkennen, außer die vielen noch von Lichtern beleuchteten Häuser, doch es war genug um es atemberaubend aussehen zu lassen. Ich spürte die Müdigkeit in mir aufbrausen und tat mein Bestes, um die Augen offen zu behalten. Ich würde hier nicht schlafen. Ich konnte es nicht.

Er war immer noch ein Fremder.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt