𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟖

7.8K 197 3
                                    

Emilia

Der nächste Tag verlief wie ein Albtraum. Ich war tot müde und so unmotiviert wie noch nie. Die Schulklingel belastete meinen Gehörsinn und mein Magen wollte nicht aufhören solch komische Geräusche von sich zu geben. Die Schulflure waren voll und jeder wurde zur Seite befördert, sobald er im Weg stand. Als ob das alles nicht schlimm genug war, musste ich auch noch auf die letzte Person treffen, die ich im Moment sehen wollte.

Darcy Wingston.

Das mit Abstand hübscheste und beliebteste Mädchen, dass auf unserer Schule existierte. Ich war überrascht, als ich davon erfuhr, dass sie noch nie an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen hatte. Ihre blauen Augen, die zu ihren blonden langen Haaren passten, ließen die Leute baff da stehen. Nein, wortwörtlich.

Es war wie in einem Highschool-Film, der in den Neunzigern gedreht wurde. Jeder schaute ihr hinterher. Jeder wollte mit ihr befreundet sein. Und nicht zu vergessen. Jeder wollte sie sein.

Ich verstand es nie.

Denn im Gegensatz zu ihrem Aussehen, war Darcy's Charakter zum Kotzen. Jeder der sie nur eine Sekunde zu lang anschaute, kassierte einen scharfen Blick und wurde zu Grund und Boden blamiert. Sie machte sich über jede Person lustig, die nicht zu ihrem Geschmack passte und wechselte Jungs wie Unterwäsche aus. Nicht zu vergessen, sie liebte es Leute grundlos fertig zu machen.

Auch hierbei war ich einer von ihnen.

„Ah! Schaut mal her! Sie hat sich tatsächlich mit solchen Klamotten in die Schule getraut." Ihre gehässige zugleich amüsierte Stimme ertönte hinter mir und mein Kopf drehte sich in ihre Richtung.

Da stand sie. Mit diesem wunderschönen Lächeln und den weißen Zähnen, die jeder beneidete. Ihre Freundinnen hinter ihr lachten und ein Grinsen legte sich auf ihre Lippen, während sie ihre mit Spott gefüllten Augen über meinen Körper wandern ließ. Jeder wäre verwundert, denn ich trug nichts ungewöhnliches oder falsches. Doch in Darcy's Augen waren Hosen ohne Löcher in ihnen und Pullovern die bis zum Hosenbund gingen zu „basic".

„Hast du kein Geld oder warum trägst du sowas hässliches?", fragte sie mich und lachte auf, während ihre Freundinnen es ihr gleich machten. Konnte sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich blieb leise und schloss meinen Spind, bevor ich mich umdrehte und einfach davon lief. Hinter mir konnte ich noch Haufen von Beleidigungen und Gelächter hören, doch ich löschte sie aus meinem Gedächtnis so schnell wie sie auch gekommen waren.

Sie war es nicht wert.

Sie alle waren es nicht wert.

Der Rest des Schultages verlief wie üblich. Das alleine sein war etwas, an das ich mich schon seit langem gewöhnt habe, doch ich mochte es. Meine Noten waren gut und ich liebte die Stille. Mehr brachte ich nicht, oder?

Es klingelte zur Ende der Stunde und jeder schoss aus seinem Stuhl raus, bevor sie auf ihre Freunde warteten und den Klassenraum gemeinsam verließen. Ich nahm mir noch Zeit und packte meine Sachen zusammen. Wie immer wurden wieder Haufen von Leute in dem Korridor zur Seite befördert und ich durfte dieses Mal überrascht feststellen, dass ich da nicht dazu gehörte.

Draußen angekommen wehte mir der frische Wind sanft entgegen und brachte eine leichte Gänsehaut auf meine Haut. Im Hintergrund waren die lauten Autos und Motorräder zu hören und ein erleichtertes Seufzen entwich meinen staubtrockenen Lippen.

Endlich.

~

Ich machte die Tür auf und trat ein bevor sie hinter mir ins Schloss fiel. „Mum?", rief ich doch niemand antwortete. Ich krauste verwirrt die Stirn und entledigte mich von meiner Jacke und meinen Schuhen, bevor ich meinen Rucksack achtlos auf den Boden fallen ließ. Die Küche war leer und ein gefüllter Topf voll Nudeln stand auf dem Herd. Mein Handy blinkte auf und ich fischte es heraus, bevor ich mir die Nachricht durchlas.

Noch auf der Arbeit. Iss schonmal und mache deine Hausaufgaben. -Mama

Oh. Ich ließ den Kopf nach hinten fallen, bevor ich ins Bad ging und mich fertig machte. Nachdem ich meine Hausaufgaben erledigt habe, machte ich mir eine Teller Nudeln voll und setzte mich hin. Angespannte Stille folgte und ich fing an zu essen.

Liebte ich die Stille immer noch? Ich kannte die Antwort auf diese Frage nicht. Die laute Welt hatte so einige Risiken an sich, doch die ruhige? Da kann nichts passieren. Es wird nichts passieren. Doch mit der Zeit da...da wird es ein wenig einsam. Und da stelle ich mir selbst die Frage. Würde ich lieber zu der lauten Welt wechseln? Die Risiken eingehen? Mein Leben leben? Mein Kopf war kurz vorm platzen.

Als ich fertig war, legte ich die Schüssel in der Spüle ab und wollte auf mein Zimmer gehen, bis es plötzlich klingelte und ich inne hielt. Mama wollte doch erst etwas später zu Hause sein? Wer war das? Mit einem mulmigem Bauchgefühl ging ich auf die Tür zu und legte meine Hand auf das dicke Holz ab. „Wer ist da?", rief ich doch niemand antwortete. Nur tote Stille. Obwohl ich wusste, dass es falsch war, machte ich die Tür auf und versuchte mein inneren Kampf zu ignorieren.

Meine Augen weiteten sich sobald ich erkennen konnte, wer da vor mir stand. Blut tropfte auf den Boden und mein Blick glitt hinunter, bevor sich mein Magen umdrehte.

Silvan?

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt