𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟗

6K 144 3
                                    

Emilia

Er erzählte mir alles.

Wort für Wort. Satz für Satz und Verbindung für Verbindung. Er sprach von Roberto und den Leuten die neben Silvan auch für ihn arbeiteten. Er meinte, dass dieser Mann den Jungs angeordnet hat, mich zu ihm zu bringen und er klärte mich auf.

Die ganze Zeit hatte er nicht die Augen von mir genommen. Eine Sekunde lang dachte ich sogar er hätte Angst. Angst vor meiner Reaktion. Doch ich war ihm nicht böse. Noch fürchtete ich ihn. Er konnte die kalte Maske aufsetzen, wann immer er auch wollte, doch meine Perspektive würde sich nicht ändern. Ich sah durch ihn durch. Und irgendetwas in meinem Inneren sagte mir, dass es ihn erleichterte.

Er hatte sich inzwischen wieder hingesetzt. Seine Augen bohrten sich in meine und ich schaffte es nicht wegzuschauen. Er hatte so schöne Augen. Hatte man ihm das jemals gesagt? Manche Leute würden diese Aussage kitschig finden, doch ich machte mir nichts daraus. Meiner Meinung nach, sind solche Worte wichtig. Die Leute sollten wissen, was man von ihnen denkt. Sonst entstehen Probleme. Missverständnisse. Unnötige Fehler.

Ich schaute immer noch nicht weg. Sein Kiefer spannte sich an und seine Finger fingen an zu zuckten. Machte ihn das etwas wütend?

„Starrst du Leute immer so an?", fragte er mich und blickte mich genervt an. Planlos zuckte ich mit den Schultern. „Du starrst doch zurück", antwortete ich ihm leise. Er schnaubte und zog eine Augenbraue nach oben, bevor er sich vorlehnte und seine Ellenbogen auf seine Knie ablegte. Er machte den Mund auf und war gerade dabei was zu sagen, doch sein Telefon unterbrach seinen Versuch.

Er spannte nochmal den Kiefer an und griff nach seinem Handy, dass auf dem Tisch zwischen und lag. Stumm blickte er auf den leuchteten Bildschirm runter und machte keine Ansichten den Anruf anzunehmen. „Silvan?", fragte ich ihn und sein Kopf schellte hoch. „Was ist los?", meine Frage war sinnlos. Wir beide wussten, wer es war. Die Jungs mussten bemerkt haben, dass er sich nicht an den Plan gehalten hat.

Er schüttelte mit dem Kopf und lehnte den Anruf ab, bevor er sich erhob und auf die Küche zuging. Es wurde still und ich konnte nur verwirrt da sitzen und mich fragen, was er denn vorhatte. Plötzlich ertönte ein lautes Knallen durch das Haus und ich sprang auf. Eilig rannte ich in die Küche und hielt mitten in der Bewegung inne, als ich das Geschehen vor mir ausmachte.

Silvans Handy lag in zwei Teilen auf dem Boden. Der Hammer in seiner Hand ließ meine Befürchtung war werden und meine Lippen spalteten sich, doch ich schaffte es nicht ein einziges Wort rauszubekommen. Im Gegensatz zu mir, sah Silvan komplett ruhig aus. Die Anspannung hatte seinen Körper verlassen und er schien beinahe beruhigt.

Ich fand meine Stimme wieder.

„Wieso?", fragte ich ihn leise. Wie sollen wir jetzt Hilfe bekommen? Einen Weg raus finden? „Sie können mithilfe meines Handy unseren Standort herausfinden", erklärte er und blickte auf um meinen Blick zu erwidern. „Sei dankbar", mit diesen Worten stellte er den Hammer auf den Küchentisch ab und lief wortlos an mit vorbei, um mich mit großen Augen stehen zu lassen.

~

Die Zeit verfolg wie im Flug. Ehe ich mich versehen konnte, war es auch schon Abend.

Das heißte, dass wir aufbrechen mussten.

Silvan hatte wieder seine Maske aufgesetzt und er wollte, dass ich mir einen Pferdeschwanz machte. Seine Antwort auf meine Frage war knapp und kühl. Tarnung.

Ich kam mir vor wie in einem Action Film.

Gerade war er dabei ein paar Sachen in eine schwarze Tasche zu packen. Ich sagte nichts und schaute ihn einfach still zu, während mein Kopf nicht aufhören konnte, nachzudenken. Ich hatte so viele Fragen.

Er nahm seine Waffe, die an seinem Hosenbund befestigt war und legte sie auch in die Tasche rein, bevor er den Reißverschluss zumachte und sich zu mir drehte. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und schluckte. Silvan ließ seine Augen eine Sekunde lang über meinen Körper gleiten, bevor er auf mich zulief und vor mir stehen blieb.

„Frag", sagte er knapp und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Meine Augen weiteten sich etwas. Er konnte jemanden wirklich einschüchtern. Das Traurige ist, dass ich denke, dass er das nicht einmal realisiert. Trainierte er?

"Emilia", seine Stimme brachte mich aus den Gedanken und ich blickte erschrocken auf. Seine dunklen Augen trafen auf meine und ich spürte wie sich meine wieder weiteten. Habe ich ihn gerade wirklich angestarrt? Und das auch noch während er auf meine Antwort gewartet hat? Ich räusperte mich und versuchte die Anspannung auf meinen Schultern auszurollen. "Wem-wem gehört das Haus?", stellte ich ihm die Frage, die mich schon die ganze Zeit interessierte. Besaß er etwas zwei? Und womit verdiente er überhaupt sein Gelt? Bezahlte Roberto ihn etwas für seine Arbeit? Oder hatte er einen Job, von dem ich noch nichts wusste?

"Gehörte unserer Familie", antwortete er und ließ seine Arme wieder zurück zu seinen Seiten fallen. "Bevor meine Mutter gestorben ist."

Oh.

"Das tut mir leid. Ich wusste nicht-das wollte ich nicht-ich meine-oh Gott", stotterte ich und er hob eine Hand, die mich verstummen ließ. "Beruhig dich. Alles gut", sagte er und ich schaffte es den kleinsten Schimmer Belustigung in seinen Augen zu erkennen.

Ich schüttelte den Kopf und setzte für ein neues Wort an, doch wurde von dem Klingen meines Handys unterbrochen. Ich zuckte zusammen und holte es heraus, bevor ich erschrocken die Augen aufriss.

Mama.

"Antworte nicht", sagte er und kam einen Schritt auf mich zu. Ich habe mir aber große Sorgen über sie gemacht. Was wenn sie ihr was antaten? Aber Silvan beruhigte mich wieder. Er meinte, dass sie es nicht auf sie abgesehen haben, weswegen ihr nichts passieren kann. Erleichterung wäre eine Untertreibung.

Ich ignorierte den Anruf an, bevor ich das Handy auf stumm schaltete und in meine Hosentasche reinsteckte.

Silvans wissende Augen trafen auf meine und ich seufzte auf.

Ein Problem verschwindet. Ein neues taucht auf.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt