𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟔

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Silvan

Roberto liebte es mit einem zu spielen. Er war ein Meister der Manipulation und wurde sehr schnell aggressiv. Du erfüllst eine Erwartung nicht? Du setzt dich durch? Machst auf stark? Deine Innereien werden keine fünf Minuten später an den Wänden kleben. Kein Bluff. Und keine Warnung. Entweder du tust das was man dir sagt oder akzeptierst die Folgen deiner Taten.

Keiner widersprach. Jeder erfüllte seine Erwartungen.

Das Leben war nicht fair und wird es auch nie sein. Heulen und betteln brachte einem nichts.

Sobald Roberto die Besprechung beendete, verschwendete ich keine weitere Sekunde und verließ das stickige Büro. Die anderen folgten mir raus und gingen dann ihre eigenen Wege. Sie redeten nicht miteinander. Alle waren fertig. Morgen ging es weiter. Wie es aussieht gab es Ratten. Leute die zu Sergio gehörten. Sie suchten wahrscheinlich nach Informationen.

Mein Kopf schüttelte sich wie von selbst. Sie würden es da nicht lebend rausschaffen.

Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich eine sehr bekannte Gestalt erkennen konnte, die durchnässt durch den Regen lief. Ich hielt den Wagen an, kurbelte das Fenster runter und schaute zu wie ihr Blick meinen traf. Selbst im Regen konnte ich die helle Farbe ihrer Augen erkennen.

Warum musste sie auch so verdammt hübsch sein?

Ein Blick auf den Rucksack, und die Verwirrung verschwand. Sie musste von der Schule gekommen sein.

Nach ein paar Drohungen stieg sie endlich ein und schloss die Tür leise hinter sich. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und ich machte die Autoheizung an. Ihre Schultern sackten ein und ich fuhr los, während ich ihren brennenden Blick auf mir spürte. Sie war ein sehr offensichtliches Mädchen. Naiv dazu auch noch.

Wir kamen an einer roten Ampel an und ich ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Schon wieder saß sie da. Neben mir. In meiner Nähe. Da wo sie eigentlich gar nicht sein sollte. Sie schaffte es trotzdem sich in Gefahr zu bringen. Ihre Klamotten klebten förmlich an ihren Körper. Wie viele Jungs haben sie angestarrt? Wie viele hätten sie anfassen können, wäre sie in die falsche Richtung abgebogen-

Ich spannte den Kiefer an. Was interessiert's mich?

Sie sollte aussteigen. Sie sollte rennen. Flüchten. Doch sie tat es nicht. Sie saß einfach da und blickte mich mit großen neugierigen Augen an, die ich meiden musste, um ihnen nicht zu verfallen. Sie war gefährlich. So unschuldig, doch gleichzeitig so verdammt gefährlich.

Vor ihrer Tür angekommen stieg sie mit einem leisen Danke aus. Ich fuhr erst wieder los als sie drinnen war.

Komisches Mädchen.

~

„Ich sag's dir. Mit dem stimmt irgendetwas nicht."

„Was der wohl von uns will?"

„Irgendjemand von euch hat heftig Scheiße gebaut."

„Bruder, was soll ich-"

„Haltet den Mund", unterbrach ich alle drei Jungs und blickte sie warnend an. Gerade saßen ich, Miguel, Malik und Elias vor Robertos Büro. Rafael rief uns an und meinte, dass er mit uns sprechen will. Den Grund nannte er nicht.

Jetzt saß ich hier. Mit drei Idioten, die nicht die Fresse halten konnten. Elias Blick brannte ein Loch in meinen Kopf, während die anderen sich bereits abgewendet haben. Ich wusste, an was er dachte. Er denkt Roberto hat es herausgefunden. Er denkt, dass er von dem Mädchen weiß.

Emilia.

Ihre Augen kamen in mein Blickfeld und ich schüttelte den Kopf, bevor meine Gedanken die Chance hatten, mich abzulenken. Die Tür wurde geöffnet und wir alle schauten auf. Rafael blickte uns stumm an und zog die Lippen zu einem geraden Strich. Etwas stimmte nicht. Und ich wusste, dass ich nicht der einzige war, der es bemerkte.

Einer nach dem anderen betrat das Büro und Rafael schloss die Tür hinter uns. Keiner sprach. Keiner bewegte sich ansatzweise. Da saß er. Mit seinem ruhigen Blick, den er über jeden einzelnen von uns gleiten ließ. Seine Waffe lag vor ihm auf seinem Schreibtisch und ich schaffte es nicht wegzuschauen. Was wollte er von uns?

„Ich habe einen Auftrag für euch", seine Worte lösten ein schlechtes Gefühl in mir aus. Was für ein Auftrag? „Ihr werdet mir ein Mädchen bringen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie etwas gesehen hat." Seine Augen trafen meine und ich fühlte mich so, als hätte mir jemand einen kräftigen Tritt von innen verpasst. „Die Quelle ist anonym und ich habe versprochen keinerlei Informationen oder Daten dieser Person preiszugeben." Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser und sein Blick war nun so intensiv, dass man glaubte, er blicke mir in die Seele. Alle Augenpaare lagen nun auf uns und ich musste nicht in Elias Richtung zu schauen um festzustellen, dass der Bastard am grinsen war.

Roberto schob eine Mappe hervor und deutete uns an näherzutreten. Mein Magen drehte sich um, als ich erkennen konnte was da überhaupt vor mir lag. Ein Bild. Von ihr. Emilia. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich spürte, wie das Adrenalin in mir anfing zu pumpen.

„Hübsch", sagte Elias und duckte sich etwas runter, um sich einen klareren Ausblick zu erschaffen. Ein Schnauben entwich meinen Lippen und ich spürte wie sich ein Gefühl in mir ausbreitete, dass mir fremd war. War das Eifersucht? Wut? Alle Köpfe schellten in meine Richtung und Robertos Augen formten sich zu Schlitzen. Er entließ die Jungs und deutete mir an mich zu setzen, bevor er sich vor mir nieder ließ.

Die Kälte seiner Augen sagte mir alles, was ich wissen wollte. Er wusste es.

„Ich dachte ich könnte dir vertrauen, Silvan", sagte er und lehnte sich vor. Der bekannte Geruch von Bier benebelte meine Sinne und ich presste die Zähne zusammen. Er schüttelte den Kopf und blickte mich spöttisch an. „Frauen sind gefährlich, Junge. Sei vorsichtig. Sie alle sind Schlampen", seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. „Deine Mutter war eine davon."

Das gab mir den Rest.

Ich schoss so schnell hoch, dass er nicht die Chance hatte zu reagieren und verpasste ihm eine. Ein Knacksen folgte und er fiel stöhnend von seinem Stuhl. Seine Hand fand seine Nase und ich kämpfte gegen den Drang an ihm eine weitere zu verpassen. Das Blut lief ihm wortwörtlich wie ein Wasserfall die Fresse runter.

Seine Mundwinkel zuckten nach unten und er fixierte mich mit einem scharfen Blick. „Du kannst von Glück sprechen, dass ich jetzt keine Zeit habe mich darum zu kümmern", sprach er und spuckte auf den Boden. Die Stelle war jetzt schon angeschwollen. Das wird eine Wunde geben. „Geh. Die Jungs warten schon. Morgen will ich sie hier haben" er entließ mich mit einer schwachen Bewegung seiner Hand, bevor er sich brummend erhob und hinsetzte. Ich war überrascht, dass er nach dieser Aktion nichts einzuwenden hatte.

Ich schluckte meinen Stolz runter und drehte mich um, doch seine Worte stoppten mich.

„Ach und Silvan?" Ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Das hier ist deine letzte Chance."

Ich verschwand. Ich lief weg. Raus aus diesem Büro. Raus aus diesem Ort. Weg von diesem Mann.

Sie warteten auf mich.

Es war Zeit.

Ich musste wieder zum Monster werden.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt