𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟔𝟓

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Emilia

Ein zittriges Seufzen entwich meinen Lippen und ich blickte runter auf meine Hände. Es ist schon zwei Stunden her, seitdem ich wieder zu Hause war und keine Sekunde vergeht, in der meine Schuldgefühle mich nicht auffraßen.

Mama reagierte schlimm, als sie mich sah. Ihre Augen waren weit. Rot. Und tränengefüllt. Sie fing sofort an zu weinen und warf sich in meine Arme. Sie schluchzte und schrie.

„Wo warst du?"

„Geht es dir gut?"

„Was ist passiert?"

„Warum hast du mich verlassen?"

Ich habe beinahe vergessen, dass Mama niemand anderes hatte, außer mich.

Sie zwang mich in die Wohnung und wollte alles wissen. Alles. Und ich wollte ihr alles geben.

Aber ich konnte es nicht.

Ihre Augen brannten Löcher in meinen Kopf und es fiel mir immer schwerer den Blick gesenkt zu halten. Besonders mit ihrer Hand, die sanft, dennoch fest meine umgriff.

„Emilia, Schatz?", fragte sie und legte ihre andere Hand auf meine Wange, um mich dazu zu bringen aufzuschauen. Die Wärme ihrer Haut war immer noch da. „Was ist passiert? Bitte sag es mir. Alle haben nach dir gesucht, aber du warst nirgends zu finden." Ihre Stimme wurde immer leiser, bis sie anfing zu beben. Sobald ich bemerkte, dass ihre Augen wieder anfingen zu tränen, wendete ich den Blick ab.

Mama hatte in der Zeit, in der ich verschwunden war, die Polizei verständigt. Diese hatte überall gesucht, jedoch nichts gefunden. Mama dachte, mir sei was zugestoßen. Wie auch nicht?

Sie sagte mir nicht viel, aber das war auch nicht nötig. Ich sah die Zerstörung in ihren Augen. Sie hatte sich in der Zeit, als ich weg war, krank gemacht. Sie dachte, ihre Tochter würde nicht zurückkommen.

Eine dicke Träne rollte mir die Wange runter und ich schniefte mit einem dröhnenden Kopf auf. Was habe ich nur angestellt? Wie konnte ich ihr das antun? Der einzigen Person, die nie von meiner Seite wich? Warum habe ich nicht klarer gedacht?

„Emilia", flüsterte sie leise und strich mir die Träne weg, bevor sie sich vorlehnte und einen festen Kuss auf meiner Wange platzierte. Wie auf Knopfdruck weinte ich stärker. „Bitte mein Schatz. Sag mir wo du warst."

Zögerlich blickte ich zu ihr auf. Wie soll ich das denn machen?

„Fang an mit was auch immer du willst", sprach sie leise und drückte meinen Kopf vorsichtig auf ihre Schulter, bevor sie mit ihrer Hand durch meine Haare fuhr.

Ich habe das Gefühl vermisst.

„Versprichst du mir, dass du nicht sauer sein wirst?", fragte ich sie und blickte runter auf den grauen Teppich.

Ich konnte spüren wie sie nickte.

„Versprochen."

~

Mama war leise, nachdem ich ihr alles erzählt hatte. Ich wusste nicht, ob es etwas gutes oder schlechtes war. Schließlich habe ich, seitdem ich angefangen habe zu sprechen, nicht aufgeschaut. Ich hatte Angst vor dem, dass ich ihren Augen sehen könnte.

Schluckend löste ich mich von ihr und setzte mich wieder gerade hin. Ich suchte nach ihrem Blick und spürte wie sich meine Brust panisch zusammenzog, als ich sehen konnte, wie sie stumm zu Boden schaute. Mit so viel Enttäuschung und Benommenheit, dass es mein Herz zum Brennen brachte.

„Mama?", sprach ich flüsternd und schaute zu, wie sie anfing mit dem Kopf zu schütteln. „Bist du sauer?"

„Sauer?", fragte sie mich leise und blickte mit gekräuselter Stirn auf. „Weißt du eigentlich in was für einer Situation du steckst?"

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt