𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟒

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Emilia

Ich hasse Albträume. Meine Meinung hatte sich nie geändert. Sie verfolgen dich überallhin. Manchmal verbleiben sie in deinen Erinnerungen und manchmal da verschwinden sie so schnell wie sie auch gekommen sind. Bei mir jedoch gibt es dieses eine Problem. Meine Albträume brennen sich in mein Gedächtnis ein. Ich weiß nicht, ob ich jemals Träume hatte, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte. Aber eins steht fest. Ich könnte eine Liste aus allen machen, die mich bis heute um den Verstand bringen.

Als Papa starb, weinte ich sehr oft. Mama weinte auch. Nur nicht mit mir. Vor mir machte sie immer auf stark und hielt mir eine Schulter zum ausweinen hin. Sie strich mit ihren warmen Händen über meine roten nassen Wangen und sagte mir, dass alles wieder gut sein wird. Sie versprach es mir. Und ich glaubte es. Doch dann kamen die Nächte und meine Perspektiven änderten sich wie auf Knopfdruck. Ich hörte ihr Weinen. Ihr Schluchzen. Sogar ihr Wimmern.

Mama liebte Papa sehr. Er war ihr Stein. Der, an den sie sich immer festhalten konnte, wenn es mal etwas rutschiger wurde. So etwas zu verlieren ist nicht leicht. Niemand hat das jemals behauptet. Ich wünschte nur, dass ich es nicht verstanden hätte. Ein achtjähriges Mädchen sollte sowas auch nicht verstehen.

Ich verbrachte meine ganze Kindheit damit mir seinen Tot vorzustellen. Ich stellte mir seine Angst vor, die er gefühlt haben musste, während des Unfalls. Seine Verzweiflung.

Sein Schreien.

So entstand dann der erste Albtraum, der sich in mein Hirn einbrannte.

Die Morgen danach waren auch nicht wirklich besser. Ich kriegte immer unausstehlich schlimme Kopfschmerzen. Mein Körper würde brennen und ich musste schnell genug aufstehen, damit meine Mageninnereien nicht auf mein Bett landen konnten.

Gestern Nacht hatte ich den selben Albraum.

Doch der Morgen danach verlief anders als erwartet. Statt irgendeine enorme Hitze aushalten zu müssen, spürte ich nur angenehme Wärme. Meine Kehle brannte nicht und mein Magen war so ruhig wie noch nie. Etwas heißes prallte auf meinem Nacken ab und bescherte mir eine angenehme Gänsehaut. Ich spürte zwei Arme, die um meine Taille gewickelt waren und versuchte mein pochendes Herz zu ignorieren. Ich wusste wer hinter mir lag.

Sein wundervoller Duft verwöhnte meine Sinne und ich lehnte mich automatisch mehr in seine Berührung rein. Langsam öffnete ich die Augen und musste ein paar mal blinzeln um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Ohne ihn aufzuwecken, drehte ich mich langsam um und kam zu Gesicht mit einem schlafenden Silvan.

Seine Gesichtszüge waren nicht angespannt. Sie waren auch nicht hart oder kalt. Sie waren entspannt. Als könnte kein Problem dieser Welt ihm seine Ruhe nehmen. Seine langen Wimpern bedeckten die oberste Schicht seiner Wangen und sein dunkles Haar lag auf seiner Stirn. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und strich sie ihm weg. Ich hörte hierbei jedoch noch nicht auf. Mein Daumen fuhr seine Wange entlang runter Richtung seines Kinns.

Seine Haut war so sanft wie Seide. Erst dann bemerkte ich die kleine Narbe die durch seine Augenbraue ging. Wie sie wohl entstanden ist?

Langsam ließ ich meinen Daumen tiefer gleiten und blieb bei seinen vollen Lippen stehen. Wie sie sich wohl auf meinen anfühlen würden? Ohne, dass ich was dagegen tun konnte, wanderten meine Augen über jedes Detail seines perfekt definierten Gesichtes und ich seufzte auf. Damals hatte ich Angst vor ihm. Doch jetzt?

Jetzt spürte ich nichts anderes als Sicherheit in seiner Nähe.

Die Chance, dass ich jedoch reingelegt werde, bleibt immer noch bestehen. Meine Naivität würde immer Teil von mir bleiben, weswegen diese ganze Sache hier ein riskantes Spiel ist. Ich vertraute jemandem, der mir nicht einmal seine wahre Seite zeigen konnte. Sein wahres Gesicht. Seine Gefühle und seine Gedanken. Wer weiß was in diesem Jungen vorgeht? Hat er schlechte Absichten oder eher gute?

Mein Verstand und mein Herz waren immer dafür bekannt sich gegeneinander zu wenden. Doch diesmal passierte etwas, dass ich mir hätte niemals vorstellen können. Sie stehen auf der gleichen Seite und stimmen einander zu. Mein Herz sagt mir, dass Silvan zu etwas Bösem nicht in der Lage wäre, dank seiner grausamen Vergangenheit. Es will es nicht wahrhaben, dass er sich jemals ändern würde.

Und mein Verstand?

Dieser sieht es nicht anders.

Es plagen mich noch nicht einmal Zweifel. Keine Sorgen und kein Stress. Keine Unruhe, im Fall, er würde mich ausliefern. Ich vertraute ihm. Ohne Punkt und Komma. Und das machte mir Angst. Sogar sehr Angst.

Eine kleine Bewegung seinerseits ließ mich aufschrecken. Verblüfft schossen meine Augen zurück zu ihm und weiteten sich überrascht, als sie auf seine trafen. Kein Hauch von Müdigkeit war zu sehen. Pure Wachsamkeit und Aufmerksamkeit. Er blickte mir stumm in die Augen und machte keine Ansichten, seine Arme von meiner Taille zu entfernen. Genauso wie ich mir die Mühe ersparte, meine Hände von seinem Gesicht zu nehmen.

Ohne zu realisieren, was ich da tat, fing ich an Kreise auf seine Haut zu malen. Der kleinste Muskel in seinem Kiefer regte sich doch er verblieb da wo er war.

Neben mir. Da wo er eigentlich nicht sein sollte.

Wieso müssen sich die falschen Dinge immer so richtig anfühlen?

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt