𝐄𝐩𝐢𝐥𝐨𝐠

4.9K 131 54
                                    

Silvan

Sie immer um mich rum zu haben, war schöner als ich dachte. Es tat gut, irgendwie. Ich kannte nie die Bedeutung von Liebe, bis ich auf sie traf. Sie hat mir gezeigt, dass es noch Hoffnung in dieser dunklen Welt gibt. In meiner dunklen Welt. Sie hat mir beigebracht wie man lacht. Sie hat mir beigebracht wie man mit Problemen umgeht und das ohne Gewalt. Sogar das Kochen. Immer und immer wieder brachte sie mir etwas Neues bei und das ohne einen einzelnen Finger zu rühren. Es geschieht wie automatisch. Sie muss mich nur in ihren Armen halten und mit mir reden. Mehr braucht es nicht.

Alles ist so einfach mit ihr.

Es fühlt sich schön an zu wissen, dass es eine Person auf dieser Welt gibt, die sich um dich sorgt und dich so liebt wie du bist. Ohne, dass ich ihr etwas vorspielen muss. Ohne, dass ich meine Maske aufsetzen muss.

Sie hat mich schon so oft gesehen.

Wütend.

Traurig.

Verzweifelt.

Kalt.

Leer.

Und jedes Mal ist sie geblieben und das obwohl ich erwartet hatte, dass sie das nicht lange mitmachen würde.

Sie war wie Wasser in einer Wüste. Wie Himmel ohne Wolken. Einfach nur perfekt. Ich denke, dass sie das nicht einmal realisiert.

Ihre Art macht mich verrückt. Ihr großer Mund und ihre Sehnsucht nach dem Finden der richtigen Worte. Alles an ihr.

Ich wüsste nicht, wieso ich noch einen Grund hätte zu bleiben, wäre sie nicht.

Ich bereue sie nicht.

Ich dachte zwar immer, dass mich das ganze schwach machen würde, doch ich lag falsch.

Es macht mich stark.

Sie macht mich stark.

Unser Zusammentreffen mag Schicksal gewesen sein, ja. Aber das Auseinandergehen genauso.

Emilia war kein Fehler. Ich war auch keiner.

Die Umstände waren es.

Sie waren schuld daran, dass unsere Geschichte zu Ende gehen muss. Schuld daran, dass dieses Leben nicht für uns gemacht war.

Ich hasste Erinnerungen bis ich auf die traf. Ich hasste Erinnerungen bis sie selbst zu einer wurde.

Der Gedanke daran sie zu vergessen klang absurd. Ich denke, dass ich dies auch nicht schaffen würde.

Ich kann mich nicht dazu bringen, sie zu vergessen. Ich will es nicht. Selbst wenn mich dieser Schmerz umbringen wird. Ich kann es nicht.

Sie hat mir lieben beigebracht.

Sie hat meinem grauen Leben Farbe geschenkt.

Flashback:

„Klar, es gibt auch echt blöde Dinge, an die man sich lieber nicht erinnern möchte, aber trotzdem. Erinnerungen sind gut. Ja, ich meide sie auch oft, doch mein Kopf lässt es nicht zu. Sie kommen immer wieder zurück. An manchen Tagen machen sie mich kaputt und verwirren mich. Doch an den anderen? Da lerne ich aus ihnen. Ich bemerke, wie sehr sich manche Dinge ins Positive gebessert haben. Ich fange an zu lächeln, selbst wenn ich etwas verloren habe, weil ich weiß, dass ich dieses bestimmte etwas früher erleben durfte. Manche Leute haben diesen Luxus nicht. Es ist verrückt aber es macht Sinn. Weißt du was ich meine? Wir Menschen haben Komplexe. So einfach ist es. Wir hassen es uns an Dinge zu erinnern, die wir verloren haben, weil es uns verletzt, doch heulen rum, wenn wir keine mehr haben. Ich persönlich bin einer dieser Menschen. Ich hasse sie, gleichzeitig könnte ich nicht ohne sie. Es kommt darauf an, um welche es geht und welche Menschen in diesen Erinnerungen stecken, verstehst du? ", schwafelte sie und lachte leicht am Ende.

Ich konnte nicht wegschauen. Auch als sich ihr Kopf in meine Richtung drehte.

„Du redest zu viel", sagte ich nur.

Flashback Ende

Ich liebte ihren großen Mund. Ich tat zwar oft so, als würde es mich nerven, dass sie so viel redete, dabei genoss ich es jedes Mal aufs Neue.

Ich genoss wie es still und ruhig es in mir wurde, sobald ihre sanfte Stimme ertönte.

Wie alles wieder in Ordnung war.

Emilia war kein Fehler. Sie wird nie ein Fehler sein.

Sie war eine Lektion.

Sie lehrte mich.

Ich war nicht gut für sie. Ich würde ihr nie das geben können was sie brauchte.

Ich liebte sie.

So wie ich noch nie jemanden zuvor geliebt habe.

Ich kann ihr das nicht antun.

Ich werde es ihr nicht antun.

Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als jemand mit voller Wucht gegen das Gitter haute. Mit einem gespannten Kiefer blickte ich auf.

Die strengen Augen des Beamten trafen auf meine und er nickte mir zu.

„Pause."

~

Der Hof war voll.

Die eine Ecke unterschied sich von der nächsten. Überall kalte Blicke.

Man sah den Häftlingen an, welcher neu war und welcher sich hier schon auskannte. Die Unsicherheit, die ihnen ins Gesicht geschrieben war, verriet sie.

Mit einem Blick, der starr nach vorne gerichtet war, erlaubte ich mir selbst mich zu bewegen und lief langsam auf eine Bank zu, die sich ganz am Ende des Hofes befand. Ein müdes Seufzen entwich meinen Lippen, als ich mich niederließ und ich blickte langsam runter auf meine Faust. Vorsichtig öffnete ich sie und faltete das zusammengekaute Bild auf.

Bevor Rafael und die anderen das Land verließen, besuchten sie mich zum ersten und letzten Mal. Ich bat sie um einen Gefallen.

Es war nichts großes.

Mein Mundwinkel zuckte als ich das Bild so musterte.

Ihr Lächeln würde mich noch umbringen.

Mein Griff um das Bild wurde fester als ich spürte, wie sich jemand neben mich setzte.

Ich war gerade dabei es wieder zusammenzuknüllen und zu verstecken, da wurde es mir aus der Hand gerissen.

„Hübsch. Deine Freundin?"

Ich spannte den Kiefer an bei der Stimme und blickte langsam auf. Seine Augen waren so vertraut.

Ich hasste es.

Denn Mama schaute nun auf uns zwei runter.

„Silvan."

Papa."

ENDE

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt