𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟐

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Silvan

Wie benommen starrte ich die Wand an. Was verdammt nochmal habe ich mir gedacht? Wieso sie? Wieso war sie das erste, an das ich dachte, als ich abgestochen wurde? Ich war betrunken und ich war verwirrt. Der Bastard kam von der Seite und ich war unvorbereitet. Verstanden. Aber wieso musste ich zu ihr gehen? Ich hatte sie genau das gefragt und sie gab mir eine Antwort. Doch es war nicht das was ich erhofft habe zu hören.

Ich würde viel lieber hören, wieso ich auf die Idee kam, genau sie um Hilfe zu fragen. Ich bin mir immer noch nicht einmal sicher, ob diese Frage wirklich aus meinem Mund kam, als ich vor ihrer Tür ankam, denn die Hälfte der Geschichte war schwarz.

Sie hatte mich einfach reingelassen.

Sie hatte mir geholfen. Mir etwas zu essen gegeben. Einen Platz zum Schlafen angeboten und sich um die Wunde gekümmert. Ich wusste nicht, dass solche Menschen noch existierten. Ich dachte sie wären ausgestorben. Ihr Herz würde sie eines Tages in große Schwierigkeiten bringen. Da war ich mir sicher. Gut zu sein in dieser Welt war ein Fehler. So ein verdammt großer Fehler.

Du wirst ausgenutzt. Du wirst verarscht. Und du wirst manipuliert. Sag mir, was genau daran soll gut sein?

Dieses Mädchen hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Statt vor mir zu flüchten und sich fern von mir zu halten, läuft sie geradeaus direkt in meine Hände rein. Und das ist schlecht. Sehr sehr schlecht und gefährlich. Denn es hinterlässt Schäden. Bei uns beiden.

„Silvan? Junge? Wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?", Robertos Stimme riss mich aus den Gedanken und ich schaute auf um auf seine grünen Augen zu treffen. Sie ähnelten die einer Schlange. Wirklich passend. Seine Lippen waren zu einem geraden Strich gezogen, während sein rechter Mundwinkel spöttisch zuckte. Er wollte etwas. Etwas, dass mir nicht gefallen würde.

„Wir haben den kleinen, der versucht hat hier rumzuschnüffeln. Er gehört zu Sergio." Seine Worte sanken ein und ich setzte mich etwas gerader hin. Sergio. Der Anführer unserer Konkurrenz. Alas der Mann der den Tod meiner Mutter geplant und angeordnet hatte. Der Mann der vielen anderen und dem Jungen, den ich letztens noch in der dreckigen Gasse verprügelt habe, Befehle erteilt.

Er nickte in die Richtung der Tür und sah mich auffordernd an. „Du wirst dich um den Hund kümmern, verstanden?", sprach er und holte die Waffe raus, bevor er sie mir hinhielt. „Die lag im Trainingsraum." Er runzelte die Stirn und sprach weiter. „Wieso war sie nicht bei dir? Du weißt ganz genau, dass ihr nicht ohne Waffe raus dürft. Hörst du jemals zu, Junge?" Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und ich nahm das als Chance die Pistole anzunehmen.

Das kalte Metall in meinen Händen und das schwere Gewicht lösten eine Gänsehaut auf meiner Haut aus. Es fühlte sich so verdammt falsch an.

Wortlos stand ich auf und ging an ihm vorbei und machte die Tür auf, bevor ich sie hinter mir ins Schloss fallen ließ. Der Typ war noch relativ jung. Er hatte eine schlanke Figur und Arme die so aussahen, als könnten sich durch die kleinste Art von Anstrengung brechen. Entweder hat Sergio ihn dazu gezwungen oder er war ein mutiger kleiner Bastard, der viel zu viel von sich selbst erwartete.

Ich ging auf ihn zu und seine Augen wurden mit jedem Schritt rötlicher. So viel Angst und Panik lag in seinem Blick, dass es mir einen kräftigen Tritt von innen verpasste. Ich war hier das Monster, nicht? Schließlich bin ich der, mit der Waffe in der Hand und schlechten Absichten.

Die Wahrheit tat einem immer weh. Deswegen mied ich sie so gut wie möglich. Innerlich lachte ich auf. Und die Leute nannten mich auch noch stark.

Schwäche. Es war Schwäche. Nichts weiter.

Ich presste den Kopf der Pistole an seinen Kopf und die erste Träne rollte ihm die Wange runter. Ich spannte den Kiefer an und kämpfte gegen den Drang an wegzuschauen. Mamas Augen drängten sich in mein Sichtfeld und mein Griff um die Waffe verfestigte sich. Was würde sie jetzt von mir denken? Doch es war meine Mutter. Die Frau, die mich auf die Welt gebracht hatte und sich so gut um mich gekümmert hatte. Sie soll die Gerechtigkeit bekommen, die sie verdient.

Und genau das werde ich ihr jetzt geben.

Doch warum fiel es mir dann so schwer auf den Abzug zu drücken? Lag es an den Augen, die mich gerade anflehten nicht zu schießen oder eher an dem noch kleinen Rest Gutes in mir?

„Wird das heute noch was?", Elias Stimme ertönte hinter mir und ich verzog das Gesicht. Was machte er hier? Ich konnte hören wie er sich uns näherte und genau neben mir stehen blieb. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und schaute mich grinsend an. „Was ist?", fragte er provozierend. „Nicht die Eier dazu?"

Meine Augen schlossen sich und meine Atemzüge wurden immer unregelmäßiger. Am liebsten würde ich die Pistole jetzt an seinen Kopf halten und zusehen wie er sich beinahe in die Hose pisst. Doch es war nur ein Traum, nichts weiter.

„Hey!", eine andere Stimme hallte durch den Raum und ich machte die Augen auf, um in die Richtung zu schauen, aus der, der Ruf kam. Rafael, ein weiteres Mitglied unserer Gang, stand vor dem Eingang und schaute uns beide auffordernd an. „Hört auf mit dem Scheiß und kommt. Boss will was mit uns besprechen."

Seine Wort ließen mich das Gefühl von Erleichterung spüren und meine Schultern sackten ein. Verfickte Scheiße. Gott sei Dank.

„Und was wird aus dem da?", fragte Elias neben mir und deutete auf den gefesselten Jungen auf dem Stuhl. Rafael zuckte mit den Schultern. „Er meinte, dass er sich später darum kümmert. Jetzt will er, dass wir alle in seinem Büro erscheinen."

Elias schnaubte und ging an mir vorbei, nachdem er absichtlich seine Schulter gegen meine rammte. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich wollte nichts anderes als ihm dieses hässliche Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen, doch ein warnender Blick Rafaels brachte mich zurück in die Realität.

Roberto würde das nicht gefallen. Und wenn ihm etwas nicht gefiel, dann gab es Konsequenzen.

Konsequenzen die so krank und ekelhaft sind, dass man lieber darauf verzichtete.

Was auch der Grund dafür war, dass ich den Hurensohn einfach ignorierte und den Raum verließ, um auf Robertos Büro zuzugehen.

Mund halten und einfach das tun, dass von einem erwartet wird. So hart ist es nicht, oder?

Ich wünschte nur es wäre so einfach, wie es sich anhörte.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt