𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟔𝟏

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Emilia

Meine Beine taumelten hin und zurück, während ich wie benommen seinen Rücken fixierte. Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, fuhren wir nach Hause. Wir haben seitdem her kein einziges Wort miteinander gewechselt. Er hielt nicht einmal meine Hand auf der Rückfahrt.

Jetzt stand er da. Draußen auf dem Balkon mit einer scheiß Zigarette in der Hand.

Während ich auf seinem Bett saß und wartete.

Aber auf was?

Ich wusste nicht mehr, was passierte. Habe ich übertrieben? Ihn überfordert oder dafür gesorgt, dass er sich nicht wohl genug fühlte? Bin ich zu weit gegangen?

Ich hatte das Gefühl mein Kopf explodierte. Ich hasste es wenn er das tat. Einfach kälter werden und Abstand halten ohne die Gründe dafür zu nennen. Genau so werde ich ihn nie verstehen. Warum muss immer ich die sein, die sich Mühe gab? Ich biss die Zähne zusammen bei dem Gedanken. Nein. Das stimmte nicht. Er gab sich auch Mühe. Wenn nicht, sogar noch mehr als ich. Es fiel ihm einfach nur schwer...mit neuen Dingen umzugehen.

Liebe, Emotionen und all das waren einfach neu für ihn. Er trug keine Schuld. Ich würde sowas nie behaupten.

Ein Klopfen riss mich aus den Gedanken und ich blickte erschrocken auf. Silvans verwirrte Augen trafen durch das dicke Glas auf meine und er deutete mir an rauszukommen. Ich nickte erst dann und zeigte ihm, dass ich verstanden hatte, als er nach der Zigarre zwischen seinen Lippen griff und diese in seinem Aschenbecher ausdrückte.

Vorsichtig stand ich auf und schaute zu wie er den Rauch auspustete, bevor er mir wieder den Rücken zukehrte. Mit langsamen zögerlichen Schritten ging ich auf die Tür zu und öffnete diese, bevor ich nach draußen trat. Der kalte Boden unter meinen Füßen und der harsche Wind, der mir entgegen wehte, verschafften mir eine dicke Gänsehaut, was er zu schnell merkte. Unglücklich glitten seine Augen über meinen Körper und ich konnte nicht anders als schlucken. Ich sah sogar, wie er sich anspannte und das obwohl es beinahe stockdunkel war. „Wieso so dünn angezogen?", fragte er und trat mir näher bevor er seine Hände auf meine Wangen ablegte. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als er merkte, wie kalt ich war. Er griff nach der Weste, die auf dem Stuhl neben ihm lag, und warf sie mir über die Schultern, bevor er sie zumachte, bis ich den Reißverschluss an meinem Kinn spüren konnte. Wie auf Knopfdruck atmete ich seinen Duft ein. Jetzt fühlte ich mich besser.

„Warm?", fragte er und legte seine Hände auf meine Arme ab, bevor er anfing dort zu reiben, um mich aufzuwärmen.

Ich lächelte leicht und nickte, doch schaffte es nicht ihm ins Gesicht zu schauen. Was wenn er meine roten Wangen sah?

Nach ein paar Sekunden entfernte er sich wieder von mir und drehte sich um. Seine Augen fixierten sich auf nichts, außer Leere. Es machte mir Angst. Etwas muss passiert sein.

Meine Augen glitten wie von alleine zu dem Aschenbecher neben mir. Er war gefüllt von Zigaretten. Jedoch sahen mehr als die Hälfte so aus, als seien sie schon vor einer Ewigkeit geraucht worden. Es waren nur zwei, die frisch aussahen. Es erleichterte mich etwas.

„Ist alles okey?", fragte ich leise und hoffte nichts falsches gesagt zu haben.

„Alles gut", antwortete er. Wie erwartet knapp und kühl.

„Sicher?", gab ich nicht nach. Etwas in mir zog sich zusammen, doch ich wusste nicht was genau es war.

„Alles gut, Emilia", wiederholte er und betonte jedes einzelne Wort. „Bleib einfach nicht zu lange draußen. Es ist kalt. Du sollst dich nicht erkälten."

Ich seufzte auf. „Und du? Ist dir nicht kalt?"

„Nein."

Ich seufzte nochmal auf. Wie gesprächig.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt