𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟒𝟓

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Emilia

Morgens wachte ich etwas anders auf, als üblich.

Irgendetwas kitzelte mich. Mir war angenehm warm und etwas luftiges prallte auf meiner Haut ab. Bevor mein Kopf registrieren konnte, was überhaupt passierte und wo genau ich war, machte ich die Augen auf und widmete meinen Blick geradeaus den zwei starken Armen, die um meine Taille gewickelt waren und mich gegen eine harte Brust pressten. Der Duft, den ich erst jetzt anfing zu bemerken und die Rose auf der Hand des Armes machten wir gewiss, auf genau wem ich lag.

Dieses Gefühl schlug alles andere. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen.

Langsam hob ich den Kopf an und musste ein paar mal blinzeln, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Geschlossene Augen standen mir entgegen und ich seufzte leise auf. Wie kann ein so verwirrender Junge so friedlich und normal beim Schlafen aussehen? Es schien so, als hätte er keine Sorgen. Keinen Stress, dem er seine Aufmerksamkeit schenkte und keine Probleme, die er noch lösen musste.

Ich wünschte er könnte immer so sein. Ich wünschte wir könnten immer so bleiben.

Er war nicht angespannt. Die Falte auf seiner Stirn war weg und seine Augenbrauen nicht zusammengezogen. Bloß sein Griff um meine Taille war so stark wie noch nie. Er klammerte sich förmlich an mich ran. Vorsichtige hob ich meine Hand und strich ihm über seine Wange. Eine dicke tiefe Narbe zierte sie und ich glitt mit meinen Fingerspitzen darüber. Er hat das ganze Leid nicht verdient.

Es sind seltsamerweise immer die selbstlosen Menschen, die das nicht einsehen können. Sie denken, dass das Leben nicht anders sein kann. Sie haben jegliche Hoffnung verloren.

Wie wird er diese zurückbekommen?

„Emilia", der plötzliche Klang seiner Stimme ließ mich aufzucken und ich blickte überrascht auf. Sofort fiel meine Hand von seiner Wange und ich wollte mich mit glühendem Kopf aufsetzen, doch sein Griff riss mich zurück. Mit großen Augen landete ich auf seiner Brust und stützte mich mit meinen Händen darauf ab, um das Zusammentreffen meines Gesichts mit dieser zu vermeiden.

Mein Mund öffnete sich genau in der Sekunde, als seine Augen auf meine trafen. „Silvan", krächzte ich. Meine Kehle war staubtrocken.

Er antwortete nicht und blickte mich einfach stumm an. Seine Arme löste er auch nicht von mir. Es schien so, als würde er versuchen zu registrieren, was gerade um uns geschieht. So langsam, als käme es mir vor wie in einer Zeitlupe, hob er seine Hand und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. Bei dem Kontakt unserer Haut, legte sich eine starke Gänsehaut auf meine und ich konnte spüren, wie etwas in mir warm wurde. Ich war verrückt nach dieser Geste. Verrückt mit allem, was er tat.

„Wie lange bist du schon wach?", fragte er. Seine Stimme war noch tiefer als sonst und bedeckt von Raue und Müdigkeit. Sie klang sogar noch schöner so.

„Nicht lange", antwortete ich hauchend und räusperte mich, als ich den Bruch meiner Stimme bemerkte.

Er nickte und blickte zwischen meinen Augen hin und her. Beinahe wie in einer Art Trance.

Als mir der Augenkontakt zu viel wurde, wendete ich etwas überfordert den Blick ab. Ich betete, dass ich nicht rot angelaufen war. Er schaffte es nämlich jedes Mal aufs Neue meinen Körper zum Reagieren zu bringen. Egal wie. Er schaffte es immer.

Und ich befürchtete, dass das niemals aufhören wird.

„Ich werde heute wieder nicht da sein", sprach er und ich versuchte meine Enttäuschung zu verstecken. Oh.

„Benimm dich, verstanden?", sprach er und griff sanft nach meinem Kinn, um mich dazu zu zwingen ihn anzusehen. „Mach keine Scheiße." Ich wusste, dass er es ernst meinte, aber ich konnte nicht anders als zu lachen.

„Ich bin immer brav", antwortete ich lächelnd und legte den Kopf schief. Seine Augen verließen mich keine Sekunde lang. Etwas wurde wärmer in seinem Blick und seine Augen machten bei meinen Lippen halt, die immer noch das größte Lächeln trugen. Wie benommen nickte er und ich spürte, wie mein Herz aussetze, als sein Daumen anfing Kreise auf meine Taille zu malen.

„Gut", antwortete er knapp und blickte mir wieder in die Augen. „Es wird nicht lange dauern."

„Wo gehst du hin?", fragte ich ihn, ohne groß darüber nachzudenken, was ich da überhaupt sagte.

„Sicherheitschecks", antwortete er und überraschte mich etwas mit seiner Antwort. Ich hätte nicht erwartet, dass er es mir sagen würde. Meine Neugier stieg wie auf Knopfdruck.

„Kann ich mitkommen?", fragte ich. Seine Augen nahmen wieder an Härte zu und die Entspannung in seinem Gesicht verschwand schneller, als ich blinzeln konnte.

„Nein", antwortete er knapp.

Ich seufzte auf. Natürlich.

„Aber-"

„Ich habe nein gesagt", unterbrach er mich streng und blickte mich warnend an. „Das ist gefährlich."

Ich erinnerte mich zurück an sein Versprechen. Ich habe ihm versprochen, zu versuchen ihn zu verstehen.

Etwa in mir drinnen zog sich zusammen. Ich war so lange nicht mehr draußen.

Eine Hand auf meiner Wange brachte mich zurück in die Gegenwart und ich schaute erschrocken auf. Weiche Augen trafen auf meine und er seufzte ergeben auf.

„Nicht mehr lange, Emilia. Versprochen." Ich schluckte hart auf, als seine Worte einsanken. Nicht mehr lange.

Nicht mehr lange und wir gehen getrennte Wege.

Seine Augen brannten sich in meine und er spannte den Kiefer an.

„Du bist traurig", stellte er trocken fest. Ich öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, doch er sprach weiter. „Ich meine es ernst, Emilia. Es dauert nicht mehr lange. Ich breche keine Versprechen."

Meine Augen fingen an widerwillig zu brennen. Er missverstand mich. Schon wieder.

Wieso ging er immer davon aus, dass ich ihn hasste?

Ich wollte doch nichts lieber, als in seiner Nähe zu bleiben.

Er setzte sich auf und löste sich von mir, bevor ich anfing nur noch Kälte zu spüren. Unsicher verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und schaute zu, wie er aufstand und sich dehnte. Sein T-shirt rutschte hoch und ich erwischte einen kurzen Blick auf seine gold gebräunte Haut. Ich wusste nicht, ob ich es mir nur einbildete, aber ich glaubte ein kleine Narbe gesehen zu haben. Jedoch saß ich zu weit weg um sie zu identifizieren.

Sein T-shirt rutschte wieder runter und er ging auf seinen Kleiderschrank zu, bevor er begann darin rum zu wühlen. Mit den ausgesuchten Klamotten in der Hand drehte er sich um und lief auf das Bad zu. Gerade als er die Tür aufgemacht hatte und dabei war, einzutreten, hielt er in seiner Bewegung inne und blickte über seine Schulter zu mir.

"Wenn sich die Lage wieder beruhigt, können wir dahin gehen, wo du willst. Okey?" Ich habe Silvan nicht oft nervös gehen, aber ich war mir sicher, dass er es gerade war. Unsicherheit schwamm in seinem Blick und er hatte die Augenbrauen niedlich zusammengezogen. Ich glaube, dass ich von diesem Anblick niemals genug haben werde.

Wie benommen nickte ich und schaute zu, wie er mir noch einmal zunickte und hinter der Tür verschwand. Das einzige Geräusch, dass durch den Raum hallte, war das Echo des Schlosses und mein pochendes Herz.

Hingehen wo ich will

Ich fing an zu grinsen.

Er hätte mir lieber nicht die Wahl überlassen sollen.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt