Kapitel 6

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Der Rest der Woche vergeht erstaunlich schnell. Es ist Freitag und du verlässt gerade das Schulgebäude, um zu deinem Auto zu gehen. Du hast versucht, Eddie den Rest der Woche aus dem Weg zu gehen, die Cafeteria hast du gemieden. Ab und an bist du ihm aber trotzdem begegnet und er hat dich in ein Gespräch verwickelt, hat aber kein Wort über deinen fluchtartigen Abgang am Mittwoch verloren. Im Gegenteil. Er hat mit dir gesprochen, als wäre es nie geschehen. Auch den Hellfire Club hat er kein zweites Mal erwähnt. Eigentlich hat er nur belanglose Themen angesprochen und merklich versucht, dich auf andere Gedanken zu bringen. Du weißt es zu schätzen, doch im Grunde verletzt es dich noch mehr. Eddies Art, sich unaufgefordert zu kümmern, sich verantwortlich zu fühlen, bricht dir das Herz. Jedes Mal aufs Neue. Es scheint ihm wichtig zu sein, das du dich wohl fühlst. Doch das tust du nicht. Nicht in seiner Nähe. In seiner Nähe fühlst du dich verloren und einsam.

Und dann ist da heute auch noch der Auftritt seiner Band Corroded Coffin im Hideout. Du hattest kurz überlegt, nicht hinzugehen. Doch du hast ihm bereits zugesagt und du möchtest ihn nicht enttäuschen.
Du steigst in dein Auto und drehst die Musik laut auf. Es hilft dir, wenn die Musik in deinen Ohren so laut dröhnt, das du deine eigenen Gedanken nicht mehr hören kannst.
Mit queitschenden Reifen kommst du vor deinem Trailer zum stehen. Eddies Van steht bereits vor seinem Trailer. Schnell gehst betrittst du deinen und schließt die Tür hinter dir.
Nachdem du dir einen Joint gebaut hast, setzt du dich wieder an das Schlafzimmerfenster. In deinem Schoß liegt Wer die Nachtigall stört und du versuchst dich darauf zu konzentrieren, während du hin und wieder einen tiefen Zug nimmst.
Als du das nächste Mal aufschaust, dämmert es bereits. Dir fällt auf, das ein Geräusch dich dazu veranlasst hat, aufzuschauen. Dein Blick fällt auf Eddies Van. Eddie reißt gerade die Hecktüren auf und legt behutsam seinen Gitarrenkoffer auf die Ladefläche.
Dann schaut er auf.
"Hey, Izzy!",ruft er und sprintet auf dich zu.
"Wenn du dich beeilst, nehme ich dich mit",sagt er lächelnd und dir fällt keine Ausrede ein, dieses Angebot abzuschlagen.
"Okay, gib mir 5 Minuten, ich ziehe mich um",sagst du, Eddie nickt und läuft zurück zu seinem Van. Er lehnt sich an den Wagen und zieht eine Packung Zigaretten aus der Tasche, aus der er sich eine nimmt und sie zwischen seine Lippen steckt. Du wendest den Blick ab und kletterst vom Schreibtisch
Dein Herz hämmert gegen deine Brust.
Ohne auf das offene Fenster, das den Blick auf dein Schlafzimmer freigibt, zu achten, ziehst du deine Shirt aus und wühlst im Kleiderschrank nach einem Ersatz. Du wirst fündig und ziehst dir das Metallica Shirt hastig über den Kopf. Dann läufst du ins Bad und frischst dein Make Up auf.
Okay, sagst du zu dir selbst, du schaffst das Izzy.
Du atmest tief durch und verlässt den Trailer. Betont lässig gehst du zu Eddie. Er lächelt.
"Siehst gut aus",sagt er flapsig und öffnet dir die Beifahrertür. Du schiebst dich auf den Sitz. Im Fußraum liegt haufenweise Zeug, unter anderem seine Brotdose. Du beäugst sie skeptisch.
"Schleppst du die immer einfach so mit dir herum?",fragst du, während Eddie auf dem Fahrersitz Platz nimmt. Er sieht dich stirnrunzelnd an.
"Wieso fragst du?"
Mist. Es sind die kleinen Dinge, auf die du acht geben musst. Du dürftest nicht wissen, das er seine Drogen in der Dose transportiert.
"Ehm, in der Cafeteria hab ich gesehen, das du darin dein Zeug aufbewahrst",sagst du schnell und drehst den Kopf, damit Eddie nicht sieht, wie du errötest.
"Du bist ja aufmerksam",stellt Eddie fest und beäugt dich einen Moment misstrauisch. Dann dreht er den Schlüssel in der Zündung und knatternd startet der Motor.
"Auffällig unauffällig",sagt er schulterzuckend, "Welcher Freak schleppt schon seine Drogen durch die Gegend? Niemand kommt auf diese Idee. Deswegen kommt auch niemand darauf, einen Blick in die Dose zu werfen."
Du lachst, und zum ersten Mal seit Wochen, spürst du, wie dein Körper Dopamin ausschüttet.
"Das ist gar nicht so blöd",sagst du und Eddie grinst.
"Ich hab so meine Momente",sagt er lächelnd.
Irgendwie ist es schön, hier mit Eddie in seinem Van zu sitzen. Auch wenn deine Hand ab und an unwillkürlich zum Angstgriff hochschnellt, wenn Eddie die Kurve wieder einmal bei voller Fahrt nimmt.
Auf dem Weg zum Hideout sammelt ihr die anderen Bandmitglieder ein und du hilfst dabei, das Equipment in den Van zu laden.
Die Jungs unterhalten sich während der Fahrt ausgelassen und ab und zu musst auch du lachen. Es fühlt sich gut an.
Jedes Mal, wenn du lachst, sieht Eddie dich strahlend an. Es scheint ihn zu freuen, das du dich wohl fühlst. Und das tust du tatsächlich. Irgendwie. Es überrascht dich selbst. Doch nach und nach entspannst du immer mehr und auch Eddies Nähe ist für dich aushaltbar. Nein. Schön. Eddies Nähe ist das erste Mal, seit du wieder in Hawkins bist, schön.

Am Hideout angekommen bauen die Jungs auf und du hockst dich auf den Bühnenrand und schaust ihnen dabei zu. Als der Soundcheck beginnt und Eddie seine Gitarre in die Hände nimmt, beschließt du, dir ein Bier zu holen.
"Ihr auch?",fragst du und Eddie lacht.
"Ich ja, die anderen nicht",sagt er grinsend und du nickst.
"Und sag dem Barkeeper, ich hab dich geschickt. Sonst gibt er dir keins",sagt er zwinkernd.
"Ay Ay Sir,"sagst du und Eddie wendet sich lachend wieder seiner Gitarre zu.
Mit zwei kühlen Bieren in der Hand kehrst du zurück und Eddie stellt vorsichtig seine Gitarre ab.
"Herzlichen Dank, die Dame",sagt er und stößt mit dir an.
Er setzt die Flasche an den Mund und legt den Kopf in den Nacken. Er leert sie in einem Zug zur Hälfte.
"Ah, nichts geht über ein kühles Bier",sagt er und wischt sich mit dem Ärmel über den Mund. Du kicherst.
"Kannst du mir vielleicht einen Gefallen tun?",fragt Eddie.
"Klar, worum geht's?",fragst du, ohne groß darüber nachzudenken. Es tut gut, einfach mal nicht zu denken.
"Könntest du den Soundcheck für das Mikro übernehmen?"
Du starrst ihn an.
"Wie, ehm...",stotterst du", ich muss aber nicht singen oder? Es reicht wenn ich was sage?"
Eddie zieht amüsiert die Augenbrauen hoch.
"Wenn du singen willst, werde ich dich nicht aufhalten, aber sprechen reicht"
Du atmest erleichtert aus und nickst. Eddie hält dir seine Hand hin. Du starrst sie für eine Sekunde unschlüssig an, dann greifst du sie und Eddie zieht dich mühelos auf die Bühne.
Du stellst dich vor das Mikro. Nervös zuppelst du an dem Bund deines Shirts.
Du schirmst deine Hände gegen das Licht ab und schaust hoch. Das Soundpult steht etwas erhaben am anderen Ende der Kneipe.
"Okay, leg los!"
Du sprichst ins Mikro.
"Mh, das passt so noch nicht ganz, mach nochmal bitte!"
Du wiederholst.
Und nochmal.
Und nochmal.
Bis du schlussendlich doch in eine Art Singsang verfällst.
"Gut, jaa das ist gut. Mach weiter!"
Mit zitternder Knien singst du die erste Strophe von Stand Up and Shout von Dio.
"Perfekt! Danke!"
Du atmest aus.
"Heilige Scheiße, Izzy! Du kannst ja singen!",ruft Eddie begeistert.
"Sei still, Eddie",sagst du verlegen.
"Das war ein Kompliment. Nimm es einfach an",sagt er lächelnd und du beißt dir beschämt auf die Unterlippe.
"Danke",murmelst du.
"Wie war das?",fragt Eddie und du kicherst.
"Danke!",wiederholst du, etwas lauter.
"Na geht doch!",sagt er.
Dann kommt er auf dich zu.
"Mach Platz, Rotschopf. Der Meister muss ans Werk!"
Lachend gehst du zur Seite, schlenderst von der Bühne und setzt dich an die Theke.
Rotschopf.
Das ist neu, denkst du lächelnd. Und erstappst dich dabei, wie du für einen Moment glücklich bist.

Die Zeitreisende, Izzy & Eddie Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt