Kapitel 57

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"Wo sind die anderen?",fragt Eddie, als ihr euch zu Murray an den Küchentisch setzt.
Eddie verzieht schmerzhaft das Gesicht und du wirfst ihm eine mitleidigen Blick zu, den er abwinkt.
"Nachdem du versorgt warst, habe ich sie nach Hause gebracht",sagst du, "Sie kommen morgen wieder."
"Uns wurde also eine Nacht Gnadenfrist gewährt?",fragt er grinsend, doch du hörst die Nervosität in seiner Stimme.
"Sozusagen",sagst du, "Damit du dir die Wunden lecken kannst, du Held",fügst du feixend hinzu.
"Witzig, Rotschopf",sagt Eddie, kann sich ein Lächeln aber nicht verkneifen.
"So so",sagt Murray, der euch die ganze Zeit aus Argusaugen beobachtet, während er sich das Risotto in den Mund stopft.
Er deutet mit der Gabel in seiner Hand abwechselnd auf Eddie und dich.
"Ihr zwei liebt euch",sagt er mit vollem Mund und du zuckst zusammen, während Eddie sich dem Essen auf seinem Teller widmet.
"Hab ich mir gleich gedacht, als der kleine Ginger wegen dir so durchgedreht ist",sagt er und nickt Eddie lachend zu.
Du senkst den Blick und stocherst mit der Gabel in deinem Essen herum, während Eddie so tut, als würde er sich brennend für das Etikett der Vodkaflasche interessieren, bevor er sich ein Glas einschenkt.
"Oh oh...",sagt Murray und grinst breit, "Etwa Ärger im Paradies?"
"Eddie, hälst du es für eine gute Idee jetzt Alkohol zu trinken?",willst du wissen und lenkst damit Murray Aufmerksamkeit vom Thema ab.
"Hör auf deine Kleine, Junge. Ein Glas und du liegst unter dem Tisch wie ein Seemann nach einem Fass Bier, nach der Menge Blut, die du heute verloren hast",stimmt Murray dir zu.
Eddie legt den Kopf schief und betrachtet die klare Flüssigkeit in seinem Glas. Dann leert er es in einem Zug.
"Eddie!",rügst du ihn empört.
"Cheap Date",sagt er und zwinkert dir grinsend zu.
Du schmunzelst.
So hat er dich einmal genannt, als du nach drei Guinness so voll warst, das er dich beim Laufen stützen musste.
"Sagt mal",mischt sich Murray neugierig ein und lehnt sich ein Stück nach vorn, während er einen Arm auf der Tischplatte abstützt, "Was ist zwischen euch passiert, das ihr nicht mehr miteinander in die Kiste hüpft? Ein wenig Stressabbau würde euch nämlich ganz gut tun!"
Du verschluckst dich an deinem Essen und greifst nach Luft ringend zu deinem Glas Wasser und stürzt den Inhalt geirig herunter.
Eddie beißt sich auf die Unterlippe und rutscht nervös auf seinen Stuhl herum.
"Nichts, es ist äh...",stotterst du, "...kompliziert."
Murray gibt einen Laut von sich, der vermutlich sowas wie Erstaunen ausdrücken soll. Es klingt aber eher wie ein Grunzen.
"Verstehe. Hast du sie betrogen oder er dich?"
"Niemand hat hier irgendwen betrogen!",sagt Eddie beinahe empört.
"Mmh",macht Murray und reibt sich den Bart",Was ist es dann? Wer hat Schiss bekommen, weil's zu ernst wurde, mh? Du bist es, oder? Ich seh's dir an der Nase an, Dauerwelle!",sagt er und deutet auf Eddie, der die Lippen zu einem Strich verzieht.
"Bindungsangst, Bursche?"
"Nein!",antwortet Eddie und schiebt sich etwas Risotto auf seine Gabel.
"Naja",sagst du und Eddie, der in Begriff war, sich die übervolle Gabel in seinen Mund zu schieben, hält in der Bewegung inne.
"Irgendwie schon",murmelst du und greifst nach der Vodkaflasche.
Nüchtern erträgst du diese Unterhaltung nicht länger.
Du hast geahnt, das Murray das zwischen dir und Eddie bemerken und ansprechen würde. Er hätte Psychologe werden sollen, kein Journalist.
Der Mann hat eine Menschenkenntnis, die seines Gleichen sucht.
"Aber du liebst sie, oder Junge?",fragt Murray frei heraus und du siehst, wie Eddie sich kaum merklich verkrampft.
"Mh?",macht Murray und legt fragend den Kopf schief.
"Ja!",antwortet Eddie genervt und die Schmetterlinge in deinem Bauch fliegen tosend umher.
"Und du liebst ihn?",wendet sich Murray an dich und du nickst.
"Ja",antwortest du mit fester Stimme und wirfst Eddie einen Blick zu, dem er ausweicht.
"Aha",sagt Murray und schüttet sich Vodka und Wasser in ein großes Glas.
Davon nimmt er einen großen Schluck und grinst.
"Wo ist dann genau das Problem? Hast du Schiss, das sie dir wegläuft? Wurdest du schonmal verlassen? Lass mich raten...von Mami?!",fragt er Eddie und spricht das letzte Wort gedehnt aus. Eddie atmet hörbar aus.
Er antwortet nicht, sein Kiefer mahlt.
"Nein, er hat Angst, das ich sterbe",sagst du leise.
"Oh, ich verstehe! Die alte Leier, wenns Mal nicht nach Plan läuft! Rückzug! Flucht! Rette sich wer kann!",ruft Murray lachend und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch, dass du erschrickst.
"So ist das nicht!",erwidert Eddie gereizt.
"Nicht? Wie ist es dann? Hast du keine Lust, Händchen zu halten, wenn sie krepiert?"
Du schluckst schwer und dir bleibt die Luft weg, angesichts Murrays unverblümter Art, Dinge auszusprechen.
Ein Blick zu Eddie verrät dir, das es ihm genauso geht.
"Wieso nehmen Sie mich ins Kreuzverhör? Sie hat sich dazu entschieden, ein Selbstmordkommando zu starten, nicht ich!",ruft Eddie wütend und du funkelst ihn zornig an.
"Es ist kein verdammtes Selbstmordkommando, du Idiot! Ich versuche, die Anderen vor dem sicheren Tod zu bewahren! Und dich übrigens auch!"
Murray hebt die Augenbrauen und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
"Klingt wirklich, als wärt ihr beide nicht ganz unschuldig an der Situation. Hast du ihn Mal gefragt, wie es ihm mit deiner Entscheidung wohl geht, Ginger?",fragt er dich und du verziehst zornig das Gesicht, ob des Spitznamens, den Murray für dich, nun schon zum zweiten Mal, verwendet.
"Natürlich habe ich das!"
"Das hast du nicht!",antwortet Eddie stattdessen und du schnaubst.
"Doch, das habe ich!"
"So? Dann sag mir, was ich geantwortet habe!?"
Du öffnest deinen Mund und schließt ihn sofort wieder.
"Du hast also nicht gefragt!",ruft Murray und lacht auf, "Du hast Hypothesen aufgestellt, denkst, du liegst richtig. Aber was ist, wenn du falsch liegst?!"
Er tippt dir zweimal grob mit dem Zeigefinger an die Stirn und als er es ein drittes Mal versucht, weichst du ihm aus.
"Lassen Sie das!",murmelst du zerknirscht.
"Ich weiß, wie er sich fühlt!"fügst du wütend hinzu.
"Teile deine Wissen mit uns!",sagt Murray, macht eine ausladende Geste und erinnert dabei ein wenig an einen Zirkusdirektor.
Du atmest tief durch und zwingst dich, Eddie direkt anzusehen. Er erwidert deinen Blick und hält ihm, zu deiner Überraschung, stand.
"Naja, du...du...",stotterst du und schüttelst energisch den Kopf, "Du hast Angst! Angst, mich zu verlieren und das sich dieses Mal Nichts daran rückgängig machen lässt! Du bist wütend, wütend, weil ich über deinen Kopf hinweg entschieden habe, ohne über die Konsequenzen, die das für mich, für dich, für uns, haben könnte, nachzudenken. Zumindest glaubst du, das ich nicht nachgedacht habe! Das es mir egal ist, was mit mir passiert! Das es mich nicht interessiert, was es mit dir macht!"
Du schluchzt laut auf und dabei hast du nicht einmal bemerkt, das du mit tränenüberströmtem Gesicht gesprochen hast.
Einen Moment ist es still im Raum. Dann japst Murray laut auf und lässt die Luft hörbar aus seinen Lungen weichen.
"Harter Tobak, Kinder!",sagt er sichtlich erstaunt, "Und? Hat sie Recht, Dauerwelle?"
Du bemerkst, das Eddies Atmung sich deutlich beschleunigt hat, er kaut auf seiner Unterlippe herum. Er ist kurz davor zu weinen.
Er nickt stumm.
"Und ist es dir egal was mit dir passiert und was es mit ihm macht, Ginger?!",will Murray wissen und legt zwei Finger an sein Kinn.
"Nein, ist es nicht",sagst du tränenerstickt.
"Wie ist es dann?"fragt Murray und nimmt erneut einen Schluck aus seinem Glas, verzieht das Gesicht und schüttelt sich.
"Ich will nicht sterben! Aber ich will auch nicht, das Eddie stirbt! Ich hab ihn schon einmal verloren, ein weiteres Mal überlebe ich das nicht! Außerdem stehen die Chancen gut, das wir beide überleben! Doch wenn wir nichts tun, liegen sie bei Null!",presst du schluchzend hervor.
"Und das, meine lieben Kinder, ist Liebe! Scheiße nochmal!",ruft Murray plötzlich aus und du zuckst zusammen. Er lacht laut und klatscht in die Hände.
"Diese Kleine liebt dich, Bürschchen! Sei kein Dummkopf und teil heute Nacht dein Bett mit ihr! Sie ist es verdammt nochmal wert!"
Murrays Hand schnellt auf die Tischplatte und erneut erschrickst du.
Mit zitternden Händen greifst du zu deinem Glas und nimmst einen großen Schluck.
Murray schaut grinsend zwischen dir und Eddie hin und her und erhebt sich dann. Er streckt sich gähnend und leert sein halbvolles Glas in einem Zug.
"Also ich werde jetzt schlafen gehen und ihr zwei, solltet heute Nacht im Gästezimmer schlafen, gemeinsam!",sagt er und geht lachend davon.
Du knetest nervös deine Hände in deinem Schoß, traust dich nicht, Eddie anzusehen.
"Du kannst das Bett haben",sagst du und erhebst dich schnell, "Ich schlafe auf dem Sofa."
"Nein, du schläfst im Bett",erwidert Eddie heiser, "Bei mir..."

Die Zeitreisende, Izzy & Eddie Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt