Kapitel 20

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"Hey, Izzy, hast du eine Minute?"fragst dich Chrissy, die mit dir und Eddie die Schule verlässt. Du wirfst Eddie einen flüchtigen Blick zu und nickst dann.
"Klar,"sagst du und folgst ihr zu einer niedrigen Mauer, auf die ihr euch setzt.

"Was gibt's?",fragst du und zwingst dich zu einem Lächeln.
"Bist du wütend auf mich?",fragt sie leise und du schaust sie erstaunt an.
"Nein, Chrissy, wie kommst du denn darauf?"
"Ich hab das Gefühl, du gehst mir aus dem Weg",erwidert sie und schaut auf ihre baumelnden Beine.
Vielleicht solltest du aufhören, Leuten aus dem Weg zu gehen. Oder es geschickter anstellen.
"Nicht absichtlich. Ehrlich. Mir geht's nur zur Zeit nicht so gut",sagst du  wahrheitsgemäß. Das sie einer der Gründe ist, warum es dir so schlecht geht, behälst du für dich.
"Oh,"sagt sie und sieht dich an, "Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, ich bin da,"sagt sie und lächelt.
Du betrachtest sie. Sie trägt ihre Haare offen und um ihren Hals hängt die goldene 86 - Kette.
Sie trägt ein hellgrünes Shirt, das ihre Augen zur Geltung bringt und hervorragend mit ihren rotblonden Haaren harmoniert.
Dazu trägt sie eine blaue Jeans. Das Shirt steckt in der Hose.
Über dem Shirt trägt sie eine dicke Daunenjacke. Sie scheint zu wissen, wie man sich gegen Kälte anzieht. Damit ist sie dir schonmal einen Schritt voraus.
Sie ist so hübsch. Kein Wunder, das Eddie ihr verfallen ist. Wenn sie einen mit diesen großen Kulleraugen ansieht, bleibt einem nichts anderes übrig, als sie zu mögen.
Du fragst dich, ob sie noch immer mit der Bulemie zu kämpfen hat. Es ist mehr als unwahrscheinlich, das sie einfach damit aufgehört hat. Ob Eddie es bemerkt hat?

"Danke",antwortest du, ohne die Absicht, ihr Angebot jemals anzunehmen. Du kannst nicht mit ihr darüber reden, wie schlecht es dir geht. Sie ist einer der Gründe dafür.
"Kann ich dich was fragen?",sagt sie und du zuckst mit den Schultern und siehst zu Eddie rüber, der geduldig an seinem Van lehnt und eine Zigarette raucht.
Chrissy folgt deinem Blick und lächelt.
"Sicher",sagst du und bereust es augenblicklich, denn sie beginnt nervös mit einer Strähne ihres Haares zu spielen. Es geht also um ihn.
"Eddie und ich gehen heute aus",sagt sie mit einem schüchternen Lächeln auf ihren Lippen.
"Das hat er mir erzählt",sagst du und schaust auf deine Füße.
"Hat er?",fragt sie neugierig. Eine leichte Röte legt sich auf ihre Wangen.
"Natürlich",sagst du.
"Er erzählt dir viel, oder?",fragt sie und du siehst sie an. Sie presst ihre Lippen aufeinander.
"Schon",sagst du, "Aber es gibt sicher auch Dinge, die er mir verschweigt",fügst du schnell hinzu. 
"Mir ist schon aufgefallen, das ihr eine besondere Verbindung habt",sagt Chrissy und dir wird heiß. Wohin führt dieses Gespräch?
"Er ist mein bester Freund",sagst du schulterzuckend und beginnst mit dem Bund deines Shirts zu spielen.
"Das weiß ich ja",sagt Chrissy und legt dir eine Hand auf den Oberschenkel.
"Ich verstehe das. Er spricht auch so von dir",sagt sie.
"Er spricht mit dir über mich?",rutscht es dir heraus.
Sie sieht dich erstaunt an.
"Allerdings. Du bist ihm sehr wichtig",sagt sie und du schaust auf deine Hände.
"Deshalb meine Frage...",sagt sie leise und ihre Stimme hat einen leichten, ängstlichen Unterton. Dann räuspert sie sich.
"Ist da mehr zwischen euch?"
Du erstarrst. Deine Atmung beschleunigt sich. Deine Hände schwitzen.
"Nein",sagst du mit belegter Stimme.
Chrissy kaut auf ihrer Unterlippe herum.
"Izzy",sagt sie dann und dreht ihren Oberkörper so, das sie dich direkt ansehen kann.
"Wenn du mehr für ihn empfindest, dann möchte ich das gerne wissen, bevor ich mit ihm ausgehe. Ich möchte euch nicht im Weg stehen."
Du starrst sie an. Niemals hättest du erwartet, das sie für dich das Feld räumen würde. Und du ertappst dich dabei, das du darüber nachdenkst, sie genau darum zu bitten.
Bitte, triff dich nicht mit ihm.
Bitte, lass ihn sich nicht in dich verlieben. Bitte...bitte nicht.
Du schaust zu Eddie. Er beobachtet euch. Eure Blicke treffen sich und er lächelt.
Hitze steigt dir zu Kopf.
Du atmest tief durch.
"Chrissy, Eddie mag dich sehr",sagst du, ohne den Blick von Eddie abzuwenden,
"Du musst dir keine Sorgen machen. Wir sind nur Freunde."
Diese Worte auszusprechen fällt dir unglaublich schwer.
"Okay",sagt sie und wirkt erleichtert, aber immer noch angespannt.
"Ich freue mich sehr auf das Date",sagt sie nach einer Weile.
"Das kann ich mir vorstellen",erwiderst du.
"Eddie ist...",sagt sie, sieht ihn an und lächelt verträumt,"so anders."
Ihre Augen glitzern.
"Das macht ihn so besonders",stimmst du zu und Chrissy nickt eifrig.
Ihr schweigt einen Moment und du betest, dass das Gespräch endlich ein Ende findet, denn gerade willst du nur noch eins:
Nach Hause fahren, dich einschließen und dem Schmerz in dir freien Lauf lassen.
"Hast du demnächst Mal Zeit für ein Treffen?",fragt Chrissy und du siehst sie lächelnd an.
"Klar",sagst du, "Gerne"
Chrissy freut sich sichtlich.
"Toll!"
Sie steht auf und du folgst ihr.
Sie geht auf Eddie zu und schlingt ihre Arme um ihn. Deine Kehle schnürt sich unangenehm zu.
Eddie erwidert ihre Umarmung, du bemerkst jedoch, wie er dir über Chrissys Schulter hinweg einen Blick zuwirft.
"Können wir los?",fragt er dich und du nickst. Der Kloß in deinem Hals macht es dir unmöglich, auch nur ein Wort zu sagen.
Eddie wendet sich Chrissy zu.
"Ich hole dich um sieben ab",sagt er lächelnd.
Sie erwidert sein Lächeln, nickt und gibt ihm einen Kuss auf die Wange, der ihn sichtlich aus der Fassung bringt. Du musst deinen Blick abwenden. Du gehst um den Van herum und öffnest die Beifahrertür.
"Eddie, komm schon!",drängst du nach einer Weile.
"Schon gut",sagt er, als er sich auf den Fahrersitz schwingt.
"Du hast es aber eilig",sagt er und sieht dich stirnrunzelnd an.
"Ist alles okay?"
"Ja",sagst du knapp und siehst demonstrativ aus dem Fenster. Du willst nicht sprechen.
Eddie scheint zu verstehen und schaltet stumm den Motor an.

Den restlichen Tag verbringst du in deinem Bett. Die meiste Zeit weinst du leise in dein Kissen. Oder starrst mit leerem Blick an die Decke. Das Gespräch mit Chrissy dreht Kreise in deinem Kopf.
Hättest du ihr die Wahrheit sagen sollen?
Hättest du sie bitten sollen, Eddie nicht zu daten?
Vielleicht. Doch es wäre Eddie und auch Chrissy gegenüber nicht fair gewesen. Du musst ihnen die Chance geben heraus zu finden, was sie einander bedeuten. Ganz egal, wie sehr du darunter leidest.

Du musst irgendwann eingeschlafen sein, denn du wirst durch ein Geräusch geweckt. Es klingt wie ein Klopfen.
Nein.
Es ist ein Klopfen.
Du hebst den Kopf.
Du entdeckst Eddie vor deinem Fenster.
Seufzend steigst du aus dem Bett und es ist dir egal, das du nur einen Slip und ein eng anliegendes Top trägst.
Du öffnest das Fenster und Eddie klettert hindurch, während du dich bäuchlings auf dein Bett fallen lässt.
Eddie legt sich ohne zu zögern neben dich und seufzt.
"Wie war's?",murmelst du in dein Kissen.
"Es war...",als er zögert schaust du auf,
"Schön. Wirklich."
Du lässt den Kopf wieder auf dein Kissen fallen.
"Das freut mich",sagst du.
"Sie ist wirklich süß",sagt er und es klingt, als würde er lächeln.
"Toll",murmelst du.
Eddie dreht sich auf die Seite und sieht dich an.
"Wir treffen uns morgen wieder",sagt er.
Du stöhnst, drehst dich auf die Seite und Eddie den Rücken zu.
"Ist alles in Ordnung?",fragt Eddie dicht an deinem Ohr und augenblicklich stellen sich deine Nackenhaare auf.
"Ja, bin nur müde",murmelst du.
"Soll ich gehen?",fragt er und du zögerst einen Moment.
"Nein",sagst du dann, drehst dich zu ihm um. Du kuschelst dich an ihn und er legt seine Arme um dich.
Dein Kopf ruht an seiner Brust.
Eddie haucht dir einen Kuss auf deinen Scheitel und nimmt eine Strähne deines Haares zwischen seine Finger.
Ein wohliges Kribbeln breitet sich in dir aus.
Du atmest hörbar aus und spürst, wie Eddies Herzschlag sich beschleunigt. Du hast dir angewöhnt, darauf nicht zu reagieren. Es passiert oft.
Eddies Lippen streichen über deinen Haaransatz. Du schließt seufzend die Augen.
Warum könnt ihr euch so nah sein, aber er kann sich nicht auf dich einlassen?
Ist Chrissy ihm so viel wichtiger als du es bist?
In einem Anflug von Mut hebst du den Kopf und deine Nase streicht über Eddies Kinn.
Sein Atem geht schneller.
Was würde wohl passieren, wenn du ihn jetzt einfach küsst. Wie gern du ihn jetzt einfach küssen würdest.
Eddie legt seine Stirn an deine. Du presst die Lippen aufeinander.
Dein Herz schlägt dir bis zum Hals.
Du legst eine Hand an seine Wange.
Eddie zuckt kaum merklich zusammen.
"Izzy",raunt Eddie und ein leiser Seufzer entfährt dir.
"Was tust du da?",fragt er mit bebender Stimme.
Du antwortest nicht. Stattdessen fährst du mit deinem Daumen über seine Lippen.
"Izzy, nicht..."
Eddies Stimme zittert.
"Hör auf...",sagt er und du lässt dich seufzend rücklings in die Kissen fallen.
Eddie atmet hörbar aus und fährt sich durch die Haare.
"Was habt ihr gemacht?",fragst du nach einer Weile.
"Wie bitte?",fragt Eddie und er klingt, als hättest du ihn aus seinen Gedanken gerissen.
"Du und Chrissy. Was habt ihr gemacht?",fragst du erneut und Eddie richtet sich auf.
"Wir waren etwas Essen und sind dann noch eine bisschen spazieren gegangen",sagt er und du lachst.
"Du bist spazieren gegangen?"
"Was ist daran so komisch?",will er wissen.
"Nichts. Ich kann es mir nur kaum vorstellen",sagst du lächelnd und Eddie schmunzelt.
"Und was habt ihr für morgen geplant?"
"Filmeabend",sagt er und du erstarrst.
"Oh"presst du hervor, "Schön."
"Mmh",macht Eddie und du schaust ihn an. Seine Augen sind geschlossen und er lehnt mit dem Rücken am Kopfende des Bettes. Sein Kopf liegt auf seiner Schulter.
"Eddie?"
Er antwortet nicht. Sein Atem geht ruhig und regelmäßig.
Er schläft.
Vorsichtig rutschst du näher an ihn heran und legst deinen Kopf in seinen Schoß.
Kaum eine Minute später schläfst auch du.

Die Zeitreisende, Izzy & Eddie Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt