Kapitel 64

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Schweigend sitzt die Gruppe zusammen. Du hast gerade die Erläuterung des Plans beendet und drehst nervös den Ring an deinem Finger. Dein Blick schweift zu Eddie, der auf der Armlehne der Couch hockt. Er weicht deinem Blick aus, seine Augen glänzen wässrig.
"Okay, so weit, so gut",sagt Dustin, nachdem es eine gefühlte Ewigkeit totenstill war.
"Wie lenken wir Vecna ab?"
"Das macht Elfi",sagst du und deutest mit dem Kopf in ihre Richtung.
"Ich werde mich in seinen Geist hacken!",sagt sie beinahe stolz und verschränkt die Arme vor der Brust. Dustin schenkt ihr für den Begriff Hacken ein anerkennendes Nicken.
"Was, wenn du es nicht schaffst?",fragt Steve.
"Da komme ich ins Spiel",sagt Max und hebt die Hand.
"Sie wird die Musik abstellen und ihn anlocken. Es ist riskant, aber das ist unser einziger Trumpf",erklärst du mit einem besorgten Blick in Maxs Richtung.
Wieder herrscht für einen Moment eine erdrückende Stille.
"Ich werde bei ihr bleiben und sie rechtzeitig zurück holen",sagt Lucas und bei dem Gedanken daran, wie genau das beim letzten Mal schief gegangen ist, läuft dir ein Schauer über den Rücken.
Doch ihr müsst es versuchen. Und ihr werdet es nur dann tun müssen, wenn Plan Elfi scheitert.
"Gut,",sagt Joyce und erhebt sich, "Teilen wir die Gruppen ein."
"Wer von euch geht mit in das Gefängnis?"
Eddie wirft dir einen Blick zu. Ihr habt schon letzte Nacht darüber gesprochen, in welche Gruppen ihr gehen werdet. Ihr werdet getrennt voneinander sein, aber euch bleibt keine andere Wahl.
"Steve und Jonathan werden euch begleiten",sagst du, mit einer Kehle so trocken wie die Wüste Gobi.
Joyce schluckt schwer und nickt dann.
"Das heißt, wir infiltrieren zu Viert ein russisches Konzentrationslager?!",fragt Murray fassungslos und du nickst.
"Es geht nicht anders. Wir müssen drei Gruppen bilden! Ich und Nancy werden Dustin, Will, Mike und Elfi in die Schattenwelt begleiten. Robin und Eddie bleiben bei Max und Lucas. Nur für alle Fälle",sagst du.
Du und Eddie habt eine lange Diskussion über diese Entscheidung geführt, doch am Ende konntest du ihn davon überzeugen, das er in Hawkins bleibt. Auch wenn ein Restrisiko besteht, das Eddie stirbt, sollte sich die Sache mit Jason wiederholen.
Doch darauf hast du Robin und Eddie  vorbereitet. Sie wissen Bescheid und können reagieren. Darum ist es so wichtig, das sie bei Max und Lucas bleiben. Damit sie verhindern, das Max wieder so zugerichtet wird. Falls sie als Köder fungiert. Was hoffentlich nicht nötig sein wird.
Eddies Verletzung ist noch nicht annähernd verheilt. Hawkins ist der sicherste Ort für ihn. Wenn man das so nennen kann. Du hoffst inständig, das Eddie keine Dummheiten macht.
"Wo genau wirst du uns reinbringen, Ginger?",fragt Murray, der sehr unzufrieden dreinblickt.
"In den Kontrollraum des Gefängnisses. Von dort könnt ihr dann direkt die Türen öffnen",sagst du und Murray nickt, während er sich langsam um sich selbst dreht.
"Klar",sagt er und stöhnt auf, "Kein Problem. Wir nehmen die Wärter einfach als Geiseln, wieso denn auch nicht. Klingt doch wie ein Spaziergang!"
"Sei froh, das wir Isabell haben!",sagt Joyce anklagend, "Sonst müssten wir uns einen Weg hinein suchen!"
"Das ist mir schon klar, Joyce!",erwidert Murray, "Ändert aber nichts daran, das der Plan total irrsinnig ist!"
"Hast du einen besseren?"
Murray holt Luft, öffnet den Mund und schließt ihn sogleich wieder.
"Dachte ich mir",sagt Joyce gewinnend und lächelt dir zu.
"Dein Plan ist gut, Schätzchen",sagt sie aufmunternd.
"Das hoffe ich",sagst du und drehst erneut nervös an deinem Ring.
Der Plan ist tatsächlich gut. Doch es gibt unendlich viele Möglichkeiten, wie er scheitern könnte.
Euch bleibt dieser eine Versuch.
Wenn ihr es nicht schafft, Vecna zu töten, habt ihr verloren.
"Wir schaffen das",sagt Dustin und klingt wirklich überzeugt.
Du seufzt.
"Wir brechen morgen auf. Bereitet euch vor. Wer hier bleiben möchte, kann das gerne tun. Alle anderen bringe ich heim",sagst du und blickst und die Runde. Niemand macht Anstalten, sich zu erheben.
Damit hast du gerechnet. Es liegt ein Gefühl von Abschied in der Luft.
Keiner von euch möchte heute Nacht alleine sein.

"Hortest du den eigentlich Kistenweise? Oder hast du eine geheime Brennerei im Keller?",will Eddie an Murray gerichtet wissen, der gerade zwei Flaschen Vodka auf den Tisch stellt.
"Wenn ich es dir sage, Dauerwelle, muss ich dich leider erschießen",erwidert Murray zwinkernd und Eddie verzieht das Gesicht.
"Nicht witzig",sagt er zerknirscht und du lachst.
"Hey! Das ist wirklich nicht witzig!",tadelt dich Eddie, was nur dazu führt, das du noch lauter lachst. Murray steigt glucksend mit ein und kurz darauf bricht die ganze Gruppe in schallendes Gelächter aus.
Es wirkt, als würde die Anspannung aus allen herausbrechen. In einem hysterischen Lachanfall.
Nur Eddie sieht verwirrt von einem zum anderen und zuckt dann mit den Schultern, bevor er das Vodkaglas an die Lippen führt.
Schwer atmend hälst du dir den Bauch.
Eigentlich ist dir gerade eher zum weinen zumute. Doch dein Körper hat sich für eine andere Reaktion auf den Stress entschieden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigen sich endlich alle wieder und eine erdrückende Stille bricht aus.
Dustin klatscht plötzlich in die Hände und du bist nicht die einzige, die vor Schreck zusammenfährt.
"Meine Fresse, Henderson!",stöhnt Steve und fährt sich mit der flachen Hand durchs Gesicht.
"Kannst du nicht einmal etwas weniger dramatisch sein?!"
"Was kann ich dafür, das ihr so schreckhaft seid?",erwidert Dustin beinahe beleidigt und wendet sich dann mit einem breiten Grinsen Eddie zu.
"Erzähl uns eine Geschichte!",sagt er und Eddie zieht die Augenbrauen hoch.
"Wie bitte?!"
"Erzähl uns eine Geschichte! Wie ein Dungeonmaster!",sagt Dustin und nickt eifrig.
"Ehm, jaaaaaa, das könnt ihr vergessen!",erwidert Eddie und lehnt sich im Sofa zurück.
"Oh Eddie komm schon!",ruft Dustin enttäuscht.
"Ich finde auch, du solltest uns eine Geschichte erzählen, Meister",sagst du zwinkernd und siehst für einen Moment das Verlangen in Eddies Augen aufblitzen, während er nervös mit seinen Ringen spielt.
Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht.
"Na gut",sagt er und lehnt sich nach vorn, straff die Schultern.
"Ich werde euch die Geschichte von Tinúviel erzählen",beginnt er und dir fährt ein angenehmer Schauer über den Rücken.

"Das Gras war grün, das Laub hing dicht,
Die Schierlingsdolden blühten breit,
Da huschte durch den Wald ein Licht,
Wie Sternenglanz zur Erde fällt:
Tinúviel tanzte, Elbenmaid,
Zur Flöte, hold von Angesicht,
Von Sternen funkelte ihr Kleid
Und war ihr dunkles Haar erhellt

Da irrte Beren durch den Wald,
Vom Berge kam er her allein,
Den Strom der Elben fand er bald
Und ging ihm voller Trauer nach.
Doch plötzlich sah er einen Schein
Von Licht im dunklen Waldgemach,
Von weh’nden Schleiern einen Schein
Und goldne Funken tausendfach.

Da stürzt, beseelt von neuer Kraft,
Der Wanderer aus fernem Land
Tinúviel nach in Leidenschaft,
Er greift nach ihr mit Ungestüm.
Ein Mondstrahl bleibt ihm in der Hand,
Durchs Dickicht tanzt sie leicht dahin,
Lässt ungestillt die Leidenschaft,
Und er muss einsam weiterziehn.

Wie oft vernimmt er flücht’gen Schritt
Von Füßen, leicht wie Lindenlaub,
Und unterirdische Musik,
Verwehend wie ein sterbender Ton.
Mit Nebelrauch und Silberstaub
Des Rauhreifs naht des Winters Tritt,
Mit leisem Wispern Blatt um Blatt
Fällt’s aus der Buchen welker Kron’.

Er sucht sie ewig, unverzagt,
Wo dicht der Blätterteppich liegt,
Bei Mond und Stern und wenn es tagt.
Ihr Schleier weht im Silberglanz,
So dreht sich schwerelos und fliegt
Tinúviel, die Elbenmagd,
Wie sich die Flocke wirbelnd wiegt.

Als um der Winter, kehrte sie
Zurück und sang den Frühling wach
Mit Vogellied und Melodie
Des Regens auf vereistem Bach.
Die Sehnsucht trieb ihn wie noch nie
Zum Tanz, zu ihr, es lockte ihn,
Mit ihr so leicht dahinzuziehn,
So leicht im Tanz dahinzuziehn.

Sie floh – er rief den Namen schnell,
Mit Elbenlaut rief er sie an:
Tinúviel! Tinuúviel!
Da hielt sie ein im raschen Lauf,
Die Stimme schlug sie in den Bann.
Schon eilt er zu Tinúviel,
Da sah sie ihn verzaubert an:
Er fing sie in den Armen auf.

Und unter ihrem Schattenhaar
Sah Beren hell der Sterne Licht
Gespiegelt in dem Augenpaar
Der Elbin, der unsterblichen.
Verfallen war sie dem Gericht.
Sie schlang die Arme wunderbar
Um ihn: Er sah ins Angesicht
Der elbisch unverderblichen.

Lang trieb sie dann das Schicksal um
Durch Felsgeklüft und kalte Nacht,
Durch finstre Wälder, fremd und stumm,
Dann trennte sie das weite Meer.
Und dennoch war zuletzt die Nacht,
Gericht und Zeit der Prüfung um,
Vereinte sie des Schicksals Macht –
Und lange, lange ist es her."

Du hast, wie alle anderen, gebannt an Eddies Lippen gehangen. Natürlich weißt du, das diese Geschichte, oder vielmehr dieses Lied, aus dem Buch Herr der Ringe stammt und die Geschichte von Beren und Lūthien erzählt. Aber du bist dir ziemlich sicher, dass bis auf die DnD Truppe und dir, niemand diese Geschichte kennt.
Robin schüttelt sich und nickt anerkennend.
"Mann, Ed. Du kannst einem echt Gänsehaut bereiten",sagt sie und Eddie grinst breit.
"Echt, Alter",pflichtet Steve Robin bei.
"Oh man,"sagt Will leise und schaust ihn an, "Ich würde echt gerne Mal eine Kampagne von dir spielen."
Eddie lächelt.
"Du bist herzlich eingeladen",sagt er und dein Herz erwärmt sich.
Hoffentlich bekommen sie nochmal die Gelegenheit, gemeinsam zu spielen. Will wäre Feuer und Flamme.

Liebe Leser (m/w/d),
an dieser Stelle möchte ich anmerken, das es sein kann, das die Kapitel jetzt etwas langsamer kommen. Das liegt nicht daran, das ich keine Zeit zum Schreiben habe, sondern daran, das es mir schwer fällt, Eddies und Izzys Geschichte zu beenden. Ich kann einfach nicht loslassen🙈😅 Also seht es mir bitte nach, dass ich etwas Zeit brauche, um mich mit dem Gedanken, das alles ein Ende haben muss, anzufreunden 🫣
Ich danke euch herzlich für eure Unterstützung und euer Feedback!
Danke, danke, danke!❤️🥰
Ihr seid super! ♥️

Die Zeitreisende, Izzy & Eddie Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt