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Ich zögerte als wir das Behandlungszimmer betraten. Natürlich blieb das nicht unbemerkt. "Jacky ich wechsle nur den Verband und schau mir schnell deinen Arm an", erklärte Niklas mir. Ich nickte nur und setzte mich auf die Liege. Wie immer vor einer Untersuchung war ich sehr nervös. Niklas der mich wirklich gut, sogar zu gut kannte, wusste das.
Niklas wollte nach meinem Arm greifen aber reflexartig zog ich meinen Arm weg. "Tschuldigung", entschuldigete ich mich schnell da ich selber nicht mit dieser Reaktion gerechnet hatte. Schnell streckte ich ihm meinen Arm entgegen. Ich wollte es einfach nur hinter mich bringen. Niklas schaute mir kurz in die Augen. Ich wich seinem Blick aus. "Jacky schau mich an", sagte er. Ich schaute ihn wieder an. Er griff nach meinem Arm. Er wechselt nur den Verband, sagte ich mir immerwieder um meine aufsteigende Panik zu unterdrücken. Woher kam nur diese Angst? Ich verstand es einfach nicht.
Doch anstatt den Ärmel hoch zuziehen griff Niklas nach meinem Handgelenk. Ich wusste das ich zu schnell unterwegs war. Ich atmete tief durch. Da kam mir eine Idee. "Kann nicht ich einfach den Verband wechseln?", fragte ich Niklas. "Ich muss mir den Arm auch noch anschauen, also Nein. Wieso bist du den wieder so schnell unterwegs?"
"Kannst du dann nicht einfach anfangen?"
Er schwieg kurz und wartete bis mein Puls etwas sank. Dann zog er mit Blickkontakt zu mir meinem Ärmel rauf. Der Verband kam zum Vorschein. "Ich mach den Verband ab, okay?" Nichts okay, ich wollte nicht das er schon wieder die Wunden sah! Ich nickte nur, er würde es ja so oder so machen. Niklas fing an den Verband abzuwickeln. "Hast du noch Schmerzmittel genommen?", fragte er mich währenddessen.
"Ja"
Kurz entstand Schweigen.
Als er fast am Ende des Verbands war hielt er inne und schaute mir direkt in die Augen. Was war jetzt los? Irgendwie machte mir das Angst. "Wieso hast du dich selbst verletzt und warum nimmst du Beruhigungsmittel?", fragte er mich und schaute mir direkt in die Augen. Warum musste die Frage ausgerechnet jetzt kommen? "Das ist eine Sache die nur mich was angeht", sagte ich und versuchte überzeugend rüber zu kommen. Unsicherheit würde jetzt gar nicht gehen, da Niklas das wahrscheinlich nutzen würde.  "Warum?", fragte er nach. 
"Weil es euch alle nichts angeht"
"Okay"
"Was okay?"
"Es ist okay, wenn du denkst das es mich und die anderen nichts angeht, dann ist das halt so. Du weißt aber auch das du jederzeit mit uns reden kannst egal mit wem, wir sind immer für dich da", sagte er. Was? Kein so lange nachhaken bis ich es endlich sage? Ich war so überrascht das ich kaum mitbekam das Niklas den Rest des Verbandes abmachte.
Ich schaute meinen Arm an. Man sah deutlich die genähten Wunden. "Jacky?", sagte Niklas. Ich schaute ihn an. Er schwieg kurz. Was sollte das jetzt wieder? Er schaute mir direkt in die Augen. "Wolltest du dich umbringen?", fragte er mich direkt.
"Was? Nein! Spinnst du?! Ich bring mich doch nicht um!", sagte ich wütend aber auch fassungslos wie konnte er denken das ich mich umbringen wollte?
"Okay gut", sagte er.
"Was okay gut?"
"Das du dich nicht umbringen wolltest"
"Also glaubst du mir?", fragte ich erstaunt.
"Ja, ich weiß wann du lügst und wann nicht". Gruselig.
"Wirklich?"
"Ja"
Er betrachtete meinen Arm eine Weile.
"Ich desinfizierte nochmal zur Sicherheit", sagte er. Ich nickte nur stumm. Er drehte sich um und suchte in den Schränken rum. Ich starrte auf meinen Arm. Wieso hatte ich das gemacht? Die Bilder von dem blutverschmierten Bad kamen mir in den Kopf. Warum? Warum hatte ich das gemacht? Ich dachte zurück an den Zeitpunkt an dem mein Arm einfach nicht mehr aufgehört hat zu bluten. "Jacky hey was ist los?", hörte ich Niklas sagen der mit der Hand vor meinem Gesicht rumwedelte. Ich hatte nicht mal gemerkt das er sich vor mich gesetzt hatte.
"Alles gut", sagte ich schnell. Erst da merkte ich das ich weinte, schnell versuchte ich die Tränen zurückzuhalten, am liebsten würde ich jetzt einfach in Niklas's Armen liegen und mich ausweinen. "Das ist eine Lüge", sagte er. Ich nickte nur. Er hatte ja recht. Es war gar nichts gut. Niklas fing mit dem desinfizieren an. Es brannte und ich wollte meinen Arm zurückziehen aber Niklas hielt mich fest.
Nach ein paar Sekunden wurde er endlich fertig. Kurz schaute er nochmal die Wunden an. "Du weißt das das wirklich knapp war", sagte er und schaute mich kurz an. Ich nickte nur leicht. "Du hast die Pulsschlagader getroffen darum hat es auch so stark geblutet", erklärte er. Warum hatte ich das nur gemacht? Niklas begann den neuen Verband um meinen Arm zu wickeln. "In ein paar Tagen müssen die Fäden gezogen werden, da ich annehme das du dazu nicht ins Krankenhaus gehen willst kann ich das dann auch hier machen", sagte er. "Danke".
Er machte schnell den Verband um meinen Arm. Als er fertig war stand er auf. "Ich muss jetzt leider gehen"
"Okay", sagte ich nur. Ich wusste nicht was ich denken sollte. Einerseits war ich froh darüber aber auf der anderen Seite wollte ich das er bleibt. Er war mein bester Freund. Nur diese blöde Phobie und meine Ängste das er etwas herausfand was er besser nicht wissen sollte brachte uns auseinander. Alles wird deswegen zerstört. Warum? Warum konnte ich nicht einfach normal reagieren und einfach mit dem Beruhigungsmittel und den anderen Dingen aufhören? "Was ist los?", holte mich Niklas aus meinen Gedanken.
"Was sollte sein?"
"Du starrst seit fast einer Minute die Wand an"
"Oh Tschuldigung" So lange schon?
"Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen"
Ich stand von der Liege auf. Niklas drückte mich sanft aber bestimmt zurück. Sofort stieg mein Puls wieder und Panik stieg in mir auf. Was hatte er jetzt vor? "Jacky was macht dir so Angst?"
"Ich dachte du musst gehen", sagte ich, meine Stimme zitterte leicht.
"Ein paar Minuten hab ich noch"
"Schön dann gehen wir zu den anderen runter"
"Jacky ich will nicht das irgendwas zwischen uns steht"
"Ich auch nicht"
"Warum hast du so Angst?"
"Ich weiß es nicht!"
"Was ist in den letzten Wochen mit dir passiert?"
"Was soll passiert sein?"
"Seit Elly im Krankenhaus war hast du dich verändert du hast wieder angefangen dich selbst zu verletzen und seit du den Panikattackenanfall hattest erkenn ich dich gar nicht mehr. Sei mal ganz ehrlich, du hattest, als du erfahren hast das ich heute komme Angst und wolltest eigentlich nicht das ich komme?"
Woher wusste er das? Wieso kannte er mich nur so gut? Ich sagte nichts und schaute zu Boden.
"Ich merke doch wie angespannt du in meiner Gegenwart bist und das du mir und auch den anderen aus den Weg gehst hab ich auch mitbekommen. Niemand kommt mehr richtig an dich ran und du verschließt dich, gehst uns aus dem Weg und reden tust du überhaupt nicht mehr"
Tränen schossen mir in die Augen. Er hatte ja so recht. Aber was sollte ich machen? Ich hatte Angst vor ihnen, aber wieso? Weil ich Sachen machte vorüber die anderen sicher nicht sehr froh wären, wie z.b das Beruhigungsmittel. Ich wusste einfach nicht wie ich davon weg kam. Ich hatte so Angst. Es zeigte noch nicht mal mehr Wirkung nur wenn ich es nicht nahm die Nebenwirkungen. Warum hatte ich überhaupt damit angefangen? Was würde sie machen wenn sie es erfahren würden? Am Ende stecken die mich noch in die Psychiatrie. Nein, dort wollte ich auf keinen Fall hin!

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold (Asds FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt