65~ gespritzt

348 16 0
                                    

Yamila sitzt in der Bahn und hört Musik. Dazu summt sie leise mit und denkt an das Gespräch mit Clara. Sie freut sich schon sehr, sie Ryan vorzustellen.

Dann denkt sie an Anna. Heute ist so viel passiert. Sie nimmt ihr Handy in die Hand und schreibt Anna eine Nachricht, ob sie klar kommt.

Dann schreibt sie Ryan, dass sie auf dem weg nach Hause ist. Sie hatte Benjamin versprochen, ihm beim Kuchen backen zu helfen.

Morgen wollte sie mal nach Hause und in Janniks altes Zimmer. Sie war da nach seinem tot schon lange nicht mehr drinnen. Niemand bis auf die Putzfrau war das. Aber Yamila will sich nach und nach mit ihren Dämonen auseinander setzen. Sie muss endlich abschließen mit allem, was sie immer wieder unter Wasser zieht. Da gehört sein tot auch dazu.

Dann vibriert ihr Handy. ,,Hey." sagt sie. ,,Hallo." kommt es schwach von der anderen Seite. ,,Wie geht es dir?" Stille. Kein Wort. ,,Nicht so. Ich habe mir eine auszieht von der Arbeit genommen. Zum klar kommen." Yamila nickt. ,,Ja, ist gut." ,,Ich leg mich jetzt etwas hin."

,,Anna?" ein leises Hm ist zu hören. ,,Ich bin für dich da. Okay?" ,,Danke." dann legt sie auf. Yamila atmet tief durch. Mein Gott. Sie weiß genau, was Anna gerade durchmachen muss. Ein Betrug ist einfach schrecklich. Wieso hatte er nicht mit ihr geredet? Wieso, hatte er das so gemacht?

,,Wollen Sie sich setzen?" fragt sie eine schwangere Frau mit vollen Taschen, die das Angebot gern annimmt. Dann vibriert ihr Handy wieder. Unbekannte Nummer. ,,Hallo?"

,,Yamila..." ein schluchzen. ,,Yannie? Was ist los? Woher hast du ein Handy?" Teil des Entzug ist es, dass sie sich für drei Monate komplett Abschottung müssen. Kein Kontakt zu niemandem.

,,Du musst mich abholen. Bitte." sie versteht Yannie durch das weinen sehr schlecht. ,,Wo bist du denn?" ,,Ich bin in der Substation."

,,Oh Yannie..." sie nennt ihr die Station wo sie hinkommen soll. Yamila steigt sofort an der nächsten Haltestelle aus und schaut auf dem Plan, wie sie schnellstmöglich da hin kommt.

Dann schreibt sie Benjamin einrichten SMS, dass sie heute etwas später kommt, und bekommt einige Minuten später ein Daumen hoch. Seit er ein Handy hat, ist er ganz schön modern unterwegs. Neulich hatte er sich AirForce im Internet bestellt, weil er Werbung dafür gesehen hatte. Jetzt läuft er mit blauen Schuhen herum, die alle dazu veranlassen sich zu ihm umzudrehen.

Bis Yamila ihm erklärt hatte, wie SMS funktionieren, hätte sie im selben Zeitraum auch die Bibel neu schreiben können. Ungeduldig trommelt sie auf ihre Oberschenkel. Noch zwei Mal umsteigen und dann muss sie Yannie nur finden.

Endlich angekommen läuft Yamila in die eine Richtung. Doch nichts. Dann in die andere Richtung. Auch nichts. Hatte sie sie übersehen?

Sie lässt ihren Blick schweifen und erkennt ein paar Junkies. Sofort kommen ihr 100 Gedanken in den Kopf, was Yannie alles passiert hätte sein können. Also folgt sie den beiden und hofft, da sie sie da hin führen wo sie sich alle immer aufhalten. Es gibt nämlich immer Ecken, wo sie sich aufhalten.

Die beiden Männer verschwinden in einen alten, abgesperrt Bereich. Der scheint wohl schon länger stillgelegt worden sein. Die Decke ist nicht fertig ausgebaut, überall hängen Kabel und an der linken Seite laufen Bahngleisen, die nur teilweise gelegt worden sind.

Sie umklammert ihre Tasche so fest, dass ihre Knöchel weiß hervor stehen. Sie hasst solche Gassen. Sie hasst sie so sehr. Sie lässt den Blick hin und her wandern. Sieht sie eine blonde Person, setzt ihr Herz eine Sekunde aus.

,,Na süße, brauchst du Stoff?" fragt ein Kerl sie, doch geht sie einfach dran vorbei. Wenn sie auch nur eine Person anfassen würde, würde sie mit aller kraft zuschlagen die sie besitzt. Und sie ist nicht schwach, nicht mehr. Sie sucht mit den Augen jede dunkle Ecke ab. Dann sieht sie eine Gruppe aus sechs Personen bestehend und nährt sich ihnen. Unter ihnen befindet sich ein blondes Mädchen.

Beim genauen hinsehen und der Gewöhnung an die Dunkelheit, erkennt sie Yannie die benommen am Boden sitzt. Sofort eilt Yamila auf sie zu. Sie hockt sich zu ihr auf den Boden und fasst an ihre Schulter. Durch ihren Kopfhörer läuft noch immer Musik, welche sie aber ausblendet. ,,Yannie?!" sie rüttelt an ihr. In ihrem linken Arm steckt eine Nadel. ,,Scheiße, Yannie..." vorsichtig zieht Yamila das Teil aus ihrer Schwester und drückt mit ihrem Ärmel auf die Einstichstelle.

,,Yamila... Hilf mir..." kleine Tränen laufen Yamila die Wange runter. Ihre Schwester in so einem Zustand zu sehen ist schrecklich. Sie zieht Yannie auf die Beine und merkt dann, dass sie gar keine Schuhe an hat. Aus ihrer Tasche zieht sie ein paar Ersatzsocken und versucht sie Yannie anzuziehen, ohne, dass sie zu Boden fällt. Dann unterstützt sie sie beim gehen in Richtung Ausgang. ,,Ich muss den Rettungsdienst rufen."

,,Ich will nach Hause." sagt sie und sackt dann zusammen. Shit. Sie ist so schwer. ,,Kein Rettungswagen." Plan B. Ungeschickt zieht Yamila ihr Handy aus der Tasche. ,,Hey Siri. Ruf Ryan an." Ryan wird angerufen sagt eine Roboterstimme und schon wählt es. ,,Hallo Sonnensch." beginnt er doch wird direkt unterbrochen. ,,Ryan, hilf mir." zwei Kerle rufen ihr etwas zu, was sie versucht auszublenden. Doch Ryan hat es gehört. ,,Wo bist du?" sie nennt ihm die U-Bahn Station und schon legt er auf.

,,Yamila!" ruft er und kommt auf sie zu, gefolgt von einem Freund von ihm, Peter. Sein Blick geht zu ihr, dann zu Yannie. ,,Ich weiß nicht was sie sich gespritzt hat. Aber ein Rettungsdienst würde die Polizei rufen. Wir müssen sie zu Dr.... Dingens dem einen Artz beingen." er nickt und hebt Yannie auf seine Arme. ,,Komm."

Während Ryan und Peter sich auf die Straße konzentrieren, streichelt Yamila Yannis Kopf und fühlt gleichzeitig mit der anderen Hand nach ihrem Puls. Er ist schwach, aber vorhanden. Sie atmet. Flach, aber sie atmet.

Peter schaut nach hinten zu Yamila. ,,Alles okay?" sie nickt. ,,Ja. Alles okay." sie schaut zu Ryan, der sie durch den Rückspiegel anschaut. Die Straßen sind voll, nicht voller als üblich aber fühlt es sich voller als sonst an.

,,Wie lange müssen wir noch?" fragt sie, denn sie traut sich kaum von Yannie weg zu sehen. ,,Noch fünf Minuten." sie nickt einfach nur. Fünf Minuten noch. Dann bekommt sie Hilfe.

Yamila erkennt das Gebäude. Ryan öffnet ihr die Tür während Peter sich Yannie schnappt und sie zum Eingang trägt. Ryan schmeißt einem Kerl seine Schlüssel zu und nimmt Yamila an die Hand, da diese wieder zittert. ,,Hey, Sunny." er dreht sie zu sich. ,,Es wird alles gut. Dr. Jenkins ist der beste, das weißt du. Immerhin hast du viel von ihm gelernt damals." sie nickt.

,,Ja, du hast recht. Okay. Komm."

Love me touchlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt