75~ Können wir reden?

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Er sitzt auf dem Bett, sie kniet nackt vor ihm. Sie schluchzt und weint wieder. ,,Sunny, nicht weinen. Bitte, das bricht mir mein Herz." sie schüttelt schwach den Kopf. ,,Du hast meins gebrochen." ja, das hat er. Schon wieder. Und sie muss es wieder zusammen setzen. Schon wieder.

Dann sieht sie zu ihm hoch. Ihm läuft ebenfalls eine Träne die Wange runter. ,,Was tun wir hier? Was war das gerade? Das hatte doch nichts mit Liebe oder Zuneigung zu tun..." sagt sie, immer noch weinend.

,,Ich weiß es nicht." murmelt er. Er legt ihr ihre Wolldecke um die Schulter. Dann setzt sie sich auf sein Schoß und umschließt auch seine Schultern mit der Decke.

,,Liebst du sie Ryan?"
,,Nein."
,,Bist du verliebt in sie?"
,,Nein."
,,Magst du sie?"
,,Sie ist nett. Das ist das einzige was ich an ihr mag."
Yamila nickt verständlich.

,,Sunny, du bist die einzige die ich liebe, die ich je geliebt habe und je lieben werde." wieder nickt sie. ,,Und das ist das Problem. Wir sind beide so abhängig voneinander. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen andern Mann als dich an meiner Seite haben möchte und werde. Aber ich kann nicht immer wieder auf dich warten. Und vor allem kann ich nicht immer wieder mein Herz von dir brechen lassen."

,,Warte Sunny. Warte ein letztes mal auf mich. Ich werde das zu Ende bringen und dann ist Schluss mit meinem alten Leben." eine Augenbraue wandert nach oben. ,,Schluss mit allem? Auch mit Jadon?" er nickt.

,,Versprochen Sunny." sie legt den Kopf in den Nacken und denkt einen Moment nach. ,,Okay, ich werde warten. Aber Ryan, dass ist das letzte mal. Ich werde das letzte mal dulden, dass du mich bewusst hintergehst, mir bewusst weh tust. Und wenn das alles vorbei ist und alles geregelt ist, dann komm nach Hause. Komm zu mir nach Hause. Ich liebe dich und ich brauche dich. Komm zurück zu mir."

Er legt seine Hände an ihre Wangen und streicht die Tränen weg. ,,Das werde ich Baby. Du glaubst gar nicht wie sehr ich dir etwas besseres als mich wünsche. Du verstehst auch gar nicht, dass nicht du mich brauchst, sondern ich dich. Ich werde die scheiße beenden und dann komme ich zu dir. Wir werden wegziehen und neu beginnen."

Sie küssen sich noch mal, sehnsüchtig und diesmal voller Liebe. Sie wissen nicht, wann sie sich wieder sehen werden, aber sie werden sich wieder sehen. Dass hoffen beide inständig. Diese Beziehung ist mehr als toxisch, aber können sie nicht ohne den anderen.

Als er gegangen ist, setzt Yamila sich auf das Sofa, mit einer Tasse Kaffee und sieht sich irgendwas dummes im Fernsehen an. Plötzlich hört sie es rumpeln eine Etage tiefer.

Sofort schnappt sie sich den Schlüssel von Benjamin und läuft zu ihm runter. Für den Fall der Fälle hat er ihr einen gegeben. Sie klingelt, schließt auf und sieht ihn in der Küche stehen.

,,Oh Gott sei dank ist dir nichts passiert." sagt sie und schaut sich den Scherbenhaufen auf dem Boden an. Ein Fach im Schrank hat sich gelöst und alle Teller sind zu boden gefallen. ,,Ich wollte dich nicht erschrecken liebes."

Sie lächelt schwach. ,,Wie lange sage ich schon, dass es Zeit wird eine neue Küche zu besorgen? Du kannst froh sein, dass dir nichts auf den Kopf gefallen ist." sie genießt die beziehung zwischen den beiden. Er ist wie ihr Großvater.

,,Ja, ich denke jetzt ist es Zeit für eine neue Küche." sie nickt und beginnt die Scherben vom Boden zu sammeln. Eine Weile sieht er sie einfach an. Ihre Augen sind geschwollen und sie ist ganz blass.

,,Wann musst du wieder arbeiten?" fragt er und setzt such auf einen Stuhl, den Yamila ihm zurück gezogen hat. ,,Freitag." er nickt.

,,Macht das singen noch spaß?" ,,Ja." sagt sie schwach. Dann laufen ihr wieder Tränen die Wange runter als ihr ein Bild in den Kopf schießt. Ryan kniet vor Esmeralda. Vor einer anderen Frau wie Yamila.

,,Was ist passiert?" fragt er bedrückt und berührt sie an der Schulter. Auch er hat sich ihr Vertrauen verdient und kann sie nun berühren. Yamila erzählt ihm was vorgefallen ist. Alles. Er hört ihr zu, reicht ihr ein Taschentuch und holt dann Whisky aus dem Schrank mit zwei Gläsern.

,,Ich glaube Tee ist jetzt nicht das Richtige für dich." sie lacht und nimmt dankend das Getränk entgegen. Eine ganze Weile sitzen sie nur da und sagen kein Wort. Sie sehen sich den Alkohol an, schwelgen in Gedanken an beider schwerer Vergangenheit und genießen die heilende Stille.

,,Danke Benjamin." er legt den Kopf leicht schief. ,,Wofür liebes? Ich sage doch nichts." sie nickt. ,,Genau dafür." sie ist so müde andauernd allen von ihren Gefühlen zu erzählen. Dann vibriert ihr Handy. Tim.

Können wir reden?
Reden. Es ist etwas spät fürs Reden. Sie starrt die Nachricht an. Sie geht ihm aus dem Weg. Er wusste Bescheid, die ganze Zeit. Nach all den Jahren von keinem Kontakt hatte sich ihre Beziehung verändert. Sie waren sich nicht mehr so nahe, sie wollte nicht.

Nein, sie konnte nicht. Nicht nur, dass er ein Mann ist, sondern auch, weil sie sich von ihm verletzt und verraten gefühlt hat. Ja, das hat sie versucht zu verdrängen und nicht anzunehmen, aber wäre es nicht so, hätte sich ihre Freundschaft erholt. Oder?

Sie nimmt sich ihr Handy. Nein. Schreibt sie kurz. Sie will sich keine Erklärung anhören. Er hat sie gemieden, sie beleidigt. Doch ist er der Grund wieso ihr Bruder untertauchen musste. Bitte Yamila. Ich muss es dir erklären. Wieso kannst du Ryan verzeihen aber mir nicht? Sie tippt eine neue Antwort.

Weil Ryan mich belogen hat für dich. Du hast mich beleidigt und gemieden. Du hast Dinge von mir gedacht und mich nicht zu Wort kommen lassen. Und jetzt soll ich dir zuhören? Benjamin sieht, dass sie wieder mit ihren Tränen kämpft und gießt ihr und sich noch mal was ein.

Ja. Sie schnaubt aus und dreht ihr Handy um. ,,Der kleine Bruder?" sie nickt. Benjamin kennt auch die Geschichte von Tim und ihr. Sie haben viel Zeit miteinander verbracht.

,,Er will, dass ich ihm zuhöre und verzeihe." ,,Willst du das nicht?" sie schüttelt den Kopf und leert das Glas in einem Zug.

,,Nein. Ich bin es leid ihm zu verzeihen. Ich habe ihm so oft verziehen. Ich kann nicht mehr. Er muss sich ändern." Benjamin nickt und ist ehrlich gesagt stolz das von ihr zu hören. Er hat sich schon gefragt, wann sie diese Erkenntniss bekommt. Ein Mensch ist irgendwann mal bedient vor lauter Enttäuschung.

Nach zwei weiteren Gläsern legt sie Benjamin ins Bett, der noch etwas lallt was sie nicht versteht, geht sie aus seiner Wohnung. Dann beschließt sie spazieren zu gehen. Die frische Luft tut ihr gut. Bald wird alles besser. Ja, ganz sicher.

Love me touchlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt