29~ Maria

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,,Hallo Yannik... Ich bin wieder daheim." Yamila setzt sich vor sein Grab. Was die anderen Leute die sich hier auf dem Friedhof befinden denken ist ihr relativ egal.

Sie hatte sich immer vor sein Grab gesetzt und mit ihm geredet, wieso nicht auch jetzt? Sie spielt mit dem Stoff ihrer Oversize Bluse.

,,Ich weiß, ich sehe schrecklich aus. Aber so schlimm steht es um mich gar nicht. Yannie geht es viel schlechter." sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Kaffee aus der Thermoskanne.

Wäre er hier, würde er sicher auch einen Schluck wollen. Die beiden lieben Kaffee einfach so sehr. ,,Du würdest jetzt sicher die Augen verdrehen und dich über unser Prinzesschen aufregen. Aber diesmal geht es ihr wirklich nicht gut. Zum Teil bin wahrscheinlich auch ich Schuld. Wäre ich nicht weggegangen, dann wäre ihre Drogensucht sicher nicht so schlimm. Außerdem ist sie mit Logan zusammen. Du weißt bestimmt, was er für ein Arsch ist. Milde gesagt."

Ihr Handy vibriert. Yannie hat eine Nachricht gesendet. Yamila, komm nach Hause. Mom ist da. Na toll... ,,Mom hat beschlossen uns zu besuchen... Ich sollte nicht wütend auf sie sein, aber sie hat uns alleine gelassen. Dich zu verlieren war schrecklich und sie ist einfach gegangen. Wir hätten sie gebraucht. Wir haben eine Mutter gebraucht. Ich kann nicht die Mutterrolle für Yannie übernehmen. Dafür bin ich zu kaputt..."

Sie geht sich durch die Haare. ,,Na gut, ich sollte dann Mal gehen. Ich komme dich nächste Woche wieder besuchen." damit steht sie auf und verlässt den schönen Friedhof mit den perfekten Gräbern, dem perfekten Rasen, den perfekten Hecken und den perfekten Menschen.

,,Yamila! Endlich..." Yannie fällt ihrer Schwester erleichtert um den Hals. ,,Mom wartet schon auf dich..." Yamila nickt einfach ganz uninteressiert. Sie betreten das Wohnzimmer, Ricardo und Maria sitzen auf dem Sofa. Maria hält mit ihrem dürren Fingern ein Glas Wein in der Hand.

Dieses Bild ist so vertraut, dass es beinahe schon erschreckend ist. Ihre blonden Haare liegen ordentlich auf dem Kopf. Dafür, dass sie scheinbar ihre ,,wilde Phase" hat, sieht sie ziemlich vornehm aus.

Ihr schwarzes Kleid liegt eng an ihrer Haut, ihre Beine sind überschlagen und die Füße mit roten Lack Pumps bedeckt. Das Make-up ist kräftig und die Haare sehr ordentlich in einem Dutt.

,,Mom. Sieh Mal. Yamila ist da." Yamila lächelt, doch verblasst dies als sie den prüfenden Blick ihrer Mutter sieht.

,,Yamila. Schön dich zu sehen." Yamilas Mundwinkel zucken. ,,Dito." Ricardo und Yamila sehen sich nicht an. Wozu auch? Es ist alles gesagt worden. Seiner Meinung nach.

Die Zwillinge setzten sich ihrer Mutter gegenüber. ,,Und, erzähl Mal Yannie. Wie läuft dein Studium?" fragt sie neugierig und sieht Yamila nicht an.

,,Oh, gut. Aber erzähl doch Mal von dir. Was machst du gerade." Maria geht sich mit der rechten Hand über die Haare, beinahe so, als wolle sie sie glatt streichen.

,,Ich war heute beim Anwalt. Ich und mein Freund wollen heiraten." Bei diesem Satz sieht Yamila schlagartig zu ihrem Vater, der ganz blass zu werden scheint.

,,Und wie ist er so?" fragt Yannie noch weiter. ,,Ganz toll. Sehr nett. Er hat drei wunderbare Kinder, die mich vergöttern." Yamila schnaubt leise aus. Alle sehen sie dadurch an.

,,Willst du was sagen?" Yamila sieht ihre Mutter eindringlich an. Sie hat schon verstanden was Yamila mit ihrem verachtenden Schnauben ausdrücken wollte.

,,Yamila, benimm dich." warnt ihr Vater sie. Ricardo ist immer noch blass um die Nase. Yamila versteht nicht, wieso er Maria nach allem immer noch in Schutz nimmt.

,,Als hättest du nicht das selbe wie ich gedacht." Ricardo sagt dazu nichts. Natürlich hatte er das selbe gedacht, aber würde er Yamila nie zustimmen. Das würde sein Stolz nicht zulassen.

,,Was soll er gedacht haben?" fragt Maria provokant ihre Tochter. Das konnte sie schon immer sehr gut. Einen Streit anzetteln. Egal wie nett sie früher war, eine hinterhältige Ader floss in ihr. Eine dicke, pulsierende Ader.

,,Tu doch nicht so dumm. Du weißt genau was ich meine. Du haust ab, in einer für uns alle schwere Zeit. Du meldest dich nicht, hast ein schönes Leben. Du verliebst dich, willst heiraten und kümmerst dich um seine Kinder wo du selbst noch zwei eigene hast die deine Hilfe gebraucht hätten."

Maria sieht Yamila ernst an. ,,Ich musste einfach Mal weg von allem. Das wurde mir zu viel." versucht sie sich zu verteidigen, was Yamila aber nur noch wütender macht. Sie steht auf um größer zu wirken.

,,Oh. Wirklich? Dann hättest du in den Urlaub fahren können! Du hättest uns nicht alleine lassen sollen. Eine Mutter tut sowas nicht. Eine Mutter ist für ihre Kinder da. Du bist abgehauen, willst heiraten und kümmerst dich um fremde Kinder während deine eeigenen eine Mutter brauchten. Deine eigenen Kinder verdammt! Der Tod von Yannik war nicht nur für dich schwer. Wir verloren einen Bruder und Dad einen Sohn. Du hast keine Ahnung wie es uns in den letzten Jahren ergangen ist, was wir durchmachen mussten wobei ich eigentlich deine Hilfe brauchte. Wobei ich eine Mutter brauchte. Aber du hast dir das Leben wieder schön leicht gemacht. Also tut mir leid, wenn ich mich weder über deinen Besuch, noch über die Nachricht deiner Verlobung freue."

Ricardo steht ebenfalls wütend auf. ,,Yamila, entschuldige dich bei deiner Mutter!" schreit er sie an. ,,Wieso?! Ich weiß, dass es stimmt, Yannie weiß es, du weißt es und Mom weiß es. Ihr seid nur zu stur und/oder zu feige es zu zugeben."

Ihr Telefon vibriert erneut. ,,Ja?" sie dreht sich zum Fenster und hört auf der anderen Leitung den Mann reden. ,,Ist gut, ich komme." dann dreht sie sich wieder zu ihrer Familie wo die Stimmung ziemlich gekippt ist.

,,Ich muss jetzt gehen." Ricardo steht auf und folgt ihr. ,,Wohin willst du?!" ,,Tut mir leid Dad, aber seit du mich aus der Familie geworfen hast, geht es dich absolut nichts mehr an was ich mache."

Sie stellt sich in den Aufzug und sieht Ricardo tief in die Augen während sich die Türen schließen. Sie fühlt sich ein kleines bisschen schlecht, da sie gerade so unglaublich unhöflich und zickig war. Aber will sie sich jetzt deswegen nicht den Kopf zerbrechen.

Ryan wäre jetzt sicher stolz auf sie gewesen, hätte er all das mitbekommen. Vielleicht erzählt sie es ihm ja auch. Oder Yannie erzählt es Logan, der Tim und Tim Ryan. Ja, so wird es womöglich eher ablaufen.

Love me touchlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt