Racing Short Stories🤍

• JV und LS •

Logan POV:
(TW: Selbstverletzung)
(Sonntag des Zandvoort-Wochenendes)

Was hatte ich mich doch auf das Wochenende in Zandvoort gefreut. Letztes Jahr sind wir hier auch in der Formel 3 gefahren und es super viel Spaß gemacht. Vielversprechend hat es auch nach dem Quali ausgesehen, auch Samstag lief ganz solide, jedoch ging es Sonntag einfach nur bergab.
Es war die absolute Vollkatastrophe.
Schlichtweg peinlich war es für ihn gewesen, wie er direkt nach dem Start ins Kiesbett gefahren war.
Wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, folgte daraufhin eine Berührung mit Ralph Boschung und mein Endgültiges Rennende in der Streckenbegrenzung.
Die Teambesprechung danach war die pure Hölle, denn ich hatte das Auto in einen Totalschaden verwandelt.
Ich wollte da einfach nur weg, so peinlich war es mir.
Am Anfang der Saison ist noch alles gut gelaufen, zwischendurch war ich sogar gut im Titelkampf dabei gewesen, jedoch geht alles nach der Sommerpause nur noch bergab. Felipe ist jetzt wahrscheinlich so gut wie Meister und wenn ich Glück habe, kann ich mir noch P3 sichern, mehr ist jedoch nicht drin. Auch geht es um meine Superlizenz, welche ich fast in der Tasche habe. Diese brauche ich unbedingt, damit ich meine Chancen auf ein mögliches F1-Cockpit aufrecht erhalten kann.
Es steht generell so viel auf dem Spiel und jeder kleine Fehler ist unverzeihlich. Dementsprechend groß sind auch die Vorwürfe, die ich mir selbst mache. Liam hatte schon versucht, mir diese auszureden, jedoch hatte ich abgeblockt. In solchen Situationen will ich am liebsten doch einfach alleine sein. Also habe ich, nachdem ich den Neuseeländer abgewimmelt haben, mich auf den Weg zum Strand gemacht. Das Wasser hat schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt und so hat es dies auch jetzt. Alleine schon das Spazieren auf der Suche nach einem guten Platz zum Sitzen hat gutgetan und die Gemüter sind schon ein wenig abgekühlt.
Da es schon September ist, ist es schon ein wenig frisch und auch der Wind, welcher hier nicht zu schwach weht, macht es nicht besser. Fröstelnd ziehe ich meine Williams-Jacke an, welcher ich zuvor über meinem Arm getragen hatte.
Ruhig ist es, obwohl es wolkenlose ist und die letzten Strahlen der Septembersonne noch am Himmel scheinen, bevor es anfängt zu dämmern.
Fast keine Menschen sind zu sehen, fast.
Wenn ich genau hinschaue, kann ich in eigenen Metern Entfernung jemanden auf einem Stein sitzen sehen, welcher aus dem Sand ragt.
Genau schaue ich hin, da mir die Person doch irgendwie bekannt vorkommt.
Bei genauem Hinschauen kann ich Jüri erkennen, welcher da sitzt und gedankenverloren aufs Meer zu starren scheint.
Ohne lange zu überlegen setzte ich mich dazu, schweige aber ebenfalls. Fragen tue ich mich jedoch schon, was der Este hier macht, denn eigentlich ist sein Wochenende gar nicht so schlecht gewesen. Er hatte ein solides Quali gehabt und hatte in beiden Rennen Punkte einfahren können.
„Alles gut?"frage ich den Esten nach einer Weile des Schweigens.
„Ich weiß es nicht", seufzt Jüri und dreht sich zu mir.
Seine blauen Augen wirken leer und strahlen nicht, wie sie es früher immer getan hatten.
Was ich weiß, ist, dass Jüri nach seiner Aktion in Liams Livestream nicht mehr der Jüri ist, der er mal war.
So offen und kommunikativ er früher gewesen ist, so schweigsam und zurückgezogen ist er jetzt. Zwar ist er ab und zu mal bei uns aufgetaucht, um kurz mit Liam zu reden und auch Marcus ließ er ein wenig an sich ran, jedoch ist es das auch gewesen, zumindest für den F2 Paddock.
„Wie meinst du das?",harke ich nach, da ich irgendwie gerade den Drang verspüre mehr wissen zu wollten und dem Esten gegebenenfalls zu helfen.
„Ja, eigentlich sollte ich mich freuen. Das Wochenende ist echt stark gewesen und ich habe gute Punkte mitgenommen, jedoch kann ich mich nicht freuen.
Egal, wo ich im Endeffekt lande, es hacken eh alle auf mir herum. Wenn ich schlecht platziert bin, heißt es, dass ich sowieso kein Talent habe und am besten gleich auch bei Hitech rausgeschmissen werden sollte und wenn ich gut fahre heißt es, dass ein viel besserer Fahrer an meiner Stelle sein könnte, welchem ich einfach Punkte wegnehme, da ich dich eh zu schlecht bin, um im WM-Kampf etwas ausrichten zu können und ich es gar nicht verdient hätte soweit oben zu stehen. Aber wahrscheinlich haben sie doch eh alle Recht. Nach dieser Saison werde ich wahrscheinlich eh nicht mehr fahren und einen anderen Platz werde ich wohl auch nicht bekommen, denn wer will mich schon haben? Die ganze Welt hat alles mitbekommen und ja, es war mein Fehler und es war dumm, so dumm von mir, das ist mir bewusst, jedoch wünsche ich mir einfach nur, dass sie es einmal auf sich beruhen lassen können. Ist das alles nicht genug Bestrafung?"
Okay, das alles so heftig ist, hätte ich nicht gedacht. Man hatte, wie eben schon erläutert, gemerkt, dass es Jüri getroffen hat, dass es so schlimm ist, hätte ich jedoch nicht gedacht. Er wirkte auf mich immer so, als wäre er wirklich hart im Nehmen, doch irgendwann war wohl auch bei ihm eine Grenze überschritten.
„Ach sei's drum. Du hattest heute echt einen scheiß Tag und ich heule dich hier voll.",winke er Este plötzlich ab und macht Anstalten sich aufzurichten und zu gehen, doch ich halte ihn am Arm fest und bewege ihn damit dazu sitzen zu bleiben. Was ich aber nicht erwartet hätte, ist das schmerzhafte Aufzischen, welches der Este daraufhin von sich gibt.
„Alles okay?", frage ich erstaunt nach, während Jüri sich wieder zu mir setzt.
„Ja klar",murmelt Jüri, hält sich jedoch immer noch seinen Arm.
„Das glaube ich dir nicht". Vorsichtig drehe ich mich zu dem Esten und schiebe seinen Ärmel hoch und was ich sehe, ist ganz und gar nicht gut.
Schnitte. Überall Schnitte und Narben.
„Jüri", murmle ich leise.
Betreten schaut der Este weg und ich ziehe seinenÄrmel wieder runter. Hätte ich das geahnt, hätte ich gar nicht nachgeschaut.
„Jetzt hältst du mich wahrscheinlich auch für verrückt oder?", höre ich ihn schlucken.
„Nein? Wie kommst du darauf?", schaue ich ihn fragend an.
„Einige Leute haben es gesehen, aus Versehen, und haben mich einen Verrückten genannt", gesteht er mir.
Wow, das ist doch alles schlimmer, als ich gedacht habe.
„Du bist kein Verrückter", meine ich aufrichtig und lege einen Arm um den Esten.
„Doch", geht er dagegen an,"Hast du ja gesehen."
„Das ist aber kein Indiz dafür, dass du verrückt bist. Du machst gerade eine schwere Zeit durch. Ich würde dir zwar nicht dazu raten, so mit deinen Problemen umzugehen, aber wenn es hilfreich ist...", lasse ich den Satz auslaufen.
„Ist es ja nicht", murmelt Jüri, welcher sich an meine Brust gelehnt hat," Ich kann aber auch nicht aufhören."
„Sei wann?"
„Ende Juni".
Seufzend streiche ich vorsichtig über seinen rechten Arm, um ihm ja nicht wehzutun.
„Das tut mir wirklich leid. Wenn du das nächste Mal daran denkst, dann ruf mich an oder so. Ich will nicht, dass du dir das nochmal antust."
„Ich werd es probieren", murmelt der Este und schaut geradeaus, auf den Sonnenuntergang, welcher mittlerweile am Horizont erschienen ist und den Himmel in ein dunkles Orange taucht.
„Das will ich hoffen. Du wirst das schaffen und irgendwann sind diese Schnitte nur noch Narben. Weißt du, was mir mal gesagt wurde?
Narben erinnern uns daran, das die Vergangenheit Realität war. Damals war ich vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Meine beste Freundin ritzte sich damals. Kurz bevor ich nach Europa rüber bin, habe ich sie gefragt, ob es wirklich okay für sie gewesen ist, dass ich sie zurücklasse und habe auf ihre Narben geschaut. Hatte Angst, dass sie rückfällig wird. Dann sagte sie diesen Satz zu mir und genau diesen will ich dir auch mitgeben, Sie sind lediglich eine Erinnerung an eine schwere Zeit, welche sie damals mit Bravour hinter sich gelassen hat. Sie haben sie jeden Tag daran erinnert, wie stark sie war, dem allen zu entkommen und ich bin mir sicher Jüri, dass du das auch schaffen wirst. Ich glaube an dich und auch an dein großes Talent. Irgendwann wirst du das auch wieder schaffen und ich hoffe, dass du, wenn du an dem Punkt bist, an diesen Satz zurückdenken kannst.
„Danke Logan. Das hat echt gutgetan. Ich werde auf jeden Fall versuchen, mich daran zu erinnern.", gesteht Jüri und kuschelt sich ein wenig näher an mich ran.
„Du hast dich echt um deine beste Freundin gesorgt, oder?"
„Ja klar, es ist meine beste Freundin. Genauso sorge ich mich aber auch um dich. Keiner sollte an den Punkt gelangen, an dem er zu solchen Mitteln greifen muss. Wie gesagt, melde dich bei mir, wenn du Hilfe brauchst. Ich werde mir dann Zeit nehmen.", versichere ich Jüri und drücke ihn zur Bestätigung noch ein bisschen näher an mich.
„Das bedeutet mir echt echt viel Logan", bedankt sich Jüri noch einmal.
„Das ist selbstverständlich. Und jetzt gucke mal aufs Meer. Das sieht so schön aus", meine ich, lege meinen Kopf auf die linke Schulter des Esten und zeige mit meinem Arm in Richtung Meer, wo man die helle Sonne am Horizont untergehen sieht. Die Farbe des Himmels hat sich mittlerweile von Orange in ein Gemisch aus rot, pink und lila verfärbt.
Sonst ist es schon komplett dunkel.

„Es ist fast so, wie bei mir zuhause.", murmle ich nach einigen Minuten, welche wir einfach so dagesessen haben.
„Echt? Ok, in Florida muss es schon echt schön sein",überlegt Jüri.
„Weißt du was. Du kommst einfach mit. Nach dem Monza-Wochenende habe ich nur noch einen Termin mit Williams und dann will ich sowieso nach Hause. Wieso kommst du nicht einfach mit?", biete ich ihm an.
„Ich weiß nicht genau...", fängt Jüri an, doch ich unterbreche ihn.
„Du willst nicht in die große Öffentlichkeit oder?"
Ein bestätigendes Nicken.
„Wusste ich's doch. Aber schau mal, in Amerika ist die Formel 2 lange nicht so bekannt, wie hier in Europa und du müsstest nur durch den Flughafen, dann wären wir auch in keiner großen Menschenmasse mehr. Du könntest abschalten, zur Ruhe kommen und dich einfach mal wieder entspannen.
Außerdem ist mein Zimmer groß genug für eine zweite Person. Ich will dich zu nichts drängen, aber gut tun würde es dir allemal. Darüber hinaus würden wir mehr von diesen Abenden am Strand haben, nur mit dem Bonus einer angenehmen Temperatur."
„Hört sich gar nicht so schlecht an", murmelt Jüri und aus meinem Augenwinkel kann ich sogar ein kleines Lächeln erkennen, was mich echt freut, denn dies habe ich bei ihm schon lange nicht mehr gesehen.
„Perfekt, ich kümmere mich im Laufe der nächsten Woche um alles", lächle ich ebenfalls und drehe meinen Kopf zurück in Richtung Meer. Die Sonne ist nun fast komplett untergegangen und eine angenehme Dunkelheit umhüllt uns.

„So langsame wird es Zeit, dass wir zurück zum Hotel gehen. Sonst sind wir krank beim nächsten Rennen", beschließe ich nach einigen Minuten.
„Recht hast du", stimmt Jüri mir zu und lässt sich von mir hochziehen.
Direkt danach wollte er seine Hand lösen, doch ich bin schneller und verschränke sie mit meiner.
„Ist das okay?", frage ich.
„Jap. Eigentlich schon, bloß, was ist wenn jemand das sieht. Was würde das auf ein Licht auf dich werfen?"
„Das lass mal meine Sorge sein. Wichtiger ist es, dass es dir hilft", bestimme ich und so laufen wir Hand in Hand zurück zum Hotel.
„Wo ist dein Zimmer?", fragt Jüri mich.
„218", meine ich und merke wie Jüri mich bis zu meiner Tür begleitet, was mich glücklich lächeln lässt.
„Danke nochmal", lächelt der Este, als wir schließlich vor der Tür stehen.
„Kein Problem. Ich schicke dir alle Daten zu, bezüglich des Fluges etc.", lasse ich ihn wissen.
„Perfekt", sagt Jüri und macht schon Anstalten sich umzudrehen, doch ich ziehe ihn kurzerhand in eine fest Umarmung, welcher sofort erwidert wird.
„Ich freu mich, wenn du kommst", nuschle ich in seine Halsbeuge.
„Ich freu mich auch", meinte der Este, welcher sich leider endgültig von mir löst und mich schüchtern anlacht,"Schlaf gut".
„Schlaf du auch gut", sage ich zu ihm, und schaue ihm nach, bis er im Fahrstuhl verschwunden ist.
Was freue ich mich, wenn er mitkommt. Hoffentlich bringt es ihn ein wenig runter, er hat es echt verdient und ich werde ihn unterstützen, mit allen Mitteln, die ich habe, denn ich habe den Esten gerade zu lieb gewonnen, dass ich ihn noch eine weitere Sekunde leiden sehen will.

„Narben erinnern uns daran, dass die Vergangenheit Realität war" Satz ist von Gifthexe , ich hoffe, dass es dir gefallen hat🥰

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Hello,
Heute mal wieder ein neuer One Shot, mit einem echt tollen Paar, welches sich echt gut geschrieben hat.
Ich hoffe er gefällt euch und ihr hattet alle einen guten Start in die Woche🤍
Man ließt sich <3