Prolog (Ludwig)

103 12 83
                                    

Benommen sitze ich in die Ecke meiner Zelle gekauert und warte auf meinen Tod.

Zu Kindertagen hatte ich stets Angst vor dem Tod. Er erschien mir zu endgültig. Doch nun sitze ich hier und warte sehnsüchtig auf meine Erlösung.

Meine Hände sind schmutzig. An ihnen klebt nicht nur Erde und Schmutz, vom dreckigen Steinboden des Kellerverließ, sondern auch Blut. Blut, das nicht meines ist.

Die Kälte und den beißenden Hunger spüre ich schon längst nicht mehr. Mich quält die Stimme in meinem Kopf, die nie ruht und mir ebenfalls keinen Frieden gönnt.

Doch auch sie stellt nicht meinen größten Schmerz. Es sind die Stimmen meiner Opfer, welche ich stets wehklagen höre. Seit Tagen habe ich nicht geschlafen. Was Hirngespinst, was echt ist, weiß ich kaum zu unterscheiden.

Was hab ich noch? Was ist mir geblieben vom Leben, das ich einst führte? Wie konnte mir das Glück so schnell entgleiten? Wann endet mein Leid?

Dumpfe Schritte hallen den Flur entlang. Bring sie um! Schreit jede Faser meines Körpers, in dem ich nur noch ein Gefangener bin. Und schon stehe ich mit geballten Fäusten neben der schweren Holztür.

Gebannt höre ich, wie die Schritte immer näherkommen, dann das Klirren eines Schlüsselbundes, bis sich schließlich die Tür öffnet.

Sofort schlage ich zu und erwische die Wache an der Stirn. Der Wachmann geht zu Boden und ich hole erneut aus. Doch bevor ich ihn erwischen kann, bekomme ich selbst einen Schlag auf den Hinterkopf und falle nieder.

Als ich wieder zu mir komme, sind zwei Wärter dabei mich den Flur entlang Richtung Ausgang zu ziehen.

Je näher wir dem Licht kommen, desto lauter wird das Gejubel.

Ich versuche mich zwar zu befreien, doch mittlerweile bin ich zu schwach, um meine Situation zu ändern. Jetzt kann ich nur noch auf Erlösung, auf Frieden hoffen.

Ich muss mehrmals blinzeln, da sich meine Augen, nach Tagen in der Dunkelheit, erst wieder an das Licht gewöhnen müssen. Das Erste, was ich erkenne, ist das Blutgerüst, welches von einer tobenden Menge umringt wird.

Sie alle wollen mich tot sehen. Sie alle sehen nur meine Schandtaten und nicht das Leid, welches ich die letzten Wochen durchlebt habe. Niemand von ihnen wird mir vergeben.

Nicht einmal ich selbst kann das.

Während die Menschenmassen weiter nach meinem Tod schreien, schleifen mich die Wachen die Bühne hinauf. Mich überkommt die Angst, selbst mit dem Ende meines Lebens, keinen Frieden zu finden, doch es gibt kein Zurück.

"Ludwig Winkler wird zum Tode durch das Schafott verurteilt, aufgrund des Mordes an seiner Frau Elisabeth Winkler, seinen Kindern Karl und Elise Winkler, sowie ..." Weitere Namen werden verlesen, doch ich höre nicht weiter zu. Das muss ich auch nicht. Ich weiß, was ich getan habe.

Es sind fünfzehn. Fünfzehn Menschenleben, die ich genommen habe.

Sie waren meine Familie, meine Freunde und Nachbarn. All das Blut klebt an meinen Händen. Dabei wollte ich keinem meiner Opfer jemals etwas tun. Im Gegenteil, die meisten habe ich geliebt.

Dennoch bin ich ihr Mörder.

Trage ich Schuld? Kann ich wirklich auf Vergebung hoffen?

Ich werde unter das Fallbeil gelegt.

Nur kurz höre ich das Schleifen der Klinge am Gestell.

Dann ist es schon vorüber.

Doch nur mein Leben.

Nicht mein Leid.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt