Ludwig IV

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Nachdem meine Frau dem Treffen mit Luciana zugesagt hatte, hatten wir beim nächsten Wiedersehen ein Datum vereinbart, sowie eine Uhrzeit für meinen Besuch.

Da der besagte Tag heute ist, verlasse ich die Arbeit deutlich früher, um es möglichst noch vor der Dunkelheit nachher nach Hause zu schaffen.

Ich verschließe die Tür zum Büro und gebe meiner Vertretung letzte Anweisungen für das korrekte Ausführen der Kontrollen. Nach einer knappen Verabschiedung mache ich mich auf den Weg.

Aufgeregt richte ich vor dem Tor noch schnell meinen Mantel und sehe nach, ob ich mich bei der Arbeit beschmutzt habe, dem ist zum Glück nicht so.

Ich war zuvor noch nie bei einer Frau ohne meine eigene eingeladen. So etwas gibt es nicht häufig.

Luciana liegt mir am Herzen, sie ist durchaus ein nettes Fräulein und ich schätze ihre Gesellschaft sehr, darob will ich es unbedingt gut machen. Ich will ein guter Gast sein.

Voller Entschlossenheit gehe ich den Marktberg hinunter. Und da sehe ich sie schon. Sie schein schon auf mich zu warten, denn ihr Blick sucht den Marktplatz ab.

Ich winke ihr aus der Ferne zu als sie mich erblickt. Ihre Haare trägt sie heute offen, sodass ihre perfekten schwarzen Locken, ihr bleiches junges Gesicht einrahmen - wie eine Porzellanpuppe.

Mit einem breiten Grinsen begrüßt mich das junge Fräulein, sodass ich es nur erwidern kann.

"Können wir los?", fragt sie und sieht mich abwartend an.

Ich nicke und so machen wir uns auf den Weg. Zu ihrem Heim müssen wir genau in die entgegengesetzte Richtung, als zu meinem. Demnach ist mir der Weg größtenteils neu. In diesem Viertel der Stadt war ich noch nie. Wenn man kein Händler oder eben arm ist, geht man auch nicht freiwillig hierhin.

Es müffelt, es ist dreckig, dreckiger als der Rest der Stadt bereits ist und die Straße ist matschig. Ich sehe einige kranke Menschen, die trotzdem zu arbeiten scheinen, die es sich nicht leisten können dies nicht zu tun.

Wenn man jedoch Luciana betrachtet, würde man nicht denken, dass man gerade durch ein solches Grauen läuft. Sie sieht mehr danach aus, als würde sie über eine Blumenwiese hüpfen.

Als sie bemerkt, dass ich zurückfalle, läuft sie flink zu mir zurück und zieht mich am Arm mit sich, raus aus dieser Hölle.

Der nächste Teil des Weges führt über ein Feld, ähnlich wie bei meinem. Etwas erleichtert, dass sie doch etwas entfernter vom Armenviertel wohnt, anders als befürchtet, kann ich nun entspannen.

Auch hier ist der Sommer zu voller Schönheit herangewachsen und es grünt und blüht überall. Ein wunderbares Bild. Ein Bild, dass auch Luciana zu gefallen scheint, wie ein Kind geht sie von der einen Blume zur nächsten, pickt sich die schönsten raus und sammelt sie in einem Strauß zusammen.

Bis zu ihrer kleinen Hütte ist es schon noch ein Stück, weshalb ich mir bereits sorgen ums nach Hause kommen mache, eigentlich laufe ich nicht gern bei Nacht, doch ich werde wohl nicht drum herumkommen.

"Da ist es schon", sagt sie und weist mit ihrem schmalen Finger auf den Umriss eines Hauses, welches man in der Ferne erkennen kann.

Lucianas Haus ist deutlich größer als ich es für eine alleinstehende junge Dame erwartet hätte. Und obwohl es mitten im Nirgendwo zwischen Wiesen und Wald steht, sieht es nicht im geringsten fehl am Platz aus, es gehört genau hier her.

Da der Weg doch recht lang war, schlägt sie vor erst einmal bei einer Tasse Tee zu verschnaufen, was ich durchaus begrüße. Den gesamten Tag bin ich bereits viel zu gespannt, was ihre Kräuter so her machen und ob sie Elisabeth wohl gefallen könnten.

Luciana muss gut mit ihrem Tee verdienen, denn ihr Wohnraum ist keinesfalls spärlich eingerichtet. Im Gegenteil, ihre Möbel sehen edel aus und müssen einiges gekostet haben.

Die Wände sind mit Gemälden geschmückt, die vor allem Kräuter oder Wildblumen präsentieren. Generell sieht alles sehr stimmig aus, sodass ich mich schnell wohl fühle, es ist gemütlich.

Aber wir verweilen nicht in der Wohnung. Sie führt mich hinaus auf eine kleine Erhöhung - eine winzige Terrasse, wenn man so will - auf der ein hölzerner Tisch und zwei Stühle stehen. Ich setze mich und kann von hier bereits einen Blick auf ihren Garten werfen.

Er ist groß, größer als jeder Kräutergarten, den ich zuvor gesehen habe. Luciana ist derweil im Haus verschwunden. Nach einer kurzen Weile kommt sie wieder mit einer putzigen Teekanne und zwei zur Kanne passenden Teetassen. Diese stellt sie kurz ab und gießt ein. Mir kommt ein herrlicher Duft von Minze entgegen - Beth liebt Minze - und ich kann es kaum noch abwarten zu kosten.

"Danke ...", sage ich, doch ehe ich mich versehe, ist sie schon wieder im Haus verschwunden.

Sie kommt erneut nach draußen, diesmal mit einem Kuchen in der Hand.

"Ich dachte mir zu einer Tasse Tee gehört auch Kuchen, deshalb habe ich gestern noch schnell gebacken." Sie lächelt breit, während sie ihn anschneidet.

Dabei fällt mir das Messer in ihrer Hand auf, dass einen edlen Holzgriff mit goldener Eingravierung besitzt. Leider kann ich nicht erkennen was eingraviert wurde. Also wende ich mich lieber der Höflichkeit zu und bedanke mich bei meiner Gastgeberin.

"Sie können mir glauben, wenn ich ihnen sage, dass Tee mit Kuchen zusammen besser schmeckt. Vertraun sie mir, das ist der Trick", erklärt Luciana.

Und tatsächlich, beides in seiner Kombination ist eine wahre Komposition. Ich werde Elisabeth also auf jeden Fall etwas Tee nach Hause bringen beschließe ich.

Nach dem ausgesprochen guten Tee und dem Kuchen, zeigt mir Luciana ihr Heiligtum: den Garten.

Sie führt mich von Beet zu Beet und erklärt dabei immer etwas über die Pflanzen oder Kräuter, die dort wachsen. Ich verstehe nicht einmal die Hälfte davon.

Da Luciana mein Unwissen und vielleicht auch mein fehlendes Interesse am Gärtnern schnell mitbekommt reden wir stattdessen über anderes und sie führt mich nur rum. Sie scheint es mir nicht übel zu nehmen und dafür bin ich ihr sehr dankbar.

"Sind sie glücklich?", fragt sie irgendwann. Wir sind schon fast in der hintersten Ecke ihres Gartens angelangt und die Wege werden immer enger.

Überrascht lache ich kurz auf. "Ja, ja ich bin glücklich." Eine absurde Frage.

"Meinen sie nicht, dass sie unter anderen Umständen glücklicher wären?", sie bleibt stehen und sieht mich an. Ich verstehe nicht, worauf sie hinauswill, bleibe aber ebenfalls stehen, während ich überlege, was ich ihr antworten soll.

Wir stehen recht nah beieinander zwischen zwei Hochbeeten, die eben nur wenig Platz zwischen sich hergeben.

Mein Blick fällt auf Luciana, die mich abwartend ansieht. Gerade möchte ich den Mund aufmachen, um ihre Frage zu beantworten, da kommt sie noch näher an mich heran.

Dann, schneller als ich denken kann, greift sie mich am Mantel, zieht mich zu sich nach unten und legt ihre Lippen auf meine.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt