Kapitel 17

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Ich warte nicht auf Gabriel, um mich zu verabschieden. Mir reicht es, dass ich Nelli die ganze Zeit belügen muss. Außerdem weiß ich noch nicht, wie ich nun mit seiner Nähe umgehen soll.

Nelli unterhält mich wie gewohnt auf dem Weg nach Hause. Vor der Haustür verabschieden wir uns.

Ich trete mit einem mulmigen Gefühl über die Türschwelle. "Maria? Luis?", rufe ich in den Flur, in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Keine Reaktion. Ich sehe nach draußen, doch Nelli ist bereits verschwunden.

Ich versuche mein pochendes Herz zu ignorieren und beschließe einfach schnell in meinem Zimmer zu verschwinden. Vielleicht bin ich ja ganz allein und Raik ist ebenfalls noch nicht von der Arbeit zurück.

Ich gehe die Treppen hinauf.

Das hier sollte eigentlich mein Zuhause sein, doch es fühlt sich nicht mehr danach an. Nicht, wenn Luis nicht auch hier ist. Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer und erstarre.

Raik sitzt auf meinem Schreibtischstuhl. Dort, wo ich das letzte Mal gesessen hatte.

Er steht auf und grinst dreckig. "Na Veilchen, auf dich habe ich schon gewartet. Ich dachte, wir könnten da weiter machen, wo wir das letzte Mal leider Gottes unterbrechen mussten." Er geht einen Schritt auf mich zu.

Ich schlage die Tür zu und renne – laufe erneut um mein Leben.

Ich renne, eben wie vor wenigen Tagen, die Treppen hinunter. Erst in den Flur, dann runter in den Keller. Wie lange wird es dieses Mal dauern, bis Maria und Luis kommen?

Ich stürze mich die letzten Treppen nach unten.

"Veilchen! Mach es doch nicht schwerer, als es sein muss! Es könnte so schön für uns beide sein!", schreit Raik hinter mir.

Ich renne den Kellerflur entlang in Richtung Vorratskammer. Einfach wieder einschließen und warten, bis die Beiden nach Hause kommen. Ich muss nur schnell genug sein.

Ich knalle die Tür hinter mir zu und greife nach dem Schlüssel, um abzuschließen – eben, wie Samstag. Nichts. Panisch taste ich die Tür ab. Nichts. Kein Schlüssel. Keine Sicherheit.

Ich versuche mit ganzer Körperkraft die Tür zuzuhalten, doch Raik reißt sie mit Leichtigkeit auf. Ich bin ihm schutzlos ausgeliefert.

Die Vorratskammer ist klein, anders als in meinem Zimmer kann ich nicht über die Seiten entwischen. Ich bin eigesperrt.

Er kommt immer näher. Hätte ich nicht vorhin bereits meinen Magen geleert, dann wer es jetzt rausgekommen. Aber da ist nichts mehr, dass ich ausspucken kann. Nur die Tränen kommen - schon wieder.

Unaufhaltsam befeuchten sie mein Gesicht. Immer wieder schüttle ich den Kopf, will nicht glauben, was mir gleich bevorsteht. "Raik, bitte", flehe ich. Doch er hört nicht - kommt immer näher.

Und dann spüre ich wieder seinen Körper, seine Erektion.

"Veilchen. Du willst das doch auch. Es wird dir gefallen. Glaub mir", säuselt er, während er mir mit der Hand über die nasse Wange streicht. "Du wirst es noch verstehen. Das wird wunderschön mit uns beiden." Er leckt sich erregte über die Lippen. Drückt sich noch näher an mich.

Wieder erkunden seine Hände meinen Körper. Seine dreckigen Finger fahren meine Rundungen entlang. Er reibt sich an mir.

Kraftlos wimmere ich nur noch vor mich hin. Bitte dazwischen darum, dass er aufhören soll.

Er ignoriert es.

Er setzt sich über mein nein hinweg. Er klaut sich meinen Körper. Seine Hände fahren an meinen Seiten hinab zwischen meine Beine.

"Bitte nicht." Immer noch wimmere ich vor mich hin - nur noch halb bei Bewusstsein. Mein Verstand ist wie benebelt vor Ekel, gleichzeitig erstarrt vor Angst.

Er leckt mir mit seiner Zunge den Hals hinauf zu meinem Mund. Ich drehe mein Gesicht von ihm weg, doch er dreht es mit der Hand wieder in seine Richtung, stupst mit seiner Nase meine an.

"Mein Veilchen." Wieder dieser gierige Gesichtsausdruck.

Wann kommen Maria und Luis?

Mit diesem Gedanken greife ich nach dem letzten Hoffnungsschimmer, der mir zu bleiben scheint.

"Was ist mir Maria?", versuche ich möglichst ruhig ihn an die Realität zu erinnern. Die Realität, in der er mein Pflegevater ist. Die, in der er eigentlich eine schützende Person sein sollte, nicht eine ausnutzende.

"Sie ist deine Frau. Sie wäre am Boden zerstört, wenn sie wüsste, was du hier machst."

Er rührt sich nicht. Ist wie erstarrt. Er glotzt mich nur an. Also fahre ich unbeirrt fort.

"Ich bin mir sicher Maria liebt dich. Du weißt, sie liebt jeden Menschen. Ich weiß, du möchtest ihr nicht wehtun."

Ich schiebe vorsichtig seine Hand von meiner Hüfte. "Wenn du mich jetzt gehen lässt, werde ich ihr nichts davon erzählen. Ich sage niemandem, was du hier versucht hast. Teile mit niemandem, was du gesagt hast. Genau, wie ich den Vorfall von Samstag für mich behalten habe."

Mit jeder Sekunde, in der er mich gewähren lässt weiter zu sprechen, werde ich mutiger. Langsam entferne ich auch die andere Hand von meinem Körper.

"Niemand muss etwas erfahren. Lass mich nur gehen. Niemand wird dir dann böse sein. Alles ist gut. Es wird wieder, wie es vorher war. Ich werde es einfach vergessen, was hier passiert ist. Vergesse, was Samstag passiert ist." Ich atme einmal tief durch, dann versuche ich mich an ihm vorbei zu schieben.

In dem Moment löst er sich aus seiner Starre und greift nach meinem Arm. Ich zucke unter seiner Berührung zusammen. Seine Finger krallen sich um mein Handgelenk, sie halten mich zurück. Die ersehnte Freiheit verschwindet augenblicklich aus meiner Reichweite.

"Raik. Bitte. Denk an Maria", wimmere ich. Er zieht mich zurück auf meinen vorherigen Platz. Klemmt mich wieder zwischen sich und die Regale. Die eiskalte Metallstange drückt sich in meinen Rücken.

"Du wolltest mich ablenken, um mir zu entwischen. Unartig mein liebes Veilchen."

Wieder verschwimmt meine Sicht. "Nein. Ich meinte es ernst, was ich gesagt habe."

Wann kommen Maria und Luis?

"Ach mein liebes Veilchen. Mach dir keine Sorgen." Er streicht mir die Tränen von den Wangen. Ich schluchze.

"Ich liebe nur dich. Maria ist mir egal. Soll sie denken was sie will. Wichtig ist das wie beide glücklich sind. Du und ich, zusammen." Er kommt näher, drückt seine Lippen auf meine. Ich schüttle den Kopf, um dem Kuss zu entfliehen.

"Ich will das nicht bitte bitte hör doch auf."

Er drückt sich noch ein wenig näher an mich. Dreht mein Gesicht zurück in seine Richtung. Seine Augen brennen vor Zorn. "Ich bin ja wirklich sehr geduldig. Aber aber irgendwann reicht es auch mir. Wie sagt man so schön manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen."

"Du bist verrückt!" Ich spucke ihm ins Gesicht.

Seine Handfläche trifft meine Wange. Ich schreie vor Schmerz. "Du gehört mir Veilchen. Ob du nun willst, oder nicht. Ich nehme mir, was mir zusteht."

Erneut drückt er seine Lippen auf meine. Mich verlässt die Kraft. Wieder reibt er seinen breiten Körper an mir. Seine Hände suchen nach meinem Hosenbund. Er stöhnt.

Ich schließe die Augen, versuche die Gegenwart mit alten Erinnerungen zu überschreiben. Mich in einen schönen, vergangenen Moment zu flüchten.

Nach einigen Anläufen schafft er es meine Hose zu öffnen. Sie rutscht an meinen Beinen nach unten.

Als nächstes mach er sich an seiner Hose zu schaffen. Kraftlos sinke ich am Regal nach unten, kann mich nicht auf den Beinen halten. Er flucht, als sein Reißverschluss klemmt. Nachdem er es dann doch geschafft hat, packt er mich unter den Armen und zieht mich unsanft wieder nach oben. Klemmt mich wieder am Regal fest, damit ich nicht wieder runterrutsche.

Raik küsst meinen Hals entlang. Zwischendurch stöhnt er immer wieder.

Dann macht er sich an meinem Slip zu schaffen.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt