Ludwig VI

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Ich habe ein unsagbar schlechtes Gewissen. Hätte ich Elisabeth vielleicht doch gleich alles erzählen sollen?

Dabei ist es gar nicht so wichtig, diese Information zu kennen, schließlich habe ich sie abgewiesen und auch nicht wieder vor in Kontakt mit ihr zu treten. Ich will mit diesem Thema nicht weiter konfrontiert werden, will sie nicht mehr sehen.

Nein, ich will das Geschehene einfach so schnell wie möglich vergessen. Es ist mir peinlich, dass mir ihre Absichten nicht eher aufgefallen sind und ich Beth sogar noch um Erlaubnis gefragt habe, ob ich dieser schlechten Idee, Luciana zu besuchen, nachgehen kann. Ich schäme mich, dass ich zu feige bin mich weiter mit dem Thema auseinander zu setzen.

Hätt ich der damals Fremden doch nicht geholfen, dann hätte ich jetzt nicht diese Sorgen. Es ist, als ob alle außer mir wussten, dass dieser Frau zu helfen keine gute Idee war.

Ich beeile mich früh das Haus zu verlassen. Ich kann meiner Frau nicht die ganze Zeit in die schönen blauen Augen blicken, ohne ihr direkt mein Herz auszuschütten. Also bin ich schon wieder auf der Flucht, doch dieses Mal vor mir selbst.

Wie üblich gehe ich den Feldweg entlang Richtung Stadt. Jedoch ist mir heute nicht danach die Natur zu beobachten oder den Sonnenaufgang.

Stattdessen blendet mich die Morgensonne, die heute ein weniger farbenfrohes Kleid trägt. Abgelenkt von meinen Gedanken, die sich im Kreis bewegen und nur dieses eine Thema behandeln, merke ich gar nicht, dass ich bereits die Stadt erreicht habe.

Der üble Gestank, der noch stechender als sonst auftritt, holt mich aus meinem Gedankenstrudel. Ich gehe weiter Richtung Marktplatz, weiter Richtung Manufaktur. Dann erblicke ich sie.

Sofort beschleunige ich meinen Schritt und versuche mich hinter vorbeifahrenden Kutschen und Wagen zu verstecken. Ich möchte ihr nicht begegnen, nichts mehr mit ihr zu tun haben. Will sie vergessen.

Mein Versteckspiel scheint zu funktionieren und ich will schon fast aufatmen als sie auf einmal vor mir steht. Vom Versuch ihr auszuweichen, hält sie mich ab, hält mich am Arm fest, den ich ihr sofort wieder entreiße.

"Geh nicht! Warte, bitte! Wir müssen reden", sagt sie erstaunlich gefasst dafür, dass sie gestern so aufgewühlt war.

"Wie können sie es wagen mich noch einmal anzusprechen, nachdem sie die Frechheit hatten mich zu küssen", dabei flüstre ich das Wort küssen, nur um zu vermeiden die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.

Aber es interessiert keinen, zumindest noch nicht, dafür befinden sich alle zu sehr im Alltagstrott.

"Bitte lass es uns klären." Sie wirkt so verletzlich und allein, dass ich beschließe ihr wenigstens eine letzte Möglichkeit zu geben sich zu erklären - das Thema aus der Welt zu schaffen. Ich nicke und sie scheint sich zu entspannen.

"Hör zu...", sie sieht zu mir hoch. "Ich weiß, dass es vielleicht erstmal beängstigend ist. Ich weiß diese Gefühle überfordern sie, aber Veränderung ist immer erstmal einschüchternd. Dabei wissen sie genau wie ich, dass wir füreinander bestimmt sind. Ludwig, wir gehören zusammen."

Ich schüttle fassungslos den Kopf. "Wie können sie nur so etwas behaupten? Habe ich ihnen nicht oft genug gesagt, dass ich meine Frau und Kinder liebe? Sie spinnen doch!"

Mir fällt es mit jedem Moment schwerer ruhig zu bleiben, doch die Angst belauscht zu werden siegt noch. Ich kann in ihrem Blick sehen, dass sie von meiner Reaktion überrascht ist, doch sie fängt sich schnell wieder.

"Okay, Ludwig, ich gebe ihnen eine letzte Chance sich für mich zu entscheiden. Ich bin die einzig Richtige für dich, deine Seelenverwandte, das müssen sie doch auch spüren. Sie werden glücklicher sein mit mir, das weiß ich ganz bestimmt. Ich kann ihnen viel mehr geben als sie."

Ich schüttle erneut ungläubig den Kopf. "Mir würde es nicht im Traum einfallen meine Familie zu verlassen! Ich weiß nicht welches Hirngespinst sie antreibt, aber sie sollten langsam in der Realität ankommen. Lassen sie mich in Zukunft in Frieden und sprechen sie mich ja nicht mehr an. Ich bin fertig mit ihnen." Mit diesen Worten gehe ich an ihr vorbei, um endlich meinen Weg fortzusetzen.

"Das werden sie bereuen!", ruft sie mir hinterher.

Einen letzten Blick schenke ich ihr dennoch nicht. Stur mit dem Blick auf mein Ziel gerichtet laufe ich davon. Endlich weg von dieser gestörten Person.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt