Ludwig VII

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Durch das Gespräch mit Luciana bin ich mal wieder spät dran. Mit schnellem Gang biege ich in eine Gasse ab, die mich zu einem kleinen Hof führt, den ich überquere.

Von hier muss ich nur noch zwei Gassen weiter gehen, dann bin ich da. Doch so weit komme ich nicht.

Als ich gerade den Hof verlassen möchte, stellt sich mir ein Mann entgegen. Er ist groß, größer als ich und hat ein doppelt so breites Kreuz. Ich versuche ihm auszuweichen, doch er lässt mich nicht vorbei. Stattdessen schubst er mich, sodass ich nach hinten taumle.

"Was soll das?", sage ich, empört über diesen plötzlichen Angriff.

"Ich werde dich töten." Sagt er mit einer Überzeugung, die keinen Zweifel an der Wahrheit seines Versprechens zulässt. Bevor ich weiter über seine Absichten nachdenken kann, zieht er ein Messer aus der Hosentasche, dessen Holzgriff, mit goldener Eingravierung verziert, ich sofort erkenne.

Es ist das Messer von Luciana. Der Mann muss also in Verbindung mit ihr stehen. Und so versuche ich mich zu retten.

"Hören sie ich wusste nichts von ihnen. Luciana hat mir nie etwas von ihnen erzählt. Sie sollten wissen, dass ich Luciana gewiss nicht kränken wollte. Nie hab ich ein falsches Spiel mit ihr getrieben, ich war stets ehrlich - das müssen sie mir glauben!", ich versuche zu lächeln, doch es gleicht mehr einer Grimasse.

"Ich erzählte ihr von meiner Frau, von meinen Kindern und dass wir glücklich sind. Wissen sie ich habe eine Familie, ich bin Familienvater, wir sind glücklich. Bitte nehmen sie uns das Glück nicht!", flehe ich ihn an.

Meine Worte scheinen ihn nicht im geringsten zu berühren. Sein Blick ist starr.

Dann holt er aus und schleift mich am Oberschenkel. Ein Schmerzenslaut kommt mir über die Lippen, mit der Hand halte ich mir die Wunde.

"Bitte", flehe ich erneut.

"Du wirst leiden." Sagt er und lächelt das erste Mal, dabei zeigt er mir seine nicht vollständigen gelben Zähne.

Vorsichtig mache ich einen Schritt zurück. Er bleibt auf der Stelle stehen, scheint es zu genießen die Oberhand zu haben, schein es zu genießen meine Angst zu sehen, die ich schon längst nicht mehr verbergen kann.

Ich mache noch einen Schritt zurück. Wieder keine Reaktion von ihm. Noch einen. Ich falle, er lacht erneut. Panisch sehe ich mich um, doch es ist kein Mensch weit und breit zu erblicken. Wir sind allein. Die Stadt scheint wie leergefegt. An der einen Mauer erkenne ich eine Fackel. Der Große kommt näher und holt mit dem Messer aus, doch er verfehlt mich, denn ich laufe so schnell ich kann, so schnell wie es meine Verletzung zulässt in Richtung der Fackel.

Schnell hat er mich ein und ich spüre schon seine Präsenz hinter mir. Ich greife nach der Fackel und drehe mich mit ganzer Kraft herum.

Ich treffe meinen Peiniger mit voller Wucht am Kopf, sodass er zu Boden fällt. Ich sehe auf ihn hinab. An der Stelle, wo ich ihn getroffen habe, ist ein roter Abdruck, kein Blut. Ich möchte erleichtert aufatmen und gehen, doch jede Faser meines Körpers will erneut zuschlagen, auf ihn einprügeln, ihn töten. Dabei will ich ihm nicht weiter wehtun, will nur nach Hause zu meiner Familie. Meine Kinder sollen keinen Mörder zum Vater haben.

Und ich will die Fackel beiseitelegen, aber ich hole erneut aus und schlage mit der Fackel auf ihn ein.

Ich vernehme ein Seufzen - er ist also noch am Leben, auch wenn er nun blutet. Eine Platzwunde, keine tödliche Verletzung, also schlage ich erneut zu, immer und immer wieder.

Es ergibt sich ein Bild, dass ich wohl niemals vergessen werde. Doch erst als ich sicher bin, dass er tot ist, renne ich davon. Ich laufe um mein Leben, bin auf der Flucht - schon wieder.

Vor mir selbst, aber auch vor dem was mir droht, wenn man mich erwischt - es ist der Tod. Immer noch nicht begreife ich, was ich gerade getan habe. Ich bin ein Mörder, habe ihn umgebracht. Dabei würde ich nie jemandem wehtun können, ich wollte ihn nicht töten und doch habe ich es getan.

Es war, als hätte ich die Kontrolle über mich und meinen Körper verloren. Mein Körper tat etwas anderes als ich wollte. Aber ich war es, ich bin der Mörder. Ich renne immer noch, aber begegne niemandem, obwohl die Stadt eigentlich voller Menschen sein müsste, doch niemand ist hier. Ich bin allein. Mein Ziel ist klar - ich will nach Hause, jedoch bin ich nicht sicher, was ich dort noch soll.

Bleiben kann ich eh nicht, die Leiche wird bald gefunden werden und dann bin ich die nächste. Ich will nicht sterben. Eigentlich bin ich glücklich - will meine Familie nicht verlassen und doch stellt sich mir die Frage, ob es vielleicht das Richtige wäre.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt