Luciana I

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Ludwigs Lippen sind so weich, wie ich es erwartet hatte. Mich durchfährt ein warmes Gefühl. Er ist der Richtige. Ich wusste es seit dem ersten Moment - als er mir geholfen hatte. Er beschützt mich. Wir sind Seelenverwandte.

Ludwig stößt mich etwas unsanft von sich. "Was soll das?"

Überrascht von seiner Reaktion, fällt mir erstmal nichts ein, was ich erwidern könnte.

"Sie mögen mich doch, wir passen doch gut zusammen. Ich mache sie doch glücklich!"

Er muss es doch auch gespürt haben. Es ist nicht zu übersehen, die Energie zwischen uns. Ich weiß, dass er genau so fühlt.

"Ich bin verheiratet und das sehr glücklich."

Erschrocken von seinen Worten sehe ich ihn an. Das kann er nicht ernst meinen.

"Außerdem habe ich Kinder." Er läuft zurück zum Haus. Ich folge ihm.

"Nein, wenn sie ehrlich mit sich sind, Ludwig, dann sind sie nicht zufrieden mit dem, was sie haben. Sie wollen mehr und das verdienen sie auch", versuche ich beinah schreiend zu erklären, in der Hoffnung, dass er mich noch hört. Mit seiner Hose ist er weitaus wendiger zwischen den Hochbeeten als ich.

"Sie sind doch viel zu jung, um zu wissen was Familie und Liebe bedeutet. Gehen sie zurück in ihren Garten und lassen mich in Frieden. Ich liebe meine Frau, meine Kinder und mehr in dieser Welt brauche ich nicht, bei Gott!", schreit er mit dem Kopf leicht nach hinten geneigt, damit ich ihn auch ja verstehe.

Sein Gang wird immer schneller und so fällt es mir immer schwerer ihm zu folgen.

Ich rufe ihm noch: "Warten sie, gehen sie nicht!", hinterher, doch da ist er schon weg.

Lässt mich zurück - allein.

Ich verstehe, dass es schwer sein muss, die Verantwortung für eine Familie zu tragen. Doch das sollte ihn ja wohl nicht dran hindern zu Lieben.

Und ich weiß, dass er es auch fühlt. So ist das, wenn man Seelenverwandt ist. Es ist magisch. Er wird es noch erkennen, da bin ich mir sicher. Er wird sich seinen Gefühlen stellen - seine Frau verlassen, wenn er erst erkennt, dass sie nicht die Richtige für ihn ist. Er gehört zu mir, zu keinem sonst.

Ich stürme zurück in den Garten, um ein paar Kräuter zusammenzusuchen. Ich pflücke Anis, Estragon und Wermut. Außerdem etwas Löwenzahn von der Wiese.

Am Rand des Feldweges vorm Haus finde ich noch Amarant und Barbarakraut.

Zurück im Haus lege ich alles zusammen in eine Schüssel, gebe etwas Wasser drüber und stelle es zur Seite. Im Vorratskämmerchen suche ich die passenden Öle und Extrakte.

Mit sieben kleinen Fläschchen kehre ich zurück in die Küche. Die gewaschenen Kräuter zerstampfe ich und gebe die entstehende Flüssigkeit in ein kleines Schälchen. Von jedem Öl füge ich einen Tropfen dazu, von den Extrakten zwei.

Nur vom gelben Extrakt - das stelle ich selbst her - nehme ich 4 Tropfen.

Ich vermenge die einzelnen Flüssigkeiten, sodass eine braune Pfütze entsteht. Sie wird mein Leiter.

Ich beschließe Ludwig noch eine Chance zu geben. Bin mir sicher, dass er sich richtig entscheiden wird.

Aber ich will mich absichern. Er soll glücklich sein, doch nur mit mir. Entscheidet er sich falsch, so soll er leiden. Soll es bereuen. Dafür werde ich schon sorgen.

In der Vorratskammer finde ich noch etwas Salz und ein Rinderohr. Ich schneide das Ohr entzwei und behäufe die Schnittstelle mit Salz.

Jetzt fehlt nur noch die Kleidung. Ich muss mich beeilen, wenn ich das Ritual noch heute durchführen will.

Ich wechsle das doch recht förmliche Kleid gegen ein dünnes Unterkleid, dass ich einmal in Blut getränkt habe. Es sieht sogar recht hübsch aus. Rot steht mir.

Meine Sandalen lege ich beiseite. Ich bleibe barfuß. Die Verbindung zur Erde, zum Boden ist zu wichtig, da würden sie nur stören.

Mit dem braunen Pfützchen und dem Rinderohr gehe ich in den Garten hinaus. Ganz nach hinten, viel weiter als ich mit Ludwig heute gekommen bin. Bis ich zu einer freien Fläche komme, die einem Kreis gleicht.

Den imaginären Kreis gehe ich entlang.

Einmal.

Zweimal.

Und dann Rückwärts, das dritte Mal.

Erst dann trete ich ein. Vorsichtig nähere ich mich dem Mittelpunkt. Wenn es funktionieren soll, darf ich keine Fehler machen. Das Ohr findet seinen Platz exakt in der Mitte. Dann tunke ich drei Finger in die braune Flüssigkeit. Führe sie zu meinem Herzen und spreche meinen Wunsch:

"Sei er bei falscher Entscheidung verflucht nie mehr glücklich zu sein. Möge er büßen. Soll er begleitet werden von dir. Von deiner Stimme."

Die drei Finger tunke ich erneut in die Flüssigkeit. Lege sie danach auf das Ohr und streiche sieben Mal die Konturen nach.

Die restliche Flüssigkeit gieße ich im Kreis um das Ohr - um den Mittelpunkt.

Dann ist es vollbracht.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt