Kapitel 10

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"Und Maria hat einfach weitergelächelt als wäre nichts passiert. Als er rausgestürmt ist hat sie es komplett ignoriert." Ich schüttle den Kopf, immer noch verblüfft und voller Unverständnis für ihr Handeln.

"Ehrlich, ich finde Raik super angsteinflößend." Nelli schlingt ihre Arme um sich. Ich nicke zustimmend. "Allein sein komischer Raum, von dem du erzählt hast. Gruselig! Unfassbar, dass er einfach den kleinen Luis angeschrien hat." Sie schüttelt fassungslos den Kopf.

"Ja, das hat mich tatsächlich am meisten gestört. Luis sah so hilflos aus."

Gerade als Nelli noch was erwidern will, werden wir von Lucas unterbrochen, der von hinten die Arme um uns legt.

"Larissa, Larissa, du klaust uns den Freund." Er lacht. Wir betreten den Schulhof und ernten interessierte Blicke.

"Irrtum! Dein lieber Freund ist der eigentliche Dieb hier", protestiert Nelli und befreit sich von seinem Arm.

Lucas lacht nur, lässt mich frei und wendet sich zum Gehen ab. Bevor er jedoch im Schulhaus verschwindet, dreht er sich nochmal zu uns und zwinkert.

"Er kann es einfach nicht lassen." Nelli schüttelt den Kopf. "Nur am Flirten, egal wo er hingeht. Zum meinem Glück kenne ich ihn bereits seit dem Kindergarten und bin immun."

"Wie war er so, als Kind?"

Nelli lacht. "Du würdest ihn nicht mehr erkennen. Damals war er schüchtern, der brave Sohn, kaum ein Wort herausbekommen hat er. Die Pubertät hat alles verändert und er wurde zum aufgeblasenen, selbstverliebten Herzensbrecher der er ist."

"Oh wow, ich hätte mir da mehr etwas in Richtung frecher Junge oder so vorgestellt."

"Tja, so kann man sich täuschen." Sie hakt sich bei mir unter und wir betreten den Flur.

Anders als sonst vergehen die ersten Stunden wie im Flug. Normalerweise ziehen sich die Kurse vor der Mittagspause am Montag immer bis in die Ewigkeit, da ich diese ohne Nelli bewältigen muss und die Themen mich eher mäßig interessieren.

Unser Schwerpunkt heute dagegen ist durchaus ertragbar und so ist schneller Mittagspause, als ich denken kann.

Ich gehe mit dem Strom in Richtung Cafeteria, als ich am Arm zurückgehalten werde und mich, eben wie letzte Woche, in dieser dunklen Ecke wiederfinde. Ich muss nicht hochschauen, um zu wissen wer mein Entführer ist. Ich erkenne seinen Duft direkt.

Gabriel.

Es jagt mir einen Schauer über den Rücken, beim Gedanken ihm so nah zu sein. Sein Körper drückt mich an die Wand. Mir wird ganz schwummerig. Ich blicke nach oben in seine eisblauen Augen, die schönsten, die mir je begegnet sind.

Er beugt sich langsam zu mir runter und seine Lipoen treffen auf meine.

"Nicht." Ich schiebe ihn ein wenig von mir weg.

"Was ist los? Darf ich dich nicht küssen?" Er streicht mir durch die Haare. "Falls du dich nicht erinnerst, rufe ich dir gerne ins Gedächtnis, dass wir uns bereits geküsst haben. Und ich würde das nur zu gern wiederholen." Er grinst.

Beim Gedanken an unser Date schießt mir die Röte ins Gesicht und ich bin froh über das fehlende Licht.

Er lehnt sich wieder zu mir, dieses Mal etwas zurückhaltender. Wieder halte ich ihn auf Abstand.

"Ich muss zu Nelli", nuschle ich und flüchte mich in die überfüllte Cafeteria. Nelli wartet bereits an unserem Stammtisch.

"Meine Güte, was hast du denn so ewig gebraucht? Du hattest doch Geographie. Oder nicht? Das ist ein Katzensprung bis hier her. Also ..."

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt