Ludwig V

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Lucianas Lippen sind zart und unglaublich weich, doch das einzige woran ich und mein Herz bei diesem ungewollten Kuss denken ist meine Frau - Beth.

Etwas unsanft stoße ich Luciana von mir weg. "Was soll das?", frage ich verblüfft.

Das sie mich küssen würde ist das Letzte, woran ich gedacht hätte. Sie ist deutlich zu jung für mich, wir kennen uns auch noch nicht allzu lang und vor allem bin ich verheiratet und das sehr glücklich.

"Aber...", jammert sie. "Sie mögen mich doch, wir passen doch gut zusammen. Ich mache sie doch glücklich!"

Im Vergleich zu ihrem vorherigen Auftreten wirkt sie weniger gefasst und klingt etwas schrill, mehr wie ein kleines Kind.

"Ich bin verheiratet und das sehr glücklich", sage ich etwas zu forsch, denn sie zuckt zusammen.

"Außerdem habe ich Kinder." Ich folge dem Weg zurück zum Häuschen.

"Nein, wenn sie ehrlich mit sich selbst sind, Ludwig, dann tun sie das nicht, dann sind sie nicht zufrieden mit dem, was sie haben. Sie wollen mehr und das verdienen sie auch", sagt sie etwas lauter, damit ich es ja höre.

Luciana läuft hinter mir her und versucht nicht von mir abgehängt zu werden, doch mit ihrem langen Rock durch die engen Gänge ihres Gartens zu kommen ist gar nicht so einfach.

"Sie sind doch viel zu jung, um zu wissen was Familie und Liebe bedeutet. Gehen sie zurück in ihren Garten und lassen mich in Frieden. Ich liebe meine Frau, meine Kinder und mehr in dieser Welt brauche ich nicht, bei Gott", schreie ich fast schon. Ich beschleunige meinen Schritt, will nur noch raus aus diesem verdammten Garten und weg von Luciana, zurück nach Hause zu meiner Familie.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erlange ich endlich die Terrasse. Zügig durchquere ich das kleine Haus und gelange so auf den Feldweg, über den wir gekommen sind.

"Warten Sie, gehen Sie nicht!", höre ich Luciana hinter mir her schreien, doch sie kann mich nicht mehr von meinem Weg, der mich so weit wie möglich weg von ihr bringen soll, abhalten.

Schnellen Schrittes, ohne einen einzigen Blick zurück, gehe ich nach Hause. Es ist ein wenig wie eine Flucht, eine Flucht vor dem was geschehen ist - was sie getan hat.

Luciana mag, welche Gesten auch immer, falsch gedeutet haben, doch sie schien fast besessen zu sein. Dabei liegt sie vollkommen falsch, was mich betrifft. Ich liebe mein Leben, meine Frau, sowie meine beiden Kinder. Ich bin glücklich. Doch sie hat mich verunsichert. Nicht, dass ich meine Familie nicht schätzen würde, aber sie hat mein Bild über sich selbst erschüttert. Ich hielt sie für reif und eine gute Freundin, aber da habe ich mich getäuscht. Mich mit hinterlistigen Gedanken zu sich zu locken, um mich dann zu verführen, so wie der Teufel es tun würde. Nicht zu fassen!

Durch die aufwühlenden Gedanken verpasse ich den Sonnenuntergang, das merke ich jedoch erst als ich schon fast zu Hause bin und für einen Moment innehalte.

Was erzähle ich Elisabeth? Kann ich ihr immer die Wahrheit sagen? Auf jeden Fall! Allerdings will ich nicht, dass sie Luciana damit konfrontiert, was sie gewiss tun würde, so ist sie halt. Doch ich möchte kein Stress.

Ich will das alles nur vergessen und in Frieden weiterleben. Ich beschließe also es ihr erstmal nicht zu erzählen und noch etwas darüber nachzudenken.

Ich atme ein letztes Mal tief durch und betrete dann mit aufgesetztem Lächeln mein Heim.

Drin erwartet mich Beth schon. Sie gibt mir wie immer einen Kuss zur Begrüßung und ich nehme sie in meine Arme. Direkt fühle ich mich besser, es ist, als würde die gesamte Last, die sich gerade noch auf meinen Schultern befunden hatte, mir abgenommen, sodass es für den Moment so scheint, als gäbe es keine Probleme, keine Sorgen. Sie ist mein Zuhause, sie ist die Frau, die ich liebe und bis heute dachte ich, dass das auch jeder mitbekommen würde, es merken müsste.

Aber dem ist anscheinend nicht so und dass enttäuscht mich in gewisser Weise, denn ich will, dass die Leute mein Glück sehen. Ich will, dass die ganze Welt es sieht, obwohl dieses Glück nur uns gehört.

GeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt